Schriesheim im Bild 2023

13.12.2006

„Ohne Erinnern gibt es keine Moral"

(sk) "Eine Stadt, die keine Vergangenheit hat, wird auch keine Zukunft haben", erklärte Bürgermeister Hansjörg Höfer, als am Sonntag das neue Schriesheimer Jahrbuch vorgestellt wurde, und dankte dem Autorenteam. Dass das Buch im zehnten Jahr seines Erscheinens auf breites öffentliches Interesse stößt, konnte man schon an dem illustren Publikum sehen, das sich eingefunden hatte, um eines der ersten Exemplare zu erwerben, darunter der künftige Stadtarchivar Hans-Jörg Schmitt.

Viel Lob wurde der früheren Stadtarchivarin Ursula Abele zuteil, die 1997 gemeinsam mit ihrem Mann die jährlich erscheinende Chronik aus der Taufe gehoben hatte: "Auf so jemanden wie Sie verzichtet man nur sehr ungern." Für die Fortsetzung ihrer Arbeit dankte Höfer Abeles "Ziehsohn", VHS-Leiter Frank Röger, Andrea Erdmann von der Stadtverwaltung, die die technische Leitung des Projekts übernommen hatte, Konstantin Groß für seine Arbeit am redaktionellen Teil, dem "Grandseigneur" Fritz Hartmann sowie allen Autoren.

Festredner an diesem Morgen war der Mannheimer Kabarettist und Träger des "Bloomaul"-Ordens, Prof. Dr. Hans-Peter Schwöbel, der in ausnahmsweise gar nicht humoristischer Weise über das Thema "Kinder des Urknalls – Kinder des Worts" sprach. Ebenso wie der Urknall fortwirkt, befindet sich auch der Mensch in permanenter Evolution. Er darf nicht der Illusion erliegen, dass ihm das Künftige entgegenkommt. Es sei eher so, dass das Vergehende das Werdende erzeuge. Im Niederschreiben von Geschichten werde ausgedrückt, dass Einflüsse und Zustände aus vergangenen geschichtlichen Epochen fortwirkten. Vieles müsse der Mensch verdrängen, da ihn sonst die Last der Geschichte erdrücke, andererseits sei das Erinnern ein Beitrag zur menschlichen Kultur: "Ohne Erinnern gibt es keine Zivilisation, keine Moral, keine ethische Entwicklung." Schwöbel dankte denen, die das historische Gedächtnis gestalteten, für ihren unersetzlichen Beitrag für die Gemeinschaft.

Dieser Beitrag ist nun erneut im Buchhandel zu haben: Das 192 Seiten umfassende Werk enthält zwölf Beiträge von zehn Autoren.

Der Umschlag zeigt traditionell in der oberen Hälfte die Strahlenburg, in der unteren Hälfte ist eine von RNZ-Fotograf Peter Dorn im Bild festgehaltene Szene des Volkstrauertags zu sehen. Andrea Erdmann zeichnet nicht nur für die technische Umsetzung verantwortlich, sondern auch für einen detailgenauen Rückblick auf das Jahr 2005. Monika Stärker-Weineck hat in ihrem Artikel "Unseren Toten" ihre Spurensuche nach den Opfern des Zweiten Weltkriegs beschrieben. Sie hat die Namen von Opfern aus Krieg, Widerstand, Euthanasie und Judenvernichtung zusammengetragen; dazu gibt es eine Altersstatistik und eine Landkarte mit den Sterbeorten.

Man erfährt Wissenswertes über die den Opfern gewidmeten Gedenktafeln; schließlich sind die Namen der Opfer nochmal abgedruckt. Vorangestellt ist eine Zusammenstellung aus zeitgenössischen Beileidsbriefen, die die Hinterbliebenen erhalten haben.

Eine sehr persönliche Laudatio auf Ursula Abele findet sich am Anfang des Buches; sie stammt aus der Feder von Frank Röger. Dr. Gerhard Merkel hat dem Schicksal von Johann Georg Mack zwischen 1617 und 1618 nachgespürt. Prof. Joachim Maiers Artikel berichtet über jüdische Kultgegenstände, die nach vielen Jahrzehnten nach Schriesheim zurückkehrten. Dr. Uri Kaufmann beschreibt die Verwendung dieser Gegenstände in der jüdischen Liturgie und gibt einen Abriss über das Leben in der früheren jüdischen Gemeinde von Schriesheim. Die Beiträge von Konstantin Groß setzen sich mit der Geschichte von Schriesheims Kriegerdenkmälern und dem Schicksal der "Besatzungskinder" auseinander. Henner W. Harling hat prächtige alte Ansichtskarten aus dem Ludwigstal zusammengetragen, Fritz Hartmann schildert die tragischen Umstände, die zum Tod seines Großvaters führten, und Georg Döringer beschreibt mit seinem Artikel über die Kartoffeln ein Stück echte Schriesheimer Alltagsgeschichte (siehe weiteren Bericht).

Info: Schriesheimer Jahrbuch 2006, 192 Seiten, Preis: 12,80 Euro. Im Bürgerbüro und in allen Schriesheimer Buchhandlungen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung