Schriesheim im Bild 2023

10.01.2007

Die zehn „Verrückten" von „Springfontein"

Von Leo Paul

Sie sind Geografen und Psychologen, Museumsleiter, Ärzte, Köche und Manager, und sie sind alle ein bisschen verrückt. Sagt Susanne Schneider. Sie muss es wissen, denn sie ist eine davon. Mit einer Anzeige im internationalen Fachmagazin "Wine Spectator" vor zehn Jahren fing alles an. "Farm for sale", stand dort, "Landwirtschaftliches Anwesen zu verkaufen". Allerdings war die "Farm" mit 500 Hektar Land versehen, also nicht gerade ein Vorgärtchen in der Region Overberg an der südafrikanischen Atlantikküste. Schriesheims Winzergenossenschaft baut ihren gesamten Wein zwischen Hirschberg und Dossenheim auf rund 110 Hektar an, nur so zum Vergleich.

Rund 265 000 Pfund Kaufpreis legten zehn Gesellschafter – ein Bekanntenkreis, verstreut in ganz Deutschland – damals zusammen, um sich einen Traum zu verwirklichen: ein eigenes Weingut. Darunter Susanne und Jürgen Schneider, die Sterne-Gastronomen, die ein Jahr später aus Mecklenburg-Vorpommern nach Schriesheim wechselten, um dort den "Strahlenberger Hof" zu übernehmen. Der Rest ist bekannt.

Was in der Weinstadt allerdings nicht viele kennen, das ist das "andere Leben" der Schneiders am Kap. "Zehn Jahre Springfontein", so lautet der Titel des Weingutes und eines Vortrages, den Weinakademikerin Susanne Schneider jetzt in ihrem "Hirsch" dem montäglichen Winzer- und Weinexpertenstammtisch kredenzte, samt der passenden Weine versteht sich.

Zum fachkundigen Publikum gehörte unter anderen auch der Schriesheimer Genossenschafts-Geschäftsführer Harald Weiss, der bekanntlich den Afrikanern schon das Weinmachen beigebracht hat, als in Schriesheim noch der Müller-Thurgau als Vorzeigetraube galt.

Gut, dass es den 2005er Chenin Blanc zum Auftakt gab, ein wunderbar blumiger Barrique-Weißwein, von Südafrikas Weinpapst John Platter mit 4,5 von fünf möglichen Punkten geadelt. Wenn der Tropfen nicht so kapital gewesen wäre, hätte man fast meinen können, das Unternehmen Springfontein sei im Sande verlaufen. Denn Susanne Schneider hielt nicht hinter dem (Wein-)berg mit all den Widrigkeiten, die sie beim Aufbau des Weingutes begleitet haben. Trockenheit, Vogelplage, Personalprobleme, bürokratische Hemmnisse. "Wir würden es, glaube ich, heute nicht mehr machen", beschrieb sie. Was zu glauben allerdings schwer fiel. Denn voller Begeisterung erzählte die Tochter des Hobby-Winzers Günther Thoma von dem späten aber letztlich doch erfolgreichen Gedeihen des Weinbaus in Springfontein.

Am Anfang war der Kalk. "Wir wussten, dass dieser Boden große Weine bringen kann", erinnerte sich Susanne Schneider. Viel mehr wusste sie nicht. Es war ein gewaltiges Wagnis. Mittlerweile sind 25 Hektar inmitten des Riesenareals mit Rebstöcken bepflanzt.

Das war ein wahres Hexenwerk. Erst wuchsen die Stöcke nicht an. Zwar fällt am Kap aufs Jahr verteilt genügend Regen, aber nicht im Frühjahr, wenn die jungen Reben wurzeln müssen. Also mussten fünf Kilometer Bewässerungsrohre verlegt werden. Der erste Jahrgang wurde fast vollständig von Vögeln aufgefressen, so dass sich die Gesellschafter dazu entschlossen, einen Trupp von Weinbergs-Hütern fest einzustellen. "Wir haben Lehrgeld bezahlt", gestand Susanne Schneider zu. Im Nachhinein war der Kaufpreis für das Grundstück ein Klacks gegen die Summe, die von den Gesellschaftern für die Bestockung und die Infrastruktur investiert werden musste. Übrigens betonen die Schneiders immer wieder auch ihren sozialen Auftrag als ausländische Unternehmer: In Springfontein wurden mehr als ein Dutzend Arbeitsplätze für Einheimische geschaffen.

Erst 2004, also sieben Jahre nach dem Kauf, gab es die erste reguläre Ernte. "Wir wollten von Anfang an nur auf höchstes Niveau", beschrieb die Wein-Akademikerin. Das ist den zehn "Verrückten" mittlerweile gelungen – was noch nicht wirtschaftlich aber zumindest moralisch eine Entschädigung bedeutet.

15 Rebsorten gedeihen mittlerweile in Springfontein, die meisten davon sind rote Cuvées wie in den europäischen Spitzenregionen. Strenge Mengenregulierung (auf durchschnittlich 30 Kilo Trauben pro Ar) sorgt für außergewöhnliche Qualitäten. Der Winzerstammtisch bekam zwei herrlich samtige Pinotage (Pinot noir/Hermitage) eingeschenkt, später einen wuchtigen Shyraz.

Schneiders haben es fast geschafft. Die besten deutschen Importeure sind mittlerweile auf das Weingut aufmerksam geworden und beginnen vorsichtig zu ordern. Eine besondere Spezialität ist der Ikhalezi, ein Süßwein aus Chenin-Blanc-Trauben. Das gab es dort am Kap noch nie. Für die Rarität aus edelfaulen Botrytis-Beerchen gab es nicht einmal eine Klassifizierung. Auf dem Etikett steht jetzt schlicht: "Natural sweet Wine".

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung