Schriesheim im Bild 2023

03.04.2007

Er suchte seine Zukunft im Land der religiösen Toleranz und des Wohlstands

(sk) Jeder Schriesheimer kennt das Schild der Alexander-Mack-Straße, das dem mehr oder weniger genervt an der Ampel zur B3 wartenden Autofahrer einige Eckdaten aus dem Leben eines längst verstorbenen Schriesheimers erklärt: "1679-1735, Müller in der Talmühle, als Glaubensflüchtling Begründer der Church of Brethren in den USA". Mancher wird sich gefragt haben, was hinter diesen wenigen Daten steckt. "Religion made in Schriesheim" nämlich, wie der Vortrag von Stadtarchivar Hans Jörg Schmidt im Alten Rathaus lautete.

Das Thema interessierte viele, darunter auch Michael Werner, Vorsitzender der "deutsch- pennsylvanischen Gesellschaft" mit Sitz in Mainz und einige Mitglieder des Vereins, der sich als "Brücke zwischen den Nachfahren der Ausgewanderten und der Hiergebliebenen" versteht und sich einer besonderen Brauchtumspflege verschrieben hat: der Bewahrung des deutsch-pennsylvanischen Dialekts, eines altertümlichen Pfälzisch, das nur noch von wenigen Menschen gesprochen wird.

Zurück zu Alexander Mack: Er stammte aus einer alt eingesessenen Müllerfamilie, die seit den Zeiten seines Ur-Ur-Großvaters Bürgermeister und auch einen Zehntgrafen gestellt hatte. Im 16. Jahrhundert hatte sie die "Mack’sche Mühle" am Kanzelbach erworben und war zu Wohlstand gekommen.

Alexander Mack wurde als achtes von elf Kindern in die calvinistische Familie hineingeboren und hatte schon früh unter plündernden Truppen zu leiden, die Schriesheim heimsuchten und Hunger und Not über die Bevölkerung brachten. Er musste wie viele seiner Zeitgenossen auch den frühen Tod von Geschwistern verkraften, was dazu führte, dass er keine Ausbildung am Heidelberger Collegium erhielt, sondern zusammen mit einem älteren Bruder die Mühle übernehmen musste. Mit 21 Jahren heiratete er die ein Jahr jüngere Anna Margaretha Kling. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges erfuhren geistliche Bewegungen wie Mennoniten, Wiedertäufer und Pietisten einen Aufschwung.

Zu den Letzteren fühlte sich Mack hingezogen. Einer der führenden Wanderprediger dieser Zeit war Ernst Christoph Hochmann von Hochenau, der Mack beeinflusste. Die Pietisten akzeptierten lediglich das Neue Testament als Basis ihrer Lehre, orientierten sich am frühen Christentum, lehnten die Säuglingstaufe als unbiblisch ab und vertraten die Idee der "Geisttaufe". Mit 26 Jahren wandte sich Mack vollends deren Ideen zu und von der Amtskirche ab.

Das hatte auch einen Bruch innerhalb der Familie zur Folge, der 1706 zum Verkauf von Macks Mühlenanteilen an seinen Bruder führte, Mack zum Missionar in pietistischer Sache machte und seine Wohnung zum Schauplatz verschiedenster Erweckungspredigten.

So zog er sich den Zorn der Amtskirche zu, die versuchte, die Versammlungen zu unterbinden. Nach einem Handgemenge, in das etwa 50 Pietisten verwickelt waren, floh Mack vor Repressionen über verschiedene Stationen zunächst nach Schwarzenau in der Grafschaft Sayn- Wittgenstein. Der dortige Graf Heinrich Albert erlaubte verschiedensten Glaubensflüchtlingen, sich in dem kleinen Ort niederzulassen.

Im Jahr 1708 wurde dort die Bewegung der "Neutäufer" oder der "Kirche der Brüder" in einem Taufgottesdienst gegründet. Sieben Erwachsene ließen sich taufen und legten damit den Grundstein zu einer der ältesten freikirchlichen Traditionen.

Aus diesen "Wiedertäufer"-Bewegungen gingen die Hutterer, Amish und in gewissem Sinne auch die Baptisten hervor. Besonderheit der Mack’schen Bewegung war das dreimalige Eintauchen, das auf frühchristliche Traditionen zurückgehen und die Begriffe "Vater, Sohn, heiliger Geist" symbolisieren sollte. Zu den strengen Regeln der Gemeinde gehörten ferner die Fußwaschung, ein "Agape" genanntes Mahl sowie das Verbot von Kriegsdienst und Eidesleistungen. In seinem Werk "Rechte und Ordnungen" legte Mack 1715 die Grundlagen der Bruderschaft schriftlich fest.

Damit eckte Mack wieder an, und 1719 entschloss sich die Familie, Deutschland zu verlassen. Nach einem Aufenthalt in Holland wanderte Mack 1729, inzwischen Witwer, mit 30 anderen Familien nach Pennsylvanien aus, das für seine religiöse Toleranz und seinen Wohlstand bekannt war. Dort hatten sich zwölf pietistische Gemeinden, die größte in Germantown, heute ein Vorort von Philadelphia, angesiedelt.

Mack übernahm von Peter Becker die Leitung der Gemeinde. Später spaltete sich unter Johann Conrad Beissel eine Gruppe ab, die das Kloster "Ephrata" gründete. Am 19. Januar 1735 verstarb Mack und musste nicht mehr erleben, wie sein nach ihm benannter Sohn in dieses Kloster eintrat. Nach einer Umbettung findet sich heute sein Grab hinter dem Gemeindehaus der "Church of Brethren" in Germantown. Die Kirche hat heute 150000 Mitglieder. Fünf von ihr abgespaltene Gruppierungen kommen noch einmal auf insgesamt 60000 Mitglieder. Gemeinsam ist ihnen eine Abkehr vom modernen Leben, die die Ablehnung von Autos, Radio und anderem einschließt. Die Frauen der abgeschottet lebenden Gemeinden tragen Häubchen und weit geschnittene Kleider, die Männer Bart und Hut.

Bis heute leben übrigens in Schriesheim Nachfahren der Familie Mack. Angesichts der bedeutenden Stellung Alexander Macks regte Schmidt an, ihn noch wirksamer als nur mit einer nach ihm benannten Straße bekannt zu machen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung