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30.04.2007

Der „Siebensprung" war mal ein Männer-Tanz

kaz) "Do hockt jo alles voll!" Die Frau, die gegen 15 Uhr zum "Tanz unter der Linde" kommt, ist überrascht. Es sieht wirklich so aus, als sei unter der Linde kein Plätzchen mehr frei. Da hilft nur "’zammerutsche". Beim Fest sind auch kleine Mädchen schon "unter der Haube." Süß sieht das aus. Stolz tragen sie die hübschen Kleider. Kleine Jungen haben mit Trachtentanz allerdings nichts am Hut. Soviel zum Nachwuchs in den Volkstanzgruppen der Region.

Für die Volkstanzgruppe des MGV Eintracht und den Fanfarenzug des KSV ist die Veranstaltung zwar ein Heimspiel, doch organisatorisch gibt es jede Menge zu tun. Außerdem muss zu jedem Tanz die richtige CD aufgelegt werden. Nicht so bei der Trachtengruppe Steinachtal aus Schönau, die es schon über ein halbes Jahrhundert gibt. Dort sorgt Dieter Waigel als "Mann am Klavier" für Live-Musik. Derweil erzählt Tanz-Leiterin Partricia Junker, was ein "Siebensprung" ist. Demnach tauchte der Name erstmals um 1605 auf. Ursprünglich wurde der Tanz nur von Männern ausgeführt. Stecken in ihm doch Motive alter Fruchbarkeitsriten, wie das "Sich-der-Erde-Nähern", das Stampfen und Klopfen. Ein Grund warum es zu Frühlings- und Erntefesten, aber eben auch bei Hochzeiten beliebt war. Mit der Zeit entwickelte sich der "Siebensprung" zum Paartanz. Sprünge und Verneigungen galten jetzt den Mädchen.

Aus der Jugendbewegung stammt das Tanzspiel "Hahn im Korb". In diesem Fall darf ein junger Mann von einer Frau zur andern wechseln. Oder wie wär’s mit dem "Jägerneuner", wie ihn die Trachtengruppe Nieder-Liebersbach zeigt? Ein echter "Spaßtanz" für neun Personen. Ebenfalls unter der Linde präsent: Der Sing- und Volkstanzkreis Leutershausen, der demnächst sein 50-jähriges Bestehen feiert, sowie die Trachtengruppen des Heimat- und Kerwevereins "Alt Weinheim". Weinheim hat unter anderem die selbst erfundene "Dampfnudel-Polka" im Programm, die langsamer getanzt wird als die fetzige Feuerwehr-Polka.

Volkstänze erzählen Geschichten. Auch über das Handwerk. So wird beim Schustertanz unter anderem das Schuhe-Besohlen nachgeahmt, beim Küfertanz der Bau eines Fasses oder beim Webertanz die Arbeit am Webstuhl. Und zu was tanzen die Kinder? Zum Beispiel auf Lieder wie "Der König ging spazieren" oder "Knopfloch". Die Tänze haben noch mehr Verspieltes.

Im Übrigen sind Volkstänze nichts Starres, das in der Tradition ruht und sich nicht weiter entwickelt. Im Gegenteil. Auch bei Veranstaltungen, zu denen sich die Gruppen treffen, entstehen neue Tänze. So war’s wohl auch mit dem "Schwarzerdener" aus Schwarzerden. Längst gibt es auch Volkstanz-Seminare, in denen die Gruppen alte Tänze auffrischen oder neue dazu lernen. Schon mal den "Föhrer Kontra" gesehen? Dieser Tanz ist nach der Insel Föhr benannt und das "Kontra" lässt sich auch erklären. Die Tänzerinnen und Tänzer schreiten oft aufeinander zu.

Zu den temperamentvollsten Volkstänzen gehören jene aus dem Sudetenland. So wie die Polka. Dagegen haben die Volkstänze aus dem Odenwald eher was "Bodenständiges". Und doch beherrscht man hier auch den "Flieger". Das sind jene Figuren, bei denen junge Mädchen aber auch reifere Frauen dank starker Männer die Bodenhaftung verlieren. Da kann man Lust aufs Volkstanzen bekommen. Das ist auch gut so – damit die Brauchtumspflege weitergehen kann.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung