Schriesheim im Bild 2023

07.11.2007

Liebe und Vertrauen als Fundament

Von Stephanie Kuntermann

Heute feiert eine Traditionseinrichtung der Stadt ihr hundertstes Jubiläum: Am 7. November 1907 um 14 Uhr wurde der Kindergarten Römerstraße offiziell eröffnet. Darüber berichtet Archivar Dr. Hans Jörg Schmidt in seinem Büchlein "100 Jahre Kinder in der Römerstraße".

Erste Pläne für eine "Kleinkinderschule" sind schon 70 Jahre älter, wurden aber nie umgesetzt. Dabei war der Bedarf groß: Kinder, deren Eltern auf den Feldern arbeiten mussten, waren oft sich selbst überlassen. Das führte zu Wohnungsbränden und anderen Katastrophen, aber auch dazu, dass die Kleinen in Zimmer oder gar in Kisten eingesperrt wurden. 1860 gab es einen weiteren Vorstoß zur Gründung einer "Bewahranstalt". Auch dieser scheiterte.

Schließlich nahmen sich die Frauen des Problems an. Durch ihr Engagement konnte im früheren katholischen Schulhaus eine "Kinnerschul" eingerichtet werden mit Schwestern aus dem Diakonissenmutterhaus "Bethlehem" in Karlsruhe als Betreuerinnen. Die Räume im alten Schulhaus wurden bald zu eng – ein neues Haus musste her. Es wurde schließlich für 25000 Mark gebaut. Bis 1966 dauerte die Zusammenarbeit mit den Diakonissen, 1977 verließ mit Schwester Maria Auguste die letzte Ordensschwester den Kindergarten.

Übrigens begann in der Anfangszeit auch eine jahrelang dauernde Auseinandersetzung: Das Bezirksamt hatte eine Trennung der "Aborte" für Mädchen und Jungen verlangt, der sich die Schriesheimer aber mit ihrer eigenen Methode entzogen: Mädchen und Jungen durften nur zu bestimmten Zeiten und unter Aufsicht das "Örtchen" besuchen.

Auch die politische Großwetterlage schlug sich im Kindergarten-Alltag nieder: im Ersten Weltkrieg posierten Kinder mit Pickelhaube und Holzgewehr auf dem Gruppenfoto, in den zwanziger Jahren zog im Obergeschoss eine obdachlose Familie ein, und die Gemeinde forderte immer wieder neue Schwestern für die Betreuung der größer werdenden Kinderschar. In dieser Zeit kam "Schwester Bawett", an die sich noch zahlreiche Schriesheimer erinnern. 1937 wurden die Schwestern allerdings vertrieben, da im Zuge der Gleichschaltung die Kindergärten von der NSV übernommen wurden. Es wurde eine Leiterin eingesetzt, die sich "in der Kampfzeit (...) sehr für die Belange der Bewegung eingesetzt" hatte. Leider bleibt das Buch die Antwort auf die Frage schuldig, welche Erzieherin Bürgermeister Fritz Urban damit gemeint hatte. 1945 durfte Babette Jäck den Heimweg nach Schriesheim auf dem Pferdefuhrwerk antreten. Sie blieb bis zu ihrem 70. Lebensjahr.

Der Kindergarten war lange konfessionell in einen evangelischen und einen katholischen Teil getrennt – Sandkasten, Eingänge, Räume und Toiletten waren nach Konfessionen getrennt. Aus dieser Zeit stammt auch die Beschwerde eines evangelischen Kindes, das "katholischen Sand" an den Schuhen hatte. Später galt diese Trennung als überholt, und in den siebziger Jahren wurde aus der Kinderschule offiziell der "Städtische Kindergarten Ost". Aus der Bewahranstalt wurde eine Einrichtung, die auf jedes Kind eingeht und deren Motto lautet: "Liebe und Vertrauen bilden das Fundament für erfolgreiches Lernen".

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung