Schriesheim im Bild 2023

09.06.2008

Eine Schlammlawine schoss durch die Straßen

Von Carsten Blaue

Schriesheim. Eigentlich wollte die Feuerwehr gestern in aller Frühe bei der Waldübung den Ernstfall proben. Doch dazu kam es nicht. Es kam schlimmer, und zwar schon am Samstag.

Nachmittags brauten sich von Osten her schwarze Wolken über der Stadt zusammen. Gegen 16.30 Uhr schlug das Gewitter los. Die Feuerwehr maß 30 Liter Regen auf den Quadratmeter – in 15 Minuten. Normalerweise gelten 50 Liter in der Stunde als Unwetter. Um 16.45 Uhr dann die Alarmierung der Feuerwehr durch die Integrierte Leitstelle Rhein-Neckar: "Eine große Schlammlawine geht die Straße ,Großer Mönch’ herunter", lautete die Mitteilung. Für die Kameraden war das der Beginn von neun Stunden Dauereinsatz.

Der Schlamm kam aus dem Gebiet der Rebflurbereinigung. Über den Großen Mönch schoss er auf gesamter Fahrbahnbreite in den Dossenheimer Weg, von dort in die Passein bis in die Bismarckstraße. Gullideckel wurden aus den Verankerungen gedrückt. "Faustgroß waren die Steine, die da mit heruntergingen", sagte Bürgermeister Hansjörg Höfer, der sich ebenso wie Ordnungsamtsleiter Willy Philipp und Unterkreisführer Roland Bordne vor Ort befand.

Im Feuerwehrhaus gingen nun die Einsatzmeldungen im Minutentakt ein. Am schlimmsten traf es zwei Anwesen in der Oberstadt – hier kam das Wasser vom Schlossberg herunter – und ein Mehrfamilienhaus im Kehlweg. Der Schlamm stand bis zu einem halben Meter hoch in den Wohnungen, Kellern und Garagen. Die Feuerwehr setzte Schmutzwasserpumpen ein – auch die von den Kameraden aus Dossenheim und Ladenburg: "Aber der Schlamm war wie Beton", so Schriesheims Kommandant Oliver Scherer. Eine Pumpe nach der anderen gab den Geist auf: "Überhaupt war das Ganze eine Materialschlacht", so Scherer. Teilweise verdünnten die Kameraden den Schlamm mit noch mehr Wasser, um ihn abpumpen zu können. Auch mit Schaufeln wurde der Dreck aus den Häusern gebracht.

Ein Radlader von Stefan Pfeifers Baufirma trug zudem den Schlamm im Kehlweg ab. Pfeifer selbst griff zur Schaufel. Später half seine Firma der Feuerwehr auch bei der Straßenreinigung. Die Nachbarschaftshilfe an den großen Einsatzstellen habe ebenfalls prima funktioniert, lobte Höfer im RNZ-Gespräch: "Alles hat hier geschaufelt und gekehrt. Teilweise hatten die Anwohner echte Krisenstimmung." Die Feuerwehrkameraden arbeiteten bis zur Erschöpfung. Manche waren nach dem Einsatz so dreckig, dass sie sich erstmal in voller Montur unter die Dusche stellten. Um die Gebäude vor weiteren Wassereinbrüchen zu schützen, wurden im Bauhof knapp 200 Sandsäcke gefüllt und von der Feuerwehr an die Betroffenen verteilt.

Kurz vor 17 Uhr hatte die Feuerwehr am Samstag darüber hinaus die Alarmierung erhöht. Die Abteilung Altenbach half auch mit im Kehlweg, die Ursenbacher Löschgruppe in der Oberstadt. Zudem arbeiteten die insgesamt 54 Feuerwehrleute weitere 13 Einsatzstellen ab, darunter in der Wormser Straße, in der eine Tiefgarage mit Wasser volllief, in der Schanz und in der Schmalen Seite: "Hier war es aber weniger, als befürchtet. Wenn die Unwetter von Osten kommen, sind die Kanäle meistens schon voll, wenn es in Schriesheim losgeht", sagte Scherer. Auch "Pfalz"-Wirt Jürgen Opfermann war betroffen. Auf seinen Kegelbahnen stand das Wasser. Die Feuerwehr sei "superschnell" zur Stelle gewesen, lobte er. Höfer unterstrich, dass die Kanalisation "viel abgefangen" habe: "Vor zehn Jahren wären die Schäden größer gewesen." Für ihn ein Beweis, wie wichtig die Kanalsanierungen mit dem Einbau von Röhren mit größerem Durchmesser sind.

Höfer will sich am heutigen Montag mit dem Amt für Flurneuordnung zusammensetzen und die Ursachen der Schlammlawine analysieren: "Wenn es sich als nötig erweist, die Befestigung der Wege in der Rebflurbereinigung vorzuziehen, dann müssen wir dafür sorgen." Noch wollte Höfer sich auf diese Ursache für die Dreckmassen aber nicht festlegen. Sicher ist jedoch, dass der Gewitterregen die erdigen Wege ausgespült hat und dadurch sogar die Beregnungsleitungen der Weinbergterrassen teilweise freigelegt wurden. Außerdem gab es schon im vergangenen Jahr nach starken Regenfällen Schlammabgänge über die neuen Wege, die sich bis in die Wohnstraßen ergossen. Bewährt haben sich am Wochenende jedoch die Rückhaltebecken im Gebiet der neuen Weinbergterrassen. Sie liefen voll und verhinderten noch Schlimmeres.

Scherer ergänzte, dass er heute auch mit der Schriesheimer Wasserversorgungs- und -entsorgungsgesellschaft, WVE, sprechen werde. Es sei zu prüfen, an welchen Stellen die Kanalisation gereinigt werden muss. Wie hoch der Sachschaden durch die Folgen des Wolkenbruchs ist, konnten Höfer und Scherer noch nicht abschätzen. Gestern Morgen war jedenfalls ab 9 Uhr für die Feuerwehrleute putzen angesagt – und ein weiterer Keller in der Zentgrafenstraße leerzupumpen. "Zwar mussten wir heute auf die Waldübung verzichten. Aber wenigstens machen wir den ,B-Teil’", sagte Scherer. Das Vesper hatten sich die Kameraden auch redlich verdient.


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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung