Schriesheim im Bild 2023

13.08.2008

Dieses Käthchen haben alle gern

Von Nicoline Pilz.

Schriesheim. Das Ambiente ist der Hammer, das Stück kultverdächtig: Seit einigen Jahren sorgt das Kleist-Werk "Käthchen von Heilbronn" für ein volles Haus, beziehungsweise für einen vollen Hof. Das ist am kommenden Wochenende nicht anders, wenn der Verkehrsverein unter der Regie von Peter Schlechter den Klassiker präsentiert. Alle drei Vorstellungen sind bereits ausverkauft.

Das mag einerseits an der zauberhaften Kulisse liegen, die den Panoramablick von der Strahlenburg herab in die Ebene bis hin zur Pfalz mit einschließt. Im Eintrittspreis enthalten ist andererseits aber auch ein hochklassiges Schauspiel, das den Laiendarstellern Können und Disziplin abverlangt.

Die Identifikation der Theatergruppe um ihren rührigen Regisseur mit dem "Käthchen" ist so groß, dass selbst beim spannenden EM-Spiel nur ein Schauspieler bei der zeitgleichen Probe fehlte. "Und der schwänzte nicht wegen Fußball, sondern er war krank", erzählt Schlechter der RNZ.

Das historische Ritterschauspiel passt zur Strahlenburg so perfekt, wie das süße Käthchen zum Grafen vom Strahl, den sie am Ende schließlich mit väterlichem Segen heiraten darf. Und dieser Segen ist sogar kaiserlich, wie sich später herausstellen soll.

Das kann passieren. Selbst oder gerade der höchste Adel war nicht frei von lustvollen Gefühlen, die beim Zug durch die Provinz (in diesem Fall eben Heilbronn), auch Bürgerliche beglückten. Und so hat der Fünfakter von Heinrich von Kleist, 1810 in Wien uraufgeführt, alles, was das Zuschauerherz begehrt: Ehebruch, Intrigen, Liebe, Dramatik, Herz und Schmerz mit historischem Hintergrund. Zwischen den einzelnen Szenen knüpft der frühere Schauspieler am Mannheimer Nationaltheater, Gerhard Pieske, das Band zwischen Fiktion und Heimatgeschichte. Für Regisseur Schlechter ist die "Hollerbuschszene" eine der schönsten im Stück: "Hier ist der Übergang vom Tragischen ins Liebliche."

Schade, dass man bei der großartigen Feuerszene, symbolhaft für den zweiten Titel "Die Feuerprobe", kein Feuerwerk mehr abbrennen darf. Als vor acht Jahren bei der "Käthchen"-Aufführung die Raketen in den Abendhimmel stiegen, rückte die Feuerwehr an.

Zum guten Glück hielt Altbürgermeister Peter Riehl seine schützende Hand übers Theater und empfahl den besorgten Floriansjüngern, das Ganze als Übung zu betrachten. Heute sind die Sicherheitsvorschriften penibel zu beachten. Dafür nutzen Schlechter und sein Ensemble nun den gesamten Burghof. Beispielsweise beim Aufmarsch des Femegerichts, vor das Waffenschmied Theobald Friedeborn tritt, um den Grafen vom Strahl der Verführung seiner Tochter Katharina zu bezichtigen. Oder auch beim Hochzeitszug, den die Zuschauer im Hof bei Speis und Trank bestens versorgt, verfolgen können.

Passenderweise spielt Katharina Rufer das Käthchen und die 18-Jährige ist eine von jenen Darstellern, die seit Kindesbeinen bei Schlechter auf der Bühne stehen. Aus seiner langjährigen früheren Kindergruppe rekrutieren sich viele der heutigen Protagonisten.

Der Regisseur erinnert sich gern daran, als Katharinas Bruder Florian zum ersten Mal aufs Podium trat, um es gleich wieder zu verlassen. Er wollte lieber wieder zu den Eltern ins Auditorium zurück. "Florian, du kannst deine Schwester jetzt nicht alleine lassen", mahnte Schlechter und der Kleine, ganz edler Ritter, akzeptierte das ohne Murren: "Dann geh’ ich halt wieder raus." Oder Florian Kimmel, der als kleiner Steppke mit seiner ersten Leseprobe auf der Bühne die Herzen des Publikums im Sturm eroberte.

Fraglos haben die Zuschauer aus der ganzen Region das Schriesheimer "Käthchen" ins Herz geschlossen. Dennoch überlegt die Theatergruppe, ob es nicht Zeit für ein neues Stück wird. "Nach den Aufführungen werden wir uns zusammensetzen und überlegen", sagt Karl-Heinz Schulz.

Der Vorsitzende des Verkehrsvereins packte am Montagvormittag ebenso wie weitere Helfer aus den drei Schriesheimer Gesangvereinen mit an, um die Bühne im Burghof aufzuschlagen. Auf 75 Zentimeter Höhe, und somit genau so, wie der Spielleiter das wollte.

Ein anderes Zeichen, dass das Publikum sein "Käthchen" liebt, gab's vor zwei Jahren. Ein heftiges Unwetter trieb Schauspieler und Zuschauer ins Trockene, schon der Start schien höchst fraglich. Als der Regen vorbei war, wollte Schlechter wenigstens die Truppe vorstellen und damit sollte es dann gut sein. Schließlich war alles patschnass, Tische und Stühle tropften.

Dem Publikum war das wurst: "Alle griffen zu Lappen und Handtüchern und machten alles ruck, zuck! trocken." Kleinere Schauer sitzt man ohnehin aus. Zweieinhalb Stunden inklusive einer 30-minütigen Pause dauert das Ritterspektakel, in dem 17 Sprechrollen zu besetzen waren.

Neben Katharina Rufer spielt Jürgen Schuster den Grafen vom Strahl und Klaus Breutner ist Waffenschmied Theobald. Peter Urban ist Femerichter und sprang kurzfristig für den in Kur weilenden Herbert Weber als Köhler ein. Karl-Heinz Schulz gibt den lebensfrohen Kaiser.


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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung