Schriesheim im Bild 2023

22.08.2008

Der Lese-Start ist noch im September

Von Carsten Blaue.

Schriesheim. Die diesjährige Weinlese wird noch im September beginnen. Das prophezeite Patrick Schreieck vom Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg gestern bei seinem für dieses Jahr letzten Rundgang mit den Winzern durch Schriesheims Weinberge. Der Experte schaute sich die Rebstöcke an, prüfte Mostgewichte und gab Tipps für die letzten Wochen vor dem Herbst.

Dieser fange nicht vor dem 15. September an, schätzte Peter Haas: "Das braucht ja alles noch seine Zeit", sagte das Vorstandsmitglied der Winzergenossenschaft mit einem Blick auf die Trauben einer wunderbar gepflegten Spätburgunder-Anlage: "Aber wir sind trotzdem früh dran." Auch im Vergleich zu Südbaden. Schreieck staunte beim Blick ins Refraktometer: "Sie sind unheimlich weit hier." Die Zahlen seiner stichprobenartigen Reifemessungen waren deutlich.

Der Müller-Thurgau hatte 63 Grad Öchsle, der Spätburgunder zwischen 73 und 78 Grad Öchsle. Auch die Reifemessung beim Riesling mit 54 Grad Öchsle zeigte: Der Norden Badens ist dem Süden gut zwei Wochen voraus. Und es gibt ja noch Luft nach oben in Sachen Reife.

Harald Weiss, der Geschäftsführer der Winzergenossenschaft, schien die Zahlen aber mit Vorsicht zu genießen: "Öchsle-Grade alleine sind nicht alles. Auch die physiologische Reife der Trauben ist wichtig." Auf die Inhaltsstoffe kommt es an: "Sonst fallen die Weine schnell in sich zusammen. Es hat sich oft gezeigt: Weine aus später gelesenen Trauben schmecken einfach besser." Und das länger. Wie immer hoffte Weiss auch aus einem anderen Grund, dass es mit der Lese nicht zu früh losgeht: "Ich wünsche mir kühle Temperaturen."

Vorher haben die Winzer aber noch andere Arbeiten zu erledigen: "Wenn gegipfelt werden soll, dann jetzt", so Schreieck. Auch entblättern könne man ohne Gefahr, aber nicht maschinell und nur, wenn die Trauben weich sind. Zumal die Sonnenbrandgefahr dieses Jahr geringer sei. Schreieck empfahl, zwei bis maximal vier Blätter pro Trieb zu entfernen, um die Trauben zu belüften. Das wiederum sei gut für die Aromaausbildung und die bessere Durchfärbung bei Rotweintrauben. Zudem werde dadurch später die Handlese deutlich erleichtert.

Eine Arbeit für die Zeit nach der Lese sei die Tiefenlockerung des Bodens. Jetzt könne man ihn eigentlich in Ruhe lassen, so der Experte aus dem Staatlichen Weinbauinstitut. Nur mulchen sollte man, damit das Grün zwischen den Rebzeilen nicht zu hoch wird. Kurz vor der Lese könne man den Boden einen bis zwei Zentimeter tief anlockern, um Rot- und Weißklee sowie Roggen einzusäen.

Haas machte Schreieck auf ein anderes Phänomen aufmerksam, das während des Rundgangs öfter zu beobachten war: Beim Spätburgunder hingen immer wieder grasgrüne neben gut durchgefärbten Traubenhenkeln, und das an ein und denselben Stöcken: "Dabei haben die alle gleichmäßig geblüht", so Haas. Sogar in den Trauben selbst standen grüne neben tiefroten Beeren. Schreieck tippte auf eine Überlastung der Stöcke. Das sei immer wieder zu beobachten, bei den frühen Sorten zeitiger, bei späten Sorten danach.

Schreieck sagte, jetzt sei jedenfalls der ideale Zeitpunkt, um die unreifen Trauben herauszuschneiden. Zwar seien sie bei den Rotweinsorten leichter zu erkennen. Aber auch bei den Weißen sei der Unterschied von reifen und unreifen Trauben deutlich sichtbar. Zu einem späteren Zeitpunkt sollten die Winzer ihre Weinberge nochmal durchgehen, um grüne, harte Beeren zu entfernen. Auch faule Trauben würden vor dem Lesestart auf den Boden gehören.

In einer Müller-Thurgau-Anlage fand Schreieck einen "Anflug von Oidium". Der Echte Mehltau sei ein "überregionales Problem", stellte der Fachmann klar: "In manchen Betrieben in Baden sind zehn Prozent pfutsch. In Württemberg sieht es ähnlich aus. Manche Rebsorten sind eben empfindlicher, etwa auch der Dornfelder." Schreieck vermutete, dass zeitlich zu weite Spritzabstände dem Oidium eine Chance gaben. Im aktuellen Fall hatte der Winzer schon reagiert und die am stärksten befallenen Trauben entfernt. Schreieck empfahl sogar den getrennten Ausbau des Lesegutes eines solchen Weinbergs. "Machen wir nicht", betonte Weiss. Das gesamte kranke Lesegut müsse heruntergeschnitten werden.

Auch in Sachen Ertrag sah Schreieck die Schriesheimer Genossenschaftswinzer auf einem guten Weg. Bis zur Lese nehmen die Trauben ja noch zwischen 30 und 40 Prozent an Gewicht zu. Also sind die Winzer auch hier nochmal mit gutem Auge für den richtigen Schnitt gefragt, um die Qualität zu steigern: Denn schon jetzt trugen die von Schreieck begutachteten Weinberge zwischen 105 und 130 Kilogramm pro Ar. Wie sagte der Gast aus Freiburg doch? "Sie sind unheimlich weit hier."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung