Schriesheim im Bild 2023

16.09.2008

„Sonst hätten wir hier einen Grand Canyon"

Von Karin Katzenberger-Ruf.

Schriesheim. Das Hämmerchen zum Steineschlagen bitte zu Hause lassen: Diese Aufforderung gilt für alle, die die Spatschlucht besuchen wollen. Schließlich steht sie bereits seit 1937 unter Naturschutz. Am "Tag des offenen Denkmals" trafen sich über 50 Interessierte an der Bushaltestelle "Weites Tal", um die kleine Schlucht unter fachkundiger Führung von "Geopark-vor-Ort"-Begleiterin Iris Lippert zu erkunden.

Eingangs stand ein Ausflug in die Erdgeschichte auf dem Programm. Die Diplom-Geographin drehte das Rad der Zeit um 450 Millionen Jahre ins Erdaltertum zurück. Die Referentin hatte eine Zeichnung der Erde dabei, deren Kern 6000 bis 7000 Grad heiß ist: "Das ist alles nur Theorie. Das tiefste Bohrloch ist gerade mal zwölf Kilometer tief", sagte Lippert.

Man hat sich die Erde wie einen Apfel mit dünner Schale vorzustellen. Nur die obere Schicht ist erkaltet und ermöglicht Leben. Die Teilnehmer erfuhren anschließend einiges über Tektonik beziehungsweise die Bewegung der Erdplatten sowie über dunkles und helles Gestein, das daraus entstand. Heute ist es schwer, sich den Wachenberg in Weinheim als Vulkan mit einem Krater-Durchmesser von 1000 Metern vorzustellen. Auch dass sich der Granit bis zu 13 Kilometer im Umkreis verteilte. Der Quarzporphyr in der Gegend ist ebenfalls vulkanischen Ursprungs. Erdgeschichtlich gesehen ist der 60 Millionen Jahre alte Rheingraben noch relativ jung. Der Graben hat eine Länge von etwa 300 Kilometern, ist durchschnittlich 35 Kilometer breit – und mit Sedimentschichten gefüllt. "Sonst hätten wir hier einen Grand Canyon", sagte Iris Lippert.

Der Schwerspat oder Baryt, der in besagter Schlucht zwischen 1808 und 1939 zur Herstellung von Fotopapier, bleiweißer Farbe und zum Abschirmen von Röntgengeräten abgebaut wurde, entstand vor etwa 250 Millionen Jahren aus heißen Lösungen in einer Verwerfungsspalte. Dieser kam man auf die Spur, als Silberbergwerke ausgedient hatten.

Mit Pferdefuhrwerken wurde der Schwerspat einst nach Ladenburg geschafft und von dort bis nach Holland verschifft. Später diente auch die OEG als Transportmittel. Anfangs war ein gewisser Carl Ludwig Roeder aus Frankenthal der Hauptabnehmer. Während des napoleonischen Befreiungskrieges ab dem Jahr 1813 waren die Zufahrtswege für Linksrheinische zunächst abgeschnitten.

Das und mehr ist auch auf der Tafel zu lesen, die seit Eröffnung des neuen Geopark-Pfades Weinheim/Schriesheim mit dem Namen "Steine, Schluchten und Sagen" über die Geschichte informiert. Auf Schriesheimer Gemarkung umfasst der Weg ein Strecke von etwa acht Kilometern und führt auch am Naturfreundehaus vorbei.

Der "Hermannsgrund" liegt ebenfalls auf der Strecke. Dort wurde einst Feldspat abgebaut, der in gemahlener Form früher zur Porzellan-Herstellung diente. Als Betrieb für die "Grob-Zerkleinerung" des vor Ort geförderten Materials wird auf der Tafel die "Schotterers Mühle" in Schriesheim genannt. Der Abbau von Schwerspat erlebte Mitte des 19. Jahrhunderts seinen Höhepunkt.

Zwischen 1824 und 1827 ist eine Menge von rund 1250 Tonnen dokumentiert. Um diese Zeit dürften dort an die 20 Bergleute und 80 "Scheider" gearbeitet haben. Die Spatschlucht beeindruckt durch bis zu zehn Meter hohe Felswände und ist etwa 3,50 Meter breit. "Du bist aus Schriesheim und kennst die Spatschlucht nicht?": Diese Frage war öfter zu hören an diesem Sonntag.

Info: Iris Lippert führt kleinere Gruppen auch auf Anfrage durch die Spatschlucht, Telefon: 06220/7309, E-Mail an: iris_lippert@web.de.


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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung