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07.11.2008

Moritz: Bildungspolitik in Widerspruch zu Landesverfassung

Moritz: Bildungspolitik in Widerspruch zu Landesverfassung

Schriesheim. (stek) Die neue Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Doro Moritz, ließ bei ihrem Antrittsbesuch beim GEW-Kreisverband Rhein-Neckar-Heidelberg im Hotel "Zur Pfalz" keinen Zweifel daran, dass die Zeiten schwieriger werden. Und das gilt sowohl für den Bereich Mitgliederunterstützung als auch für den Bereich Bildungspolitik.

Als Skandal titulierte Moritz beispielsweise die baden-württembergische Methode, befristet angestellte Lehrer zu Beginn der Sommerferien zu entlassen und am Anfang des neuen Schuljahres wieder einzustellen: "Ein absolut untragbare Vorgehensweise."

Ganz ähnlich bewertete die Landesvorsitzende auch den Versuch der Landesregierung, die Lebensarbeitszeit auf 67 zu erhöhen. Zwar sei es positiv zu bewerten, dass die Landesregierung 2,4 Millionen Euro für Maßnahmen zur Verfügung stellt, damit Lehrer im Beruf das offizielle Pensionsalter von 65 Jahren erreichen. Im Jahr 2007 schieden aber immerhin 35 Prozent aller Lehrer vor der Altersgrenze krankheitsbedingt aus. Nur 17 Prozent kamen dagegen zur Altersgrenze, und die restlichen 48 Prozent nahmen die Frühpensionierung in Anspruch. Und das bedeutet, dass im Ländle die Lehrer im Schnitt mit 62 in Pension gehen. Noch dramatischer sah die Gewerkschafterin und frühere Hauptschullehrerin die Situation an den Schulen. So entwickelte sich die Unterrichtsversorgung in Baden-Württemberg nach Zahlen der GEW seit 1985 im Grunde nur in eine Richtung, nämlich nach unten. Bis zu 20 Prozent gingen die Lehrerwochenstunden je Schüler in den Keller. Und obwohl es die Politik immer wieder anderes suggeriert, steht für Moritz fest, dass im Land eine objektiv schlechtere Unterrichtsversorgung herrscht. Auch die Ausstattung der Schulen mit Stütz- und Förderunterricht sowie Arbeitsgemeinschaften (AG) ist nach Gewerkschaftsmeinung ungenügend – vor allem in Grund- und Hauptschulen sowie in Realschulen.

Im Laufe ihres Vortrages ging Moritz dann so weit, die zurzeit vorherrschende Bildungspolitik in Widerspruch zur Landesverfassung zu setzen. Höchstes Ziel scheine die Auslese zu sein. Dabei stehe in der Verfassung (Artikel elf), dass jeder junge Mensch ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Ausbildung habe und das öffentliche Schulwesen nach diesen Grundsätzen zu gestalten sei. Diesem Anspruch werde die Bildungspolitik hierzulande nicht gerecht. Immer noch werde in baden-württembergischen Schulen hauptsächlich ausgesondert, anstatt gefördert, so Moritz. Sie hatte nicht nur die Schulstruktur im Auge. Genauso reformbedürftig wie das Schulsystem sei auch die Ausbildungsstruktur. "Lehrer müssen befähigt werden, Schüler individuell ihrer Leistungsstärke angemessen zu fördern." Denn Deutschland könne es sich nicht leisten, auch nur ein Kind aus der Mitte der Gesellschaft zu verlieren.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung