Schriesheim im Bild 2023

15.04.2009

Einbußen beim Service befürchtet

on Carsten Blaue.

Schriesheim. Die Nachricht, dass sie ihre Post-Angelegenheiten künftig in einem Schreibwarenladen in der Schönauer Straße erledigen müssen, löste bei den Kunden wenig Begeisterung aus. Mit Skepsis reagierten sie gestern auf die Ankündigung der Post, dass ihre Dienstleistungen ab Juli ein privater Kooperationspartner übernehmen wird (die RNZ berichtete am 9. und 11. April). Ebenfalls am gestrigen Tag äußerte sich das Unternehmen in einer Presseerklärung zu Details des künftigen Post-Angebots in Schriesheim.

Wolfgang Kluß wird demnach sein Schreibwarengeschäft samt Postagentur in der Schönauer Straße 2 am 16. Juli eröffnen. Diese sei etwa 120 Meter von der heutigen Filiale in der Talstraße entfernt. Laut Kooperationsvertrag wird Kluß auch Postbank-Dienstleistungen anbieten. Die Post erklärte, dass die Kunden an zwei "Bedientheken" alle Produkte und Leistungen erhalten würden, die sie aus der von der Post selbst betriebenen Filiale in der Hübsch’schen Mühle kennen.

Darüber hinaus seien aber Kluß’ Öffnungszeiten länger, und zwar täglich um eine halbe Stunde. Die Deutsche Post AG unterstreicht in ihrem Schreiben, dass es auch am neuen Standort eine Postfach-Anlage geben werde. Zudem könnten in der neuen Partneragentur lagernde Brief- und Paketsendungen abgeholt werden. Kluß und seine Beschäftigten, für die das Post- und Bankgeheimnis ebenfalls gelte, würden von der Post zunächst theoretisch zu neuen "Postlern" ausgebildet und dann in den ersten Wochen des Geschäftsbetriebs von einem "erfahrenen ’Coach’" vor Ort betreut. Zudem betont das Unternehmen, dass die beliebten Beschäftigten aus der Postfiliale ihre Kunden in der Hübsch’schen Mühle bis zum Tag vor der Eröffnung von Kluß’ Schreibwarenladen bedienen würden. Der Übergang soll also nahtlos sein.

Die "Postler" aus der Talstraße würden nicht arbeitslos, sondern auf anderen Arbeitsplätzen eingesetzt. "Das Unternehmen spricht darüber durchaus mit uns. Da wird nach Lösungen gesucht, zum Beispiel im Briefzentrum Mannheim", sagte Schriesheims Filialleiter Stefan Schmitt gestern.

Kurz nach halb drei am Nachmittag war es da. Die Post hatte nach der Mittagspause gerade wieder aufgemacht, und schon hatten Schmitt und seine beiden Mitarbeiter an jedem Serviceschalter gut zu tun. Von Osterferien keine Spur: "Die Kunden fragen immer wieder besorgt, wie es mit uns und der Filiale weitergeht. Die Anteilnahme ist riesengroß, und das freut uns natürlich. Aber ansonsten ist es einfach schade. Wir hatten hier eine so schöne Post", sagte Schmitt, der seit insgesamt 23 Jahren dabei ist.

Dass die Kunden beim Kaffee über die Zukunft der Post angeregt sprechen, erlebt auch Petra Fischer, die nebenan in der Filiale der Bäckerei Heiß arbeitet: "Da überwiegt das Unverständnis", sagte sie. Fischer schätzte, dass es in der Schönauer Straße ein Parkplatzproblem für die Postagentur geben wird: "Wir haben hier schon immer vom Festplatz profitiert." Sie wollte nicht vorschnell davon ausgehen, dass sich die Schließung der Post nebenan negativ aufs Geschäft auswirken wird: "Da warten wir mal ab."

Einen Qualitätsverlust im Service befürchtete eine Post-Kundin aus der Danziger Straße. Die Umwandlung der Filiale in eine privat betriebene Postagentur hielt sie nicht für sinnvoll. Jamila Scherer aus Schriesheim, Mitarbeiterin im Beautycenter "Contourline" in der Hübsch’schen Mühle, bedauerte, dass ab Juli die Post als Kundenmagnet wegfalle: "Viele Kunden haben ihre Gänge zur Post, zum Bäcker und zur Sparkasse mit einem Besuch bei uns verbunden."

Eine Post-Kundin aus Dossenheim ergab sich in das Unvermeidbare: "Was soll man ändern? Man braucht eine Post in Schriesheim. Daher ist die neue Lösung besser als gar nichts. Außerdem bleibt die Lage ja sehr zentral." Claudia Helbig, Mitarbeiterin der Buchhandlung "CoLibri", sagte: "Wir haben uns spaßeshalber auch mal gefragt, wie wir das hier bei uns im Laden machen würden. Wir könnten das vom Aufwand her gar nicht. Wir hätten auch nicht den Stauraum für Pakete." Außerdem sei es auch eine Frage des Knowhows: "Die jetzigen Post-Angestellten wissen Bescheid, kennen sich aus und können individuelle Fragen beantworten. Ich glaube, es ist schwer, die Post einfach so nebenbei zu machen." Helbig kann die absehbare Schließung der Post-Filiale sowieso nicht verstehen. Sie sagte: "Die Post ist etabliert, gut zugänglich und hat die Parkplätze auf dem Festplatz." Es sei doch eigentlich alles da. "Leider kann man hier wieder einmal die unrühmlichen Folgen einer nicht ausgereiften Liberalisierungspolitik der EU beobachten, zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger", meldete sich der grüne Landtagsabgeordnete Uli Sckerl zu Wort. Die Bundes- und Landtagsabgeordneten waren von der Post über die jüngsten Entwicklungen ebenfalls informiert worden: "Das Verhalten der Post spottet jeder Beschreibung", meinte Sckerl. Aber nach seiner Erfahrung ziehe die Post ihren Beschluss, das Filialnetz dramatisch auszudünnen, "bis zum bitteren Ende durch": "Ein ehemaliger Versorgungsauftrag spielt in den stets an Börseninteressen ausgerichteten Überlegungen keine Rolle mehr."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung