Schriesheim im Bild 2023

21.08.2009

Bildung vermitteln, Perspektiven geben

Von Silvia Rothenburger.

Schriesheim-Altenbach. Als Karl-Heinz Frieß mit Frau Loni aus Altenbach vor fünf Jahren eine Studienreise nach Israel gebucht hatte, dachten beide eher an biblische Stätten und die Geschichte des Landes. Auf dieser Reise lernten sie Günter und Doris Schroth aus Wiesloch kennen. Diakon Schroth hatte als Leiter der Evangelischen Erwachsenenbildung in Wiesloch die Reise organisiert. Auf dieser Reise kam es zu direkten Kontakten mit der Bevölkerung und einer christlichen Schule in Beit Sahour bei Bethlehem in Palästina sowie mit Salameh Bishara, dem Leiter der dortigen Lutherischen Schule, mit der Günter Schroth bereits seit 1996 in Verbindung steht.

In der Nähe Bethlehems leben 80 Prozent Christen, doch die Schule steht nicht nur ihnen, sondern auch Muslimen und Juden offen. Alle drei Religionen werden hier unterrichtet – um des Friedens willen. Von Frieden gibt es in dieser Region allerdings keine Spur, der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern beherrscht das Alltagsleben, das von Armut und Angst in der Bevölkerung geprägt ist. Für die Ehepaare Frieß und Schroth war der Kontakt mit den Menschen dort richtungsweisend. So erzählten sie sehr engagiert in einem Gespräch mit der RNZ, wie es vor sechs Jahren zur Gründung des Vereins "Bildung und Begegnung Palästina" kam. Dieser hat seinen Sitz in Wiesloch. Vorsitzender ist Günter Schroth.

Karl-Heinz Frieß ließen die Eindrücke dieser Reise nicht los, er nahm sich vor, "nicht nur für Gerechtigkeit in der Welt und in Palästina zu beten, sondern auch etwas direkt dazu beizutragen". Für beide Ehepaare war klar: Wir müssen etwas tun, um den Kindern dort Bildung zu gewährleisten. Diese sei ein hohes Gut und lebensnotwendig, waren sie sich einig. Inzwischen ist ein Zusammenleben zwischen Palästinensern und Juden nicht mehr möglich, und dafür sorgte nicht nur die Staatsdoktrin mit dem Mauerbau.

Für die Christen in Bethlehem wird es immer schwieriger, ihre Kinder auf die Schule zu schicken, denn die wenigsten Eltern können das Schulgeld aufbringen. Die Schule in Beit Sahour, um die sich der Verein intensiv kümmert, wird von der Lutherischen Kirche zwar unterstützt. Diese kommt aber nicht für alle Kosten auf. Der Rest muss über Schulgeld und Sponsoren-Programme gedeckt werden.

Schroth fasst die Zielsetzung des Vereins zusammen: Die Not der palästinensischen Bevölkerung in Palästina zu lindern, über soziale und politische Zusammenhänge in dieser Region zu informieren und damit einen Beitrag zum Frieden im Nahen Osten zu leisten. Dieses Ziel will der Verein durch die Unterstützung der Schule und die Hilfe für die Schüler sowie ihre Familien verwirklichen. Dazu werden Besuche in Palästina und Israel organisiert und, wo dies möglich ist, weitere palästinensische Bildungs- und Begegnungsprojekte finanziell unterstützt.

Die Familien in Palästina stellen in Hand- und Heimarbeit wunderschöne Artikel aus Olivenholz her. Jedes Jahr zu Weihnachten erhält der Verein große Pakete, darin sind liebevoll geschnitzte Krippenfiguren, die heilige Familie, Baumanhänger, Tiere, Haushaltsartikel und vieles mehr. Die Mitglieder von "Bildung und Begegnung Palästina" verkaufen die Waren dann auf den Weihnachtsmärkten der Region, um den Familien in Beit Sahour zu helfen. Karl-Heinz Frieß tut das seit drei Jahren in Altenbach.

In Diakon Reinhard Losch fand er einen Mitstreiter. Er war damit einverstanden, dass Frieß beim Weihnachtsbasar der Evangelischen Kirchengemeinde Altenbach einen Stand im Gemeindezentrum aufbauen konnte und der Erlös komplett dem Verein zugute kommt. "Solche Stände sind auf unserem Basar die Ausnahme", betonte Losch aber. "Nur der Talhof in Schriesheim verkauft bei uns noch seine Waren, bedingt durch das enge Zusammenarbeiten mit der Evangelischen Kirchengemeinde Altenbach."

Palästina ist eine Region, die wie kaum eine andere über Jahrtausende eine leidvolle und wechselhafte Geschichte erlebt hat. Das Land, das allen drei großen Weltreligionen heilig ist, kommt nicht zur Ruhe. Israelis und Palästinenser, Juden, Muslime und Christen erheben Anspruch auf den Zugang zum Land und seinen Ressourcen. "Wenn man die Mauer nicht sehen will, dann sieht man sie auch nicht", so ein Slogan, "dafür tun die Israelis alles, wenn es um den Tourismus geht". Frieß und Schroth haben die Mauer gesehen und den Kontakt zur Bevölkerung hergestellt.

Was muss geschehen, damit Menschen unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Kultur in diesem Land friedlich miteinander leben können? Das ist die Kernfrage für den Wieslocher Verein. "Verständnis ist nötig, Wissen über den anderen, die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen", und damit ein Stück auf dem Weg zum Frieden weiterzukommen.

Wie der Vereinsname aussagt, unterstützen seine Mitglieder genau diesen "Prozess des Aufeinanderzugehens, des Miteinanderlebens in der Krisenregion Palästina. Dabei sind uns die Christen, die in den palästinensischen Gebieten leben, besonders wichtig", erzählen die Vier in der Gesprächsrunde. Vorrangiges Ziel sei es, die Not der palästinensischen Bevölkerung in Palästina zu lindern, über soziale und politische Zusammenhänge in dieser Region zu informieren und damit einen wenn auch kleinen Beitrag zum Frieden im Nahen Osten zu leisten, Bildung zu vermitteln und Perspektiven aufzuzeigen.

Ende 2007 hatte der Verein bereits 65 Mitglieder. Inzwischen werden 30 Patenkinder von 38 Paten betreut. Spenden kommen hinzu. Mit dem Geld werden zehn bedürftige Familien unterstützt. Diese Schülerpatenschaften sind sehr wichtig, betonen Frieß und Schroth. Mit den 350 Euro pro Jahr wird das Schulgeld für einen Schüler oder eine Schülerin in Beit Sahour für das Schuljahr übernommen.

Seit 2006 läuft auch ein Schüleraustauschprogramm innerhalb des Vereins, und es werden weiterhin Studienreisen angeboten. Schüleraustauschprogramme gibt es übrigens schon seit 1998, damals noch im Rahmen der evangelischen Erwachsenen-Bildung. Terror, Gewalt und Gegengewalt und vor allen der "Mauerbau" schaffen inzwischen schier ausweglose Situationen für die Bevölkerung auf beiden Seiten des Zauns.

Nur zwei Beispiele aus dem schwierigen Alltag: Will ein Palästinenser in den von Israel besetzten Gebieten auf seinen Acker fahren, um ihn zu bestellen, muss er mehrere Checkpoints der Israelis passieren, erzählen Frieß und Schroth, und oft jede Art von Schikanen erdulden, bis er an sein Ziel gelangt. Auch Wasserration ist nicht gleich Wasserration: Ein Jude erhält 300 Liter pro Tag, ein Palästinenser nur 30 Liter. Das Wasser ist ein wertvolles Gut.

Jedes Jahr kommen Austauschschüler nach Deutschland, auch in Altenbach waren Schülerinnen zu Gast. Für die Mädchen war es ein besonderes Erlebnis, dass hier aus der Dusche ständig Wasser läuft: "Am liebsten hätte sie stundenlang geduscht", erzählt das Ehepaar Frieß, "es gibt unzählige Beispiele, warum wir dort helfen müssen."

Info: Wer helfen will, kann bei einem Jahresbeitrag von nur 15 Euro im Verein "Bildung und Begegnung Palästina e.V." Mitglied werden. Infos unter der Telefonnummer 0 62 22 / 5 02 14 oder in Altenbach bei Karl-Heinz Frieß. Telefon 0 62 20 / 82 69. E-Mail an: info@bubp.de. Weitere Infos im Internet unter www.bubp.de.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung