Schriesheim im Bild 2023

28.10.2009

Verwertbares nahmen die Römer mit

Von Carsten Blaue.

Schriesheim. Inzwischen sind die Fundamente weit aus dem lehmigen Untergrund herausgegraben und auch vom Autobahnzubringer aus deutlich zu erkennen. Das Archäologenteam der Reiss-Engelhorn-Museen um den Leiter der Abteilung Archäologische Denkmalpflege und Sammlungen, Dr. Klaus Wirth, hat gemeinsam mit seinen freiwilligen Helfern ganze Arbeit geleistet. Sie alle sind ehrenamtlich im Auftrag des Regierungspräsidiums am westlichen Eck der Baustelle des Branichtunnels tätig. Hier fanden sie kürzlich, wie berichtet, Steinfundamente eines weiteren Gebäudes der "villa schanz", des römischen Gutshofs. Dieser war bereits bei Grabungen in den Jahren 1766 und 1970/71 gesichert worden. Inzwischen gibt es neue Erkenntnisse zu den aktuellen Funden. Anfang vergangener Woche schätzte Wirth, die Fundamente eines kellerartigen Raums vor sich zu haben, vielleicht die Reste eines Getreidespeichers. Je tiefer die Archäologen aber gruben, desto größer wurde die Distanz zu den ersten Einschätzungen.

Inzwischen haben sie gut einen halben Meter Mauerwerk des bis zu neun Meter langen und viereinhalb Meter breiten Gebäudes freigelegt. "Der Keller ist keiner", weiß Wirth jetzt. Denn innen verputztes Mauerwerk mit bemaltem Mörtelputz kam zu Tage. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass es sich um ein repräsentatives, einstöckiges Gebäude gehandelt haben muss.

Zusätzliches Indiz dafür ist die Nähe zum zentralen Hauptgebäude dieser "villa rustica"; dazu Wirth: "Die Nähe unseres Gebäudes zum Haupthaus muss als bedeutend hinsichtlich seiner Nutzung gewertet werden." Den Experten fiel auf, dass der Fußboden nicht mehr erhalten war. Auch fanden sich kaum Dachziegel oder Holzreste, die im Lehmboden gut hätten überdauern können. Zudem gibt es keine Brandspuren, die auf ein Feuer hindeuten könnten. Daraus schließt Wirth: "Offensichtlich wurde die ’villa’ planmäßig niedergelegt, verwertbares Material entnommen und abtransportiert. Nicht Verwertbares wurde an Ort und Stelle gelassen."

In der Sand- und Mörtelschicht unter dem ehemaligen Fußboden fand sich jedoch auch eine gut erhaltene Silbermünze (siehe RNZ vom 21. Oktober). Dabei handelt es sich um einen Silberdenar des Septimius Severus (193-211). "Die Münze dürfte vom Ende des zweiten Jahrhunderts stammen und die Nutzungszeit des Gebäudes markieren", so Wirth, der davon ausgeht, dass die "villa" im dritten Jahrhundert aufgelöst wurde.

Aber warum? Renate Ludwig nennt im Schriesheimer Jahrbuch des Jahres 1998 in ihrem Beitrag "Landwirtschaft der Römerzeit an der Bergstraße" mehrere mögliche Gründe. Die Gutsherren könnten vor den Alamannen-Verbänden geflohen sein, die nach 233 oft über den Limes kamen und gut 20 Jahre später ganz überwanden. Auch wirtschaftliche Gründe wie Geldentwertung und Steuerdruck scheinen Ludwig plausibel für die Aufgabe der "villae rusticae" längs der Bergstraße. Umweltprobleme wie Raubbau am Wald oder die Entkräftung des Ackerbodens durch den intensiven Getreidebau ohne Düngung nennt sie als weitere denkbare Erklärungen. Sicherheit gibt es nicht.

Wirth geht jedenfalls davon aus, dass "es nach der Aufgabe der ’villa’ zu zahlreichen Überschwemmungen in diesem gebiet gekommen sein muss." Denn die Fläche des Gutshofs quere im Norden von Nordwesten nach Südosten ein etwa neun Meter breiter und rund zwei Meter tiefer Wasserlauf, der seine Sedimente in den Flächen hinterlassen habe, so der Grabungsleiter. Man darf gespannt sein, welche Geheimnisse Wirth und sein Team dem Boden der Baustelle für die Branichtunnelzufahrt noch entlocken.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung