Schriesheim im Bild 2023

02.11.2009

Tiere helfen beim Weg zurück in den Alltag

Tiere helfen beim Weg zurück in den Alltag

Das markante Gebäude dominiert den Eingangsbereich des "Mühlenhofs". Nur die Giebelfassade der Fabrik Högg blieb stehen. Der virtuelle Blick aus dem hohen Dachstuhl in den Schankraum der Wirtschaft des "Mühlenhofs". Entwurf: SSV Architekten, Foto/Repro: Dorn

Von Carsten Blaue.

Schriesheim. Zimmerergeselle Stefan Braun von der Firma Sand in Kirrlach hatte seinen Richtspruch aufgesagt, das Weizen in einem Zuge geleert und dann das Glas vom Gerüst herunter in den harten Sand geworfen. "Das hat schon mal geklappt, und Scherben bringen Glück. Das brauchen wir auch für dieses Projekt", sagte Dr. Wolfgang Wagner, beim Richtfest für den "Mühlenhof" an der Talstraße. Wagner ist Vorstand der evangelischen Stadtmission Heidelberg, deren Wiedereingliederungshilfe auf dem Gelände der ehemaligen Kerzenfabrik Högg ein außergewöhnliches Integrationsprojekt verwirklicht. Die Wohnsitzlosen sollen über die Arbeit mit Tieren und in der Natur wieder an einen geregelten Tagesablauf gewöhnt werden. Die Idee dafür hatte MLP-Mitbegründer Manfred Lautenschläger.

Seine Stiftung kaufte das rund zwei Hektar große Areal und finanziert auch den gesamten Umbau. Das Investitionsvolumen liegt insgesamt bei etwa 2,4 Millionen Euro. Im nächsten Juni soll alles fertig sein. Er hoffe, dass mit dem "Mühlenhof" vielen der Betroffenen geholfen werden könne, sagte Lautenschläger gestern im Beisein seiner Gattin Angelika. Für sie gab es Blumen, für ihren Mann ein Weizenglas mit der Gravur seines Namens. "Das verwahren wir in der Gastwirtschaft", grinste Christian Dietrich.

Der scheidende Geschäftsführer der Stadtmission spielte an auf Lautenschlägers Scherz bei der Vorstellung des Projekts im Juli 2008. Seinerzeit sagte der Mäzen, er als leidenschaftlicher Radfahrer rechne damit, in der Wirtschaft des "Mühlenhofs" immer ein Weizen zu bekommen. Dafür muss die Stadtmission aber erstmal jemanden finden, der die Gaststätte hier draußen betreibt.

Das Raumkonzept dafür ist ehrgeizig. Schon der Rohbau wirkt imposant. 60 Plätze draußen und 60 drinnen sind geplant, und das in einer Architektur, die wirkt wie ein Sakralbau. Aus dem hohen Gewölbe des Dachstuhls werden filigrane Leuchter von enormem Durchmesser hängen. Die langen Fenster der historischen Giebelfassade, die einzig von der alten Bausubstanz übrig geblieben ist, lassen viel Licht in den Raum, in dem auch ein großer Kamin für Wärme sorgen soll.

In diesem zentralen Gebäude des Geländes sind zudem Seminar- und Sozialräume geplant. Auch ein Reitplatz mit einem modernen Stall wird gebaut. Ein Backhaus, ein Streichelzoo, Gärten, Weiden und ein "Naturpfad" mit "Erlebnisstationen" gehören ebenfalls zum Konzept. Auch eine Bienenzucht, die Renaturierung des Kanzelbachs und ein Forellenteich wurden mal angedacht. Sicher ist, dass im angrenzenden Wohnhaus künftig der Leiter des Wichernheims und des "Mühlenhofs", GL-Stadtrat Heinz Waegner, mit seiner Familie leben wird. Außerdem gibt es in diesem Trakt Aufenthaltsräume für die Klienten der Wiedereingliederungshilfe, die hier draußen arbeiten. Bis zu 15 sollen es mal sein.

Einige von ihnen sind schon jetzt im "Mühlenhof" tätig, und zwar in der Landschaftspflege und auf der Baustelle selbst, wo sie den Profis zur Hand gehen: "Das ist identitätsstiftend", sagte Dietrich. Auch ein Hochbeet mit Gemüse, Salaten und anderen Nutzpflanzen wurde bereits angelegt. Am Eingang zum "Mühlenhof" verfolgte gestern zudem die Schafherde interessiert das Geschehen.

Die Tiere dürften für Kindergarten- und Schulkinder besonders reizvoll sein. Ihnen will sich der "Mühlenhof" ebenso öffnen wie der übrigen Bevölkerung, die hier Natur pur und schöne Herbsttage erleben kann, auf die Bürgermeister Hansjörg Höfer in seinem Grußwort verwies. Er wünschte dem Bau weiterhin unfallfreies Gelingen. Auch dafür erbat Pfarrer Matthias Schärr, Geschäftsführer der Trägergesellschaft der Stadtmission, den Segen des Herrn.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung