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07.11.2009

Madonnenbergverein steht am Ende einer Ära

Von Carsten Blaue.

Schriesheim. Wenn sich der Schriesheimer Madonnenbergverein heute Abend zu seinem Weinkonvent trifft, dann ist damit auch der Anfang vom Ende einer Ära verbunden. Der Vereinsgründer, Ehrenvorsitzende und kommissarische Vorsitzende Peter Riehl wird die Gäste letztmals vor seinem selbstbestimmten Rückzug von der Vereinsspitze im Zehntkeller begrüßen. Bürgermeister Hansjörg Höfer soll sein Nachfolger werden. Und auch der Vorsitzende des Kuratoriums, Jürgen Schütz, wird in seiner Funktion die letzte Urkunde für den zu kürenden Ehrenpaten verlesen. Seine Position im Verein ist gebunden an das Wahlamt des Landrats des Rhein-Neckar-Kreises, und Schütz’ Amtszeit endet bekanntlich am 30. April 2010. Sein Nachfolger wird am 9. Februar vom Kreistag gewählt.

Kam Günther Oettinger schon im Jahr 2006 nach Schriesheim, um beim Abschied von Peter Riehl aus dem Amt des Bürgermeisters dabei zu sein, so kommt er heute wieder, der scheidende Ministerpräsident und designierte EU-Kommissar. Wie sein Vorgänger Erwin Teufel wird auch er Ehrenpate des Madonnenbergvereins – anders als Teufel jedoch noch in Amt und Würden. Insofern ist es für Riehl und Schütz ein krönender Abschluss nach 20 Jahren. Zwei Jahrzehnte, die darüber hinaus auch mit vielen anderen Namen verbunden sind wie den beiden Unvergessenen Claus Kretz und Heinrich Rufer. Kretz war viele Jahre Vorsitzender, Rufer pflegte die 40 Ar Reben mit Hingabe, und das gemeinsam mit Ludwig und Heinz Mildenberger, Werner Neureither und Peter Hölzel. Seit einigen Jahren unterstützt auch Werner Volk die Bewirtschaftung des Kleinods über den Weinbergen im Nordosten der Stadt.

Der Madonnenberg schmiegt sich sanft an die Ausläufer von Zins und Hundsrück an. Hier wacht über die Stadt und die Riesling-Reben des Vereins die aus Sandstein gehauene Madonnenskulptur. Doch der Madonnenberg ist mehr als nur der Wein. Artenreich sind Flora und Fauna der 1,6 Hektar großen Naturschutzfläche. Über Jahrhunderte wurde hier die heutige Gestalt der Natur von Menschenhand geprägt. Vor der Kultivierung waren die Hanglagen und die Aue der Vohbach bewaldet. Erstmals werden Weinberge für das Jahr 1250 im gleichnamigen Gewann nachgewiesen. Im Jahr 1832 war es der Graf von Oberndorff aus Neckarhausen, der den Madonnenberg kaufte, rodete und Terrassen anlegte. Der dürftige Rebwuchs wich dem Obstbau. Von der Zeit exotischer Baumpflanzungen unter neuem Eigentümer zeugt noch heute der Mammutbaum am Fuße des Madonnenbergs, den 1959 Wilhelm Grüber kaufte. Sein Schwiegersohn, Jens Bartsch, erbte das Grundstück. Bis in die 1980er Jahre wurde es unterschiedlich genutzt, sogar als Weide. Die Pflege der Reben gestaltete sich aber schwierig.

Im Jahr 1988 war es schließlich das Land, das das Areal kaufte und an die Stadt verpachtete. Weinbau nach alter Väter Sitte war das Ziel, "und wir wollten auch nach außen hin demonstrieren, dass uns der Madonnenberg wichtig ist", sagt Riehl heute, der damals im Jahr 1989 als Bürgermeister erst die Gründung des Vereins "Historischer Weinbau Madonnenberg" vorantrieb und dann die Überarbeitung des Geländes nach einem Pflege- und Entwicklungsplan. Das "Historisch" führt der Verein heute nicht mehr. Doch noch immer zieht es viele Bürger in die idyllische Ruhe im Schutze der Madonna. Und noch jedes Jahr wird der Madonnenberg-Riesling für Wein und Sekt durch die Vereinsmitglieder gelesen. Auch Günther Oettinger wird die guten Tropfen heute Abend kosten dürfen.

Der Ministerpräsident mit dem Ticket nach Brüssel wird sich als Ehrenpate einreihen in den Zirkel seiner namhaften Vorgänger. Doch in seiner Bedeutung für Schriesheim wird Oettinger stets eine besondere Stellung haben. Schon als CDU-Fraktionschef war er in der Stadt – vor sieben Jahren bei einer Veranstaltung in der Kuhbergstube, vor fünf Jahren im Rathaus zu Gesprächen mit Bürgermeistern aus der Region. Im Jahr 2006 besuchte er die Stadt gleich zwei Mal – nicht nur Riehls Abschied stand seinerzeit in Oettingers Terminkalender, sondern auch die BDS-Mittelstandskundgebung, auf der er sprach.

Und dann kam der Januar vergangenen Jahres: Der Bau des Branichtunnels wurde als Teil des von der Landesregierung initiierten Sonderprogramms "Straßenbau" Wirklichkeit, was zuerst der hiesige Landtagsabgeordnete und Staatssekretär Georg Wacker von Oettinger erfuhr. Nun wird der Ministerpräsident auch noch Ehrenpate des Madonnenbergvereins. Mehr Schriesheim geht kaum.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung