Schriesheim im Bild 2023

23.05.2013

Schriesheim: Geburt im Garten

Schriesheim: Geburt im Garten

Das Lämmchen kam am Dienstag zur Welt und teilt seinen Geburtstag mit Bürgermeister Hansjörg Höfer. Foto: sk
Schriesheim. (sk) Hausgeburten sind heutzutage selten. So gut wie nie bringt jemand sein Baby allerdings im Garten zur Welt. Sissi tat das am Dienstag, und das war für alle "Geburtshelfer" doch eine Überraschung. Selbst noch fast ein Kind, ist die junge Mutter am meisten überrascht, als bei ihr plötzlich die Wehen einsetzen. "Wir greifen erst ein, wenn sich nach einer halben Stunde noch nichts tut", sagt der eilig angerufene Tierarzt mit größter Gelassenheit. Da Sissi ein Schaf ist, kann sie das nicht verstehen und blökt verwirrt.

Nicht viele Schriesheimer haben heute noch Großtiere in ihren Gärten stehen, Geräusche wie Muhen, Wiehern oder Blöken sind aus den Wohngebieten verschwunden. Was auch daran liegt, dass viele Parzellen wegen der zunehmenden Verdichtung sehr klein sind. Wo aber noch genügend Platz ist, kann man "Mietschafe" weiden lassen: eine umweltfreundliche Art, seinen Garten zu pflegen und nebenbei zu düngen. Schäfer Jean-Francois Fouillart aus Heiligkreuzsteinach ist Sissis Halter, er vermittelt seine insgesamt 62 Tiere an "Gastgeber", wo sie in umzäunten Bereichen grasen können.

Sissi ist ein Shropshire-Schaf. Die englische Rasse wird vor allem in Weihnachtsbaumkulturen zum Abweiden des Grases eingesetzt, weil die Tiere weder Obstbaum- noch Nadelbaumrinden verbeißen. Sie sind gutmütig, mittelgroß, die Weibchen sind zwischen 90 und 120 Kilo schwer und, worauf viele Züchter hinweisen, äußerst fruchtbar.

Wie auch Sissi, die selbst noch kein Jahr alt ist, aber am Tag vor der Niederkunft verdächtig trächtig wirkt, auch wenn sie nicht dicker ist als ihre Artgenossinnen, die schon kräftige Lämmer haben. "Ich hatte gehofft, dass wir es für dieses Jahr hinter uns haben", seufzt Fouillart und denkt an die 23 Geburten, von denen nur fünf ohne Hilfe klappten. Sissi hat mehr Glück. Am Vormittag zeigt sich ein erster schwarzer Huf, worauf sie gequält schreit und eine bequemere Lage sucht. Noch während ihre Gastgeber hektisch telefonieren und die Kinder und deren Freunde aus dem Staunen nicht mehr heraus kommen, guckt schon das Köpfchen heraus, und eine Minute später liegt ein nasses, mit bräunlichem Fruchtwasser verklebtes Lamm im Gras.

Leider zeigt Sissi keine Muttergefühle und wendet sich ab von ihrem zitternden Jungen. Fouillart ist bald zur Stelle und versucht, das Baby an die Mutter heran zu führen: "Es braucht die Bissmilch", erklärt er. Die erste Milch versorgt das Lamm mit lebenswichtigen Abwehrstoffen, ohne sie würde es innerhalb weniger Stunden sterben. Widerstrebend lässt Sissi das kleine Böckchen trinken, doch erst am Abend duldet sie es an ihrem Euter: ein Happy End für die ungewöhnliche "Hausgeburt". Und ein neuer Schriesheimer Erdenbürger, der nur zufällig am selben Tag Geburtstag hat wie Bürgermeister Hansjörg Höfer.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung