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13.06.2013

Wasserprivatisierung: "Der Preis würde explodieren, die Qualität sinken"

Wasserprivatisierung: "Der Preis würde explodieren, die Qualität sinken"

Das Wasser muss in kommunaler Hand bleiben, sagen (v. l.) Wolfgang Fremgen und Christian Wolf (beide Grüne) sowie Marco Ginal und Rainer Dellbrügge (beide SPD). Foto: Dorn

Von Carsten Blaue

Schriesheim. Geht es nach SPD und Grüner Liste (GL), dann verabschiedet der Gemeinderat in seiner nächsten Sitzung am Mittwoch, 19. Juni, eine Resolution, in der sich das Gremium gegen eine Privatisierung der kommunalen Wasserversorgung ausspricht. Den Antrag dazu stellten beide Fraktionen im Mai gemeinsam. Der Weinheimer Gemeinderat hat einen Beschluss gegen die Öffnung des Wassermarktes bereits gefasst. Der Hintergrund: Im Rahmen der Revision des Vergaberechts, die im Jahr 2014 in Kraft treten soll, hat die EU-Kommission eine europaweite Regelung für Dienstleistungskonzessionen vorgeschlagen. Danach müssten Kommunen ihre Wasserversorgung EU-weit ausschreiben. Dagegen wenden sich nun Grüne und SPD auch in Schriesheim.

Für Christian Wolf, Gisela Reinhard und Wolfgang Fremgen (alle GL) und ihre SPD-Ratskollegen Rainer Dellbrügge und Marco Ginal wären die Folgen klar: Der Wasserpreis würde langfristig explodieren, die Wasserqualität dagegen sinken. Die Kommunen würden die Kontrolle über ihre Wasserversorgung aufgeben, und Investitionen in ein stabiles Leitungsnetz seien auch nicht mehr ohne Weiteres garantiert.

Wolf nannte London als abschreckendes Beispiel. In der Stadt an der Themse sei der Wasserdruck in weniger gut betuchten Vierteln niedrig, in Quartieren der Wohlhabenden jedoch bestens. Zudem müsse das Wasser stark gechlort werden. Letztlich gehe es bei der Privatisierung nicht mehr um das Wohl der Bürger, sondern nur noch um Profit, ergänzte Ginal und sah bei der EU starke Lobbyisten am Werk.

Fremgen sagte, die Wasserversorgung könne in einer Stadt auch mit der neuen Konzessionsrichtlinie durchaus in kommunaler Hand bleiben. Dafür gibt es aber Bedingungen. So darf an Stadtwerken kein privates Unternehmen beteiligt sein. Zudem muss der kommunale Versorger mindestens 80 Prozent des Umsatzes aus Arbeiten für die eigene Kommune erbringen. Der Wasserbereich kann diese Quote aber nicht alleine erreichen. Auch öffentliche Versorger mit mehreren Unternehmenssparten hätten daher keine Chance, ihrer Gemeinde dabei zu helfen, die neue Vergaberichtlinie zu umgehen - wie im Falle der Weinheimer Stadtwerke. Man müsste solche kommunalen Unternehmen also organisatorisch in ihre Geschäftsbereiche gliedern. So entstünde aber ein weiterer Nachteil gegenüber privaten Anbietern. "Denen geht es nur ums Geldverdienen", sagte Fremgen. "Die Richtlinie schafft erschwerte Bedingungen für Stadtwerke und Zweckverbände." Über den Wasserzweckverband Eichelberg, dem auch Weinheim angehört, wäre Schriesheim unmittelbar von der Privatisierung des Wassermarktes betroffen. Die Stadt bezieht über den Zweckverband Wasser für Ursenbach und Altenbach. Träger der Wasserversorgungspflicht für die Kernstadt ist die Stadt Schriesheim selbst.

"Wir müssen da jetzt reagieren", unterstrich auch Dellbrügge, und Reinhard sah im Widerstand auf kommunaler Ebene ein wichtiges Signal: "Es ist schließlich auch vor Ort unsere Aufgabe, die Bürger zu informieren und die Konzerne in die Schranken zu weisen." Das Gemeinderatsquintett nannte die Trinkwasserversorgung einen Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Ein Menschenrecht sogar, wie es auch die europäische Bürgerinitiative "Right 2 Water" formuliert. Diese hat bislang 1,5 Millionen Unterschriften gegen die Wasserprivatisierung gesammelt. Genug für ein Quorum, sodass sich die EU-Kommission jetzt mit der Initiative befassen muss.

Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund, der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Gewerkschaften wenden sich gegen die Pläne der EU, die im Bundestag ebenfalls auf breite Ablehnung stoßen. Warum auch etwas ändern? Laut Meinungsforschungsinstitut forsa sind 95 Prozent der Bundesbürger mit der Organisation und den Strukturen in der Wasserversorgung "zufrieden" oder "sehr zufrieden".

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung