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26.06.2013

"Stolpersteine" in Schriesheim verlegt

"Stolpersteine" in Schriesheim verlegt

Der Kölner Künstler und Stolperstein-Initiator Gunter Demnig versenkte die Gedenksteine auch im Pflaster der Schulgasse 3. Fotos: Dorn

Schriesheim. (sk) "Die weißen Masken repräsentieren die Opfer, die noch kein Gesicht haben", erklärten die Elftklässler. Die Schüler des Kurpfalz-Gymnasiums (KGS) trugen Masken als Sinnbild der ungeklärten Schicksale von Menschen, die wie Margarethe und Wilhelm Hauser in der Nazizeit Opfer des Euthanasie-Programms wurden. Gestern wurden für Mutter und Sohn vor ihrem ehemaligen Wohnhaus in der Entengasse 11 vom Kölner Künstler Gunter Demnig Stolpersteine verlegt, und die Schüler zeigten sich ergriffen vom Schicksal der beiden Schriesheimer. Sie verlasen einen Augenzeugenbericht vom Bustransport behinderter Kinder zu ihrer Ermordung in Grafeneck: "Eigentlich jeder wusste, dass es Totenbusse sind."

Das Schicksal der zwangsweise sterilisierten Margarethe Hauser ging den Jugendlichen aus dem Kurs von Alexander Fleck besonders nahe. Ein Mädchen sagte: "Das ist für uns einfach unvorstellbar." Es sei ein Teil der Geschichte, "dem wir uns stellen müssen", betonte zuvor Bürgermeister Hansjörg Höfer.

Zum zweiten Mal würden in Schriesheim Stolpersteine verlegt, dankte er den Mitgliedern der Initiative Stolpersteine, den Stein-Paten sowie den Kirchengemeinden. Zum Erinnern gehöre die Erkenntnis, zu was Menschen fähig seien. Die nachfolgenden Generationen hätten keine Schuld an dem Geschehen: "Aber sie haben die Aufgabe, die Erinnerung daran wach zu halten." Zwei andere Gymnasiastinnen, Leonie Mühlbauer und Clara Behringer, trugen auf ihren Klarinetten Duette vor, während Demnig vor dem Haus Schulgasse 3 weitere fünf Steine in den Boden versenkte und festklopfte. In kurzen Worten schildern sie das Schicksal von Else und Inge Weinberg, ihren Eltern Bella und Hermann Weinberg sowie der Großmutter Bertha Oppenheimer. "Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist", zitierte Demnig einen Rabbiner und drückte seine Freude über das große Interesse der Bevölkerung an den Stolpersteinen aus: Mehr als 40 Schriesheimer waren der Einladung der Stadt gefolgt, an der Feierstunde zur Steinverlegung teilzunehmen. Auch die Arbeit der Schüler mache ihm Freude, bemerkte der Künstler weiter und meinte die Vorträge zweier Klassen der Kurpfalz-Realschule, die die Schicksale der Familie Weinberg recherchierten.

Die Religions-Klassen der 7 a und c von Franziska Mersi versetzten ihre Zuhörer zurück in die Dreißigerjahre und schilderten auf sehr lebendige Weise den Alltag der Weinbergs, die in Schriesheim einen Mehl- und Futtermittelhandel betrieben. Zunächst angesehene Bürger und aktive Mitglieder der jüdischen Gemeinde, wurde ihr Leben ab 1933 zusehends unerträglich durch Schikanen und Bespitzelung. 1938 floh die Familie, der Verlust ihrer Heimat zerstörte viele Träume und Lebenspläne. Dazu passte der Psalm 74 mit dem Titel "Klage über das zerstörte Heiligtum", den der evangelische Pfarrer Lothar Mößner und sein katholischer Kollege Ronny Baier vortrugen.

Ebenfalls Getreide- und Futtermittelhändler waren Henriette und Heinrich Marx, die ihr Geschäft in der Heidelberger Straße 29 hatten. In dem alten Haus, das später abgerissen wurde, zogen sie ihre Kinder Friedel und Alfred groß, die fortzogen und noch vor ihren Eltern in die USA flohen. Heinrich Marx war jahrelang Vorsteher der jüdischen Gemeinde und trug den Spitznamen "Bürgermeister". 1937 verkauften die Eheleute ihr Haus und flohen 1938 in die USA. Damit endete hier die Geschichte einer Familie, deren Vorfahren 1651 nach Schriesheim zogen. An Henriette und Heinrich Marx erinnern jetzt ebenfalls zwei Stolpersteine. > weiterer Bericht

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung