Schriesheim im Bild 2023

13.07.2013

Seit 40 Jahren eine "Heimat auf Zeit" in Altenbach

Von Silvia Rothenburger

Schriesheim-Altenbach. Oberhalb von Altenbach liegt der Kohlhof, ein beliebtes Wanderziel in der Nähe des Naturfreundehauses. Gerade fährt ein Kleinbus in einen Seitenweg hinein und parkt vor einem "Ferienhaus", das am Haupteingang jedenfalls so aussieht. Jung und Alt, Kinder und Jugendliche gehen geschäftig ans Werk, laden Sachen aus und ein, und es herrscht reger Betrieb, ein fröhliches Miteinander. Nur das Schild "Katholisches Kinder- und Jugendheim St. Josef" verrät, dass hier keine Familie im herkömmlichen Sinne wohnt. In der Außenwohngruppe von St. Josef wird wertvolle pädagogische Arbeit für Kinder und Jugendliche geleistet, die nicht in ihren eigenen Familien bleiben können. Seit 40 Jahren gibt es das Heim. Segensreich wirkt es seit dem ersten Tag. Die RNZ sprach mit den Betreuern über ihre Arbeit, die Probleme und die Freuden des Alltags.

Das katholische Kinderheim St. Josef ist die älteste Sozialeinrichtung in Mannheim und Umgebung und besteht schon seit 1851. Im Schriesheimer Ortsteil Altenbach auf dem Kohlhof wurde 1973 eine maßgebliche Erweiterung möglich. Das Erbe eines Einfamilienhauses in Ilvesheim und dessen Verkauf bildete den Grundstock für das heutige Kinderheim auf dem Kohlhof, das als Zweigeinrichtung des "Mutterhauses", als sogenanntes "Ferienhaus auf dem Kohlhof", eingeweiht wurde. Sieht man von kleinen Erweiterungen und Umbauten ab, steht das Haus heute noch so da wie vor vier Jahrzehnten.

In einem Gespräch mit der Leiterin von St. Josef, Margit Rehberger, fällt zuerst die Kontinuität der Erzieher auf. Rehberger ist seit 35 Jahren in der Außenwohngruppe tätig, Jugend- und Heimerzieher Holger Noth seit 25 Jahren. Ergänzt wird das Team von zwei staatlich anerkannten Erzieherinnen, einer jungen Frau, die dort ein Freiwilliges Soziales Jahr ableistet, sowie einer Hauswirtschaftskraft. Die Grundideale der modernen Pädagogik werden in einer kleinen Einheit von acht Plätzen individuell gestaltet - in einer "familienorientierten und geschlechtsheterogenen Gruppe". Zur Zeit sind die acht permanenten Plätze von Kindern und Jugendlichen zwischen drei und 16 Jahren belegt. Das war nicht immer so, erzählt Margit Rehberger. Die Unterbringungsdauer habe sich in den letzten zehn Jahren reduziert. Im Schnitt bleiben die Kinder und Jugendlichen zwischen drei bis vier Jahre, vor 20 Jahren waren viele acht bis zehn Jahre hier. Heute wird zuerst die Familie mit einer sozialpädagogischen Familienhilfe unterstützt. Erst wenn das nicht mehr ausreicht, kommt die Heimunterbringung. Früher gab es längere Sorgerechts-Entzugsverfahren, daher sei der längere Aufenthalt früher im Heim erklärbar. Die Heimunterbringung wurde von den Angehörigen meist negativ gesehen. Aber auch früher habe es schon "das Miteinander zum Wohl des Kindes" gegeben, erinnert sich Rehberger.

Die Zusammenarbeit von Familie, Ämtern und Kinderheim sei entscheidend, so Rehberger. Die Vernetzung der Hilfeleistenden sei heute aber dichter als früher. Die Einrichtung arbeitet eng zusammen mit dem Jugendamt Mannheim: "Die Anfrage auf Heimunterbringung kommt erst in Mannheim an, durch unseren Bekanntheitsgrad bekommen wir auch direkte Anfragen", so die Leiterin.

Waisen wohnen nicht im Heim oberhalb von Altenbach. Alle Kinder kommen vielmehr aus sozial schwierigen Verhältnissen, in denen eine gesunde Entwicklung nicht mehr gewährleistet war: "Wichtig ist für uns, dass die Kinder und Jugendlichen hier ein Umfeld vorfinden, in dem sie sich gesund entwickeln können", so die Erzieherin. Es gehe darum, stabile Beziehungen und ein verlässliches Umfeld zu schaffen, in dem sich das Kind geborgen fühlt, umreißt Margit Rehberger die Ziele der Einrichtung. Die Umstellung sei schon groß, wenn ein Kind neu in die Einrichtung aufgenommen werde, aber Margit Rehberger und ihr Team machen immer wieder die Erfahrung, dass Kinder enorm belastbar sind, und sich schneller an die neue Situation gewöhnen als Erwachsene glauben wollen. Der Alltag ähnelt im Ablauf jeder Familienkonstellation. Die Kinder besuchen die Kindergärten und Schulen der Stadt und können in Vereinen Mitglieder werden. Wenn die Heimkinder mit Bus und Bahn nicht weiterkommen, steht der heimeigene Kleinbus parat, um sie zu fahren. Das Heim liegt etwas abseits. Schön und idyllisch ist es hier - mit großem Garten, Spielplatz und Gartenhaus. Für Kinder geradezu ideal, um sich auszutoben. Wenn die Kinder größer werden, haben sie andere Bedürfnisse in ihrer Freizeit. Dann wollen sie auch mal mit Freunden etwas unternehmen. Bus und Bahn werden dann umso wichtiger.

Im Haus helfen die Kinder und Jugendlichen mit und werden einbezogen. Sie sind zum Beispiel dabei, wenn der Speiseplan geschrieben und wenn eingekauft wird. Die Erzieher nutzen alle Gelegenheiten, ihre Schützlinge auf einen Alltag vorzubereiten, den sie alleine bewältigen können - ein Stück Lebensvorbereitung eben. Dabei spielt das Zusammenwirken mit dem Elternhaus für die Betreuenden eine enorme Rolle. Die Kinder und Jugendlichen sind regelmäßig bei ihren Angehörigen. Aber sie dürfen auch ihre Freunde mit auf den Kohlhof bringen. Diese sind hier gerne gesehen und werden so oft wie möglich in das Gruppenleben einbezogen.

Die Kinder müssten Geborgenheit erleben und Vertrauen fassen können, so Rehberger: "Die Erzieher kommen auch nicht her, um zu arbeiten, sondern um mit den Kindern zu leben. Es wird nicht langweilig, wir alle werden von der Entwicklung unserer Schützlinge geprägt". Rund um die Uhr ist jemand für sie da: "Wir haben aber möglichst geregelte Zeiten, Urlaub und freie Tage, denn viele Erzieher haben ja auch eine eigene Familie", sagt die Heimleiterin. Allerdings hat ein Arbeitstag hier draußen nur selten genau acht Stunden. Nicht außer Acht lassen sollte man den christlichen Aspekt: "Dabei verstehen wir uns aber als überkonfessionelle Einrichtung", so Rehberger. Urlaub machen alle gemeinsam, und das einmal im Jahr. An Pfingsten gibt es zudem noch eine Projekt-Freizeit. Im Sommer wird stets ein Sommerfest gefeiert, dieses Jahr fällt es auf den 26. Juli, und man bleibt unter sich. Oft kommen auch Ehemalige dazu. Für sie wie auch für die heutigen Bewohner war und ist St. Josef eine "Heimat auf Zeit".

Heimleiterin Margit Rehberger, ihr Mitarbeiter Claus Riester und ihre jungen Schützlinge. Foto: Dorn

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung