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26.07.2013

Schriesheim: "Der Wahlkampf hat begonnen"

Von Carsten Blaue

Schriesheim. Die "Willkommenskultur" für Zugezogene und Neubürger kann in Schriesheim ausgebaut werden. Darin war sich der Gemeinderat am Mittwochabend einig. Das war's aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten. In der Aussprache zum Antrag der Grünen, für alle zugezogenen Mitbürger künftig Stadtführungen anzubieten, entbrannte ein Streit über Stilfragen, unterschiedliche Absichten und sogar die deutsche Staatsbürgerschaft.

Bürgermeister Hansjörg Höfer sprach von einer "schönen Idee", die Fadime Tuncer für die Grünen vorgestellt hatte. Und auch Adrian Ahlers (CDU) fand den Antrag "prinzipiell gut", den Stil der Grünen aber eher schlecht - hatte die FDP doch vor Wochen ihre Idee öffentlich gemacht, neue deutsche Staatsbürger in offiziellerem Rahmen per Handschlag zu begrüßen. Nach ersten Beratungen darüber hinter verschlossenen Türen, in denen sich die Grünen skeptisch zeigten, gab es von Seiten der FDP keinen förmlichen Antrag mehr dazu. "Weil es nicht eilte", begründete FDP-Stadtrat Wolfgang Renkenberger gestern auf Anfrage. Jetzt waren die Grünen mit ihrem Neueinwohnerrundgang schneller. Ein Antrag zum gleichen Sachverhalt, wie ihn die FDP verfolgt habe, so Ahlers. Er beantragte die Vertagung des Themas, damit man hier eine einheitliche Linie finden kann.

Auch Jutta Becker (FW) fand die Idee der Grünen nicht schlecht, zumal Nachbargemeinden damit schon gute Erfahrungen hätten. Es bedürfe aber auch des eigenen Interesses, in einer neuen Stadt Fuß zu fassen, gab sie zu bedenken. Für SPD-Stadtrat Karl-Heinz Schulz war die Motivation des grünen Antrags klar: "Der Kommunalwahlkampf hat begonnen, jeder will den anderen übertreffen." Besser hätte die Verwaltung mit Grünen und FDP gesprochen, um dann einen eigenen Antrag zu stellen, so Schulz. Renkenberger selbst signalisierte seine Zustimmung, wenn beide Anträge zur "Willkommenskultur" gemeinsam verabschiedet würden. Ansonsten habe Ahlers' Vorschlag auf Vertagung viel für sich.

Anders als Ahlers und auch Schulz, sah Höfer zwischen den Ideen von FDP und Grünen gewaltige Unterschiede. Die Liberalen hätten Mitbürger im Blick, die die deutsche Staatsbürgerschaft gerade erst angenommen haben, der Antrag der GL weiche davon ab und richte sich an alle Zugezogenen, unabhängig von der Nationalität. Das konnte Christian Wolf (GL) nur unterstreichen. Beide Ideen hätten nichts miteinander zu tun: "Und da kann man auch nichts Gemeinsames draus machen." Das sah auch Renkenberger so, einend sei aber die "Willkommenskultur". Der Appell von Michael Mittelstädt (CDU), einen fraktionsübergreifenden Antrag zu finden, brachte die Debatte nicht zur Ruhe.

Stattdessen wurde Tuncer persönlich: "Ich kam selbst ohne deutschen Pass und hoffte, auch so willkommen zu sein." Sie sei also dagegen, nur neue Deutsche zu begrüßen und alle anderen außen vor zu lassen. Für sie sei das etwas sehr emotionales. Gerade für Menschen mit zwei Pässen könne die Entscheidung für die deutsche Staatsangehörigkeit zur inneren Zerreißprobe werden.

Das brachte Ahlers in Rage. Tuncer ziehe die deutsche Staatsbürgerschaft runter und behandele sie wie eine Krankheit. "Ich habe den deutschen Pass", rief Tuncer durchs Mikro zurück.

"Wir hätten uns die Diskussion gespart, wenn wir vorher geredet hätten", erkannte Sebastian Cuny (SPD) schon zuvor. Der Antrag der GL erfülle aber auch das Anliegen der FDP, schwenkte der Sozialdemokrat auf die grüne Linie um. Becker fürchtete noch um die Außenwirkung der Diskussion und warnte: "Wir zerreden das fast." Endlich unterband Höfer die Diskussion nach dem Disput zwischen Ahlers und Tuncer. Die Vertagung fand, wie berichtet, die Mehrheit von CDU, FW und FDP. > Kommentar

Ein Beispiel für 'Willkommenskultur': In Hirschberg gibt es schon Ortsrundgänge für zugezogene Mitbürger. Foto: Dorn

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung