Schriesheim im Bild 2023

31.10.2013

Mitten in Schriesheim entsteht ein Treffpunkt für alle

Von Carsten Blaue

Schriesheim. In der evangelischen Kirchengemeinde wird sich in den nächsten Monaten einiges tun. Vor allem baulich. Am 9. November wird die Stadtkirche in der Kirchstraße ausgeräumt, ab Dezember wird das Gotteshaus grundlegend renoviert und dabei innenarchitektonisch verändert. Die dringend überholungsbedürftige Orgel ist längst abgebaut und wird bei Jäger & Brommer in Waldkirch auf Vordermann gebracht. Und ab kommendem Frühjahr wird aus dem alten Gemeindehaus ein Begegnungszentrum für alle Generationen. Gerade letzteres Bauprojekt ist auch ein Beispiel, was man gemeinsam bewegen kann. Wenn man will.

Die West- und Ost-Pfarrer Suse Best und Lothar Mößner sowie Kirchengemeinderat Thomas Rufer, der auf die Finanzen spezialisiert ist, zeichnen im RNZ-Gespräch die Chronologie auf dem Weg zum Begegnungszentrum nach, an deren Ende jüngst die Genehmigung des Bauantrags durch den städtischen Ausschuss für Technik und Umwelt stand.

Schon im Herbst 2007 machte sich ein "Dreamteam" der Kirche Gedanken darüber, wie ihre Gemeinde in fünf Jahren aussehen könnte. Einer der "Träume" war der von einer offenen Kirche, einer Anlaufstelle für alle Generationen. Im Jahr darauf, erinnert sich Rufer, gab es eine erste Modellrechnung, wie man die Idee finanzieren könnte: "550 000 Euro waren eine Hausnummer." Es folgte eine "Zukunftswerkstatt", in der Ziele in Richtung Begegnungszentrum formuliert wurden. Die Frage war, ob es überhaupt einen Bedarf dafür gibt. Das wollte man prüfen, und so bot die Gemeinde von Mai bis Oktober 2010 eine Art offenes Kaffee auf dem kleinen Platz vor dem alten Gemeindehaus an. Ob da jemand kommen würde? "Alle waren angetan davon", so Rufer.

Kaffee und Kuchen kosteten nichts, spenden durfte man aber. Und so kam der Anschaffungspreis für Tische und Stühle wieder rein. "Es zeigte sich, wie positiv sich die Lage mitten in der Stadt auswirkt", so Best. "Im Sommer treffen sich immer wieder Mütter mit Kindern auf den Bänken und der Rasenfläche vor der Kirche. Das hat etwas von Gartenatmosphäre", ergänzt Mößner. Eine Hemmschwelle für das offene Kaffee seien aber die Stufen hoch zur Terrasse vor der Kirchentür gewesen, so Rufer: "Da wussten wir, dass hier künftig alles barrierefrei sein muss."

Die Haupterkenntnis war aber, dass dieser Platz in der Stadt ein Riesenpotenzial als Ort der Begegnung hat. "Danach stand fest, dass wir das Begegnungszentrum wollen", so Rufer. Schon vorher hatte der Kirchengemeinderat darüber beraten. Da gab es noch Bedenken. Schließlich wusste man um die Kirchen- und Orgelsanierung.

Am Ende stand die Entscheidung: Wenn, dann wird alles gleichzeitig gemacht. Rufer hatte erste Skizzen für das Begegnungszentrum entworfen. Von Seiten der Landeskirche gab es klare Ansagen: Keine baulichen Erweiterungen, also kein Wintergarten vor dem alten Gemeindehaus. Außerdem gab die Landeskirche vor, dass Kircheninneres und Begegnungszentrum vom selben Architekten zu planen seien. So landeten beide Aufträge bei den "Netzwerkarchitekten" in Darmstadt, die übrigens auch den Umbau der evangelischen Kirche in Altenbach geplant haben.

Auch ohne Architekturstudium war den Kirchenverantwortlichen klar, was das Ziel der Barrierefreiheit bedeutet. Ein Aufzug musste her, sollte auch das erste Obergeschoss für alle erreichbar sein. Suse Best schluckt da noch heute: "Die Frage war, ob wir wirklich so viel dafür ausgeben wollen." Der Aufzug soll jetzt gebaut werden. Er dürfte ein Grund dafür sein, warum die Kosten letztlich bei kalkulierten 750 000 Euro landeten. Der entscheidende Punkt: Denn wollen kann man viel, zahlen muss man es aber können.

Den Kirchenverantwortlichen war klar, dass es ohne finanzielle Hilfe der Bürger nicht geht. Die Spendenaktion, die im Februar anlief, sollte aber auch ein Prüfstein sein: Wird das Begegnungszentrum von den Schriesheimern mitgetragen? Davon sollte letztlich abhängen, ob das Projekt wirklich weiterverfolgt wird. Das Ziel waren 200 000 Euro. Inzwischen sind knapp 150 000 Euro gespendet worden. Für die Kirchengemeinde war das die Bestärkung, die noch fehlte zur Entscheidung. "Natürlich brauchen wir noch Spenden", sagt Mößner. Aber im Grunde steht das Finanzierungsgerüst. 300 000 Euro gibt die Kirchengemeinde aus dem Angesparten, 200 000 Euro wird sie zinsgünstig als Darlehen bei der Landeskirche aufnehmen. Die restlichen 50 000 Euro sollen durch Eigenleistung bei der Gestaltung des Begegnungszentrums erwirtschaftet werden.

Dessen Raumstruktur wird den heutigen Gegebenheiten entsprechen: Ins Erdgeschoss kommt der große Gemeindesaal, in dem es Kaffee geben soll und vielleicht auch einen Mittagstisch für Senioren. Geplant ist der Verkauf eines Büchersortiments, wie es einst der christliche Buchladen "Regenbogen" an der Ecke Kirch- und Friedrichstraße angeboten hat. Mößner denkt zudem an einen WLAN-Router, damit man im Begegnungszentrum im Internet "surfen" kann. Die Chorproben werden in diesem Raum stattfinden und das "Kirchencafé". Im ersten Obergeschoss bleiben die vier Gruppenräume ebenso erhalten wie die beiden vermieteten Wohnungen unter dem Dach.

Die wesentlichsten Veränderungen gibt es in Bezug auf Küche und Toiletten. Die WCs kommen vom Erdgeschoss ins Untergeschoss. Dafür muss der Keller tiefer gelegt werden. Dort, wo die Toiletten waren, wird die neue Küche eingerichtet. Außerdem wird in diesem, dem Kirchgarten zugewandten Teil des Gebäudes auch der Aufzug ins erste OG gebaut, wo die bisherige Küche der Behinderten-Toilette weicht.

Wie das Begegnungszentrum mit Leben gefüllt wird, ist eine Frage der Ideen. Chancen gibt es neben der Möglichkeit zum lockeren Treff viele - von der Krabbelgruppe und der Gymnastikstunde bis hin zum Vortragsabend oder zu Beratungsangeboten. Mit im Boot sind bisher das Rote Kreuz, der Arbeitskreis Schriesheimer Senioren, die Kirchliche Sozialstation und die Ökumenische Hospizhilfe. Dabei muss es nicht bleiben: "Das Begegnungszentrum wird sich ja herumsprechen", so Mößner. Dieses solle einen Leiter bekommen, den der Förderverein "Die Rebe" anstelle, ergänzt Rufer. Bleibt eigentlich nur eine Frage: Was sagen denn die evangelischen Christen der West-Gemeinde zum großen "Ost-Projekt" mitten in der Stadt?

Best, die West-Pfarrerin, lächelt, überlegt kurz und sagt: "Also ich freue mich sehr auf das Begegnungszentrum." Außerdem seien doch die Zeiten der 1970er Jahre vorbei, die vom Gedanken an zwei evangelische Gemeinden mit zwei Kirchen beseelt gewesen seien: "Dieser Geist ist überwunden." Zudem widerspricht Rufer der Fragestellung: "Das war eigentlich nie nur ein 'Ost-Projekt'." Die neue Kirche, das neue Begegnungszentrum: Beide Baumaßnahmen sollen auch zur Zukunftsfähigkeit der Kirchengemeinde beitragen. Dass ihre 5300 Seelen ein Interesse daran haben, zeigt nicht zuletzt die Spendenbereitschaft, ohne die zumindest das Begegnungszentrum nicht entstehen würde.

Nachdem der Bauausschuss der Stadt den Bauantrag für das Begegnungszentrum genehmigt hat, steht dem Umbau des alten Gemeindehauses in der Kirchstraße zum Begegnungszentrum nichts mehr im Weg. Im Frühjahr soll's losgehen. Darüber freuen sich Thomas Rufer (Mitte) und die evangelischen Pfarrer Suse Best und Lothar Mößner. Foto: Dorn

Copyright (c) rnz-online

Mitten in Schriesheim entsteht ein Treffpunkt für alle-2

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung