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09.01.2014

Jahresgespräch mit Grünen-Fraktionschef Christian Wolf

Jahresgespräch mit Grünen-Fraktionschef Christian Wolf

'Wir können in Sachen Stärke und Gemeinsamkeit alle noch deutlich zulegen', sagt Christian Wolf über die Zusammenarbeit von Gemeinderat und Bürgermeister. Foto: Dorn
Von Carsten Blaue

Schriesheim. Das letzte Jahresgespräch 2013 führte die RNZ mit Grünen-Fraktionschef Christian Wolf. Dieser war zwei Wochen im Ausland. So kam das Interview erst jetzt zustande. Machte aber nichts. Denn viele der Themen des vergangenen Jahres beschäftigen Schriesheim auch in Zukunft.

Herr Wolf, die Grünen haben im Bürgermeisterwahlkampf keine Wahlempfehlung abgegeben, um die Bürger nicht zu "bevormunden". Was ist an einer Wahlempfehlung so verkehrt?

Wenn es um uns selbst geht, empfehlen wir uns gerne zur Wahl. Aber bei einer Persönlichkeitswahl wie der Bürgermeisterwahl wirkt eine Empfehlung schnell als Bevormundung. Privat haben viele von uns gesagt, dass man Hansjörg Höfer wählen sollte. Aber als Partei oder Wählervereinigung sollte man sich damit zurückhalten. Es hat sich ja auch als richtig erwiesen, so mit den Wählerinnen und Wählern umzugehen.

Sie haben in Ihrem Glückwunsch an Höfer im Gemeinderat dazu aufgerufen, dass Bürgermeister und Gremium gemeinsam stark sein sollten. Auf einer Skala von eins - schwach - bis zehn - ganz stark: Wie stark sind Rathauschef und Gemeinderat heute?

Da lege ich mich nicht auf eine Zahl fest. Aber wir können in Sachen Stärke und Gemeinsamkeit alle noch deutlich zulegen, um für Schriesheim etwas zu erreichen.
"Zu oft wurde nur nein gesagt"

Was muss "stärker" werden?

Wir müssen stärker zusammen- und weniger gegeneinanderarbeiten. In der Vergangenheit wurde zu oft nur nein gesagt, ohne konstruktive Lösungen anzubieten und nach vorne zu schauen. Ich habe aber die Hoffnung, dass das jetzt besser wird.

Welche Ziele verfolgen die Grünen bei der Kommunalwahl? Sitze halten? Sitze dazugewinnen?

Unsere Ziele machen sich nicht an Sitzen fest, sondern an Inhalten. Wie stark wir werden, entscheiden die Bürgerinnen und Bürger. Natürlich freuen wir uns über eine hohe Akzeptanz, und wir wissen, dass viele Bürger sehr zufrieden sind mit dem, was wir tun.

Treten alle GL-Stadträte wieder an?

Die Liste soll doch eine Überraschung werden! Aber dass alle sieben Gemeinderäte wieder kandidieren werden, das kann ich wohl ruhig verraten.

Kommen wir zu den Inhalten. Noch während des Mathaisemarkts forderten die Grünen mehr Initiative für das Sicherheitsempfinden der Besucher. Von einem echten Präventionskonzept kann bis heute keine Rede sein. Warum kam da kein Druck von grüner Seite?

Es stimmt nicht, dass von uns nichts kam. Bis zu den Sommerferien ist nicht genug passiert. Da haben wir dann reagiert, und einiges angeschoben: Die Polizeipräsenz soll dieses Jahr verstärkt werden, der Jugendgemeinderat wird eingebunden. Das Ordnungsamt hat ein umfangreiches Konzept vorgelegt. Vor allem ist wichtig, dass Polizei und Stadt hier gut zusammenarbeiten. Wir wurden im Übrigen seinerzeit stark kritisiert, dass wir den Mathaisemarkt schlechtmachen würden. Unsere Initiative war aber richtig. Viele Besucher wünschen sich, dass sich etwas ändert.

Auch in Sachen Umweltstelle, die nicht besetzt ist, aber eines Ihrer Hauptanliegen war, hörte man von der GL nichts.

Die Stelle wurde doch ausgeschrieben, war dann aber leider nur drei Tage lang besetzt. Unsere damalige Befürchtung hat sich bestätigt: Die Position war von der Entlohnung her zu niedrig angesetzt. Die Stelle muss also unter neuen Bedingungen wieder ausgeschrieben werden. Es ist ja auch keine klassische "Umweltstelle" mehr. Wir wollen eine Stelle für Landschafts- und Naturschutz sowie städtisches Grün.

Warum blieb es im Gemeinderat nur bei einem Anlauf in Sachen Ökostrom?

Die Sache ist jetzt leider für mehrere Jahre so entschieden. Wenn der Ökostrom in ein paar Jahren neu ausgeschrieben wird, dann sind wir wieder dabei. Es ist merkwürdig, dass gerade die Parteien dem Bürgermeister die Niederlage beim Ökostrom ankreiden, die dagegen gestimmt haben. Hansjörg Höfer jedenfalls hat den Ökostrom gewollt. Diese Schuldzuweisungen sind ungerechtfertigt. Das ist so ein Punkt, in dem wir in Sachen Stärke durchaus Potenzial nach oben haben.

Den Ablehnern fehlte eine Kostenaufstellung.

Die war damals nicht möglich, weil es ja darum ging was wir ausschreiben, Ökostrom oder normalen Strom. Was der unterschiedliche Strom dann kostete, kam ja erst nach der Ausschreibung heraus.

Die Katze im Sack ...

Alle anderen Kommunen konnten mit den Rahmenbedingungen umgehen, nur wir nicht. Aber der Prozess war heilsam. Der Ökostrombeschluss ist heute doch allen Ablehnern unangenehm. Das nächste Mal wird sich Schriesheim mit Sicherheit für einen hohen Ökostromanteil entscheiden, zumal es kaum noch einen Preisunterschied gibt.

Wie sehen Sie die Innenstadtentwicklung für die Zeit mit dem Branichtunnel?

Ohne Dramatik. Wir werden immer etwas tun müssen, um unsere Innen- und Altstadt attraktiv zu halten. Der Tunnel wird sicher etwas verändern. Aber die Struktur in Schriesheim ist so intakt, dass wir das bewältigen werden.

Selbst mit Blick auf den Mathaisemarkt scheint zumindest die teilweise Bebauung des Festplatzes kein Tabu mehr zu sein. Wie stehen Sie dazu?

Der Mathaisemarkt wird immer auf dem Festplatz bleiben, die Gestaltung müssen wir aber dennoch offensiv angehen. Wir können uns eine Teilbebauung vorstellen und sprachen mal von Frequenzbringern und einer Magnetfunktion. So eine Bebauung könnte unserer Innenstadt sehr nützen. Konkrete Ideen wollen wir aber absichtlich noch nicht entwickeln, weil wir erst den Architektenwettbewerb abwarten möchten.

Anderes Thema: Kann sich die Stadt das Schulzentrum vor dem Hintergrund der Machbarkeitsstudie zur Sanierung künftig noch leisten?

Wir werden es uns leisten müssen, die Schule dabei aber regionaler sehen in ihrer Entwicklung. Wir müssen mit den Nachbarkommunen ein weiterführendes Schulkonzept entwickeln. Bei uns gehen ja nicht nur Schriesheimer Kinder zur Schule. In Bezug auf die Sanierung sind wir offen für kleinere Lösungen, wollen zum jetzigen Zeitpunkt - außer einem Neubau - aber keine Variante verwerfen. Wir sind ja noch ganz am Anfang der Diskussion. Für die Zukunft des Schulzentrums wird sich die Stadt aber sicher verschulden müssen.

Wie wirken die Neubauten auf dem OEG-Areal auf Sie?

Ich gebe zu, dass das sehr mächtig wirkt. Ich habe aber die Hoffnung, dass es deutlich besser wird, wenn alles fertig ist. Ein echter Fehler ist allerdings die lange Riegelbebauung direkt am Bahnhof. Hier hatte der Ideenwettbewerb drei Gebäude mit deutlichen Zwischenräumen vorgesehen. Das wäre die bessere Lösung gewesen.

"Das passiert manchmal"

In Bezug auf die "Willkommenskultur" hat auch die Grüne Liste mit dafür gesorgt, dass Schärfe in die Gemeinderatsdebatte kam. Letztlich haben Sie den Kompromiss eingebracht, die Anträge von Grünen und FDP zu kombinieren und Stadtrundgänge für Neubürger anzubieten sowie zusätzlich neu Eingebürgerte in offiziellem Rahmen zu begrüßen. Das wäre auch ohne den Streit zwischen Fadime Tuncer und Adrian Ahlers gegangen, oder?

Ach, da sind die Emotionen doch sehr hoch geschlagen, auch bei uns. Das passiert manchmal in der Kommunalpolitik. Wenn man aber den Willen hat, dass etwas Gutes dabei herauskommt, dann findet man auch wieder zueinander. Das ist bei diesem Thema geglückt.

Schließlich das Thema Jugendsozialarbeit. Im Moment ist nur die Schulsozialarbeit ein Thema, die Jugendsozialarbeit liegt auf Eis. Ihre Fraktion forderte aber zwei Schul- und einen Jugendsozialarbeiter für Schriesheim. Halten Sie an diesem Ziel fest, und wäre das überhaupt finanzierbar?

Ja, das wäre die optimale Lösung, und finanzierbar ist es auch. Unser Ziel muss sein, dass diese Stellen ab dem nächsten Schuljahr besetzt sind.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung