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09.05.2015

KGS-Direktor zum Reformkonzept "Gymnasium 2020": "Man muss sich die Details ansehen"

KGS-Direktor zum Reformkonzept "Gymnasium 2020": "Man muss sich die Details ansehen"

Matthias Nortmeyer, Direktor des Kurpfalz-Gymnasiums, im Interview

Von Carsten Blaue

Schriesheim. In Stuttgart sorgt das Konzept "Gymnasium 2020" von Kultusminister Andreas Stoch (SPD) für Wirbel und grün-roten Koalitionsknatsch. Die Opposition ist sowieso dagegen. Die Chancen stehen schlecht, dass vom Ergebnis der jahrelangen Arbeit der eingesetzten Kommission etwas übrig bleibt. Also kein Zuschlag der zehnten Klasse als "OS 1" zur Oberstufe, keine weitere Förderung von Wechslern aufs Gymnasium und keine Abwahl einer Fremdsprache nach Klasse neun, um in "OS 1" eine neue beginnen zu können? Man wird sehen. Die RNZ wollte von einem Praktiker wissen, was er von Stochs Ideen hält und fragte beim Direktor des Kurpfalz-Gymnasiums (KGS), Matthias Nortmeyer, nach.

Herr Nortmeyer, CDU-Bildungsexperte Wacker spricht davon, dass die Landesregierung das Gymnasium mit aller Macht in das "grün-rote Einheitsschulsystem" zwängen will. Wie bewerten Sie das Papier "Gymnasium 2020"?

Nur wenige Gemeinschaftsschulen werden eine eigene Oberstufe, beziehungsweise Kursstufe anbieten. Schülerinnen und Schüler, die eine allgemeine Hochschulreife anstreben, müssen daher auf ein berufliches oder allgemeinbildendes Gymnasium wechseln. Wenn man anstrebt, dass Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule tatsächlich auch auf ein allgemeinbildendes Gymnasium wechseln können, muss man das allgemeinbildende Gymnasium verändern. Andererseits hat die Landesergierung für die allgemeinbildenden Gymnasien einen eigenständigen Bildungsplan erstellen lassen, der noch in der Anhörung ist, also noch nicht vom Landtag beschlossen wurde.

Sehen Sie überhaupt Reformbedarf beim Gymnasium, und wenn ja, wo?

Grundsätzlich gibt es immer einen Reformbedarf, denn eine Schule ist ein lebendiger Organismus. Schule von heute bereitet auf das Leben von morgen vor. Man muss allerdings Reformen auch die Möglichkeit geben, sich in der Praxis zu bewähren. So haben wir gemeinsam mit Schülern und Eltern die G 8-Reform sukzessive nach stets sorgfältiger Prüfung nachjustiert und sind überzeugt, damit ein gutes und solides Angebot entwickelt zu haben. Aus meiner Sicht wäre die wichtigste Reform die Rücknahme von Kürzungen bei den zur Verfügung gestellten Ressourcen und eine personelle Unterstützung beziehungsweise Entlastung der Schule und der Schulleitung. Bildung kostet - ist aber die beste Investition in die Zukunft.

Schülern von Gemeinschafts- oder Realschulen soll offenbar der Wechsel ans Gymnasium erleichtert werden. Halten Sie das für sinnvoll?

Grundsätzlich ist die horizontale Durchlässigkeit sinnvoll und daher anzustreben: Realschüler können zurzeit auch auf das allgemeinbildende Gymnasium wechseln und müssen die Klasse 10 wiederholen. Am Kurpfalz-Gymnasium haben wir so wenig Wechsel von der Realschule zu uns, dass ich mir keine belastbare Aussage erlauben kann. Der Klassiker ist der Wechsel von der Realschule - oder demnächst von der Gemeinschaftsschule - auf ein berufliches Gymnasium. Hier bietet sich gerade in der Metropolregion Rhein-Neckar eine Fülle von Möglichkeiten.

Gymnasiasten sollen die zweite Fremdsprache nach Klasse neun abwählen können. Um dafür in "OS 1" eine neue beginnen und bis zum Abitur belegen zu können. Kann man so Fremdsprachen lernen?

Das scheint mir recht früh. Ich habe mein Abitur in Niedersachsen abgelegt, dort haben die Schülerinnen und Schüler ihre erste Fremdsprache im mathematisch-naturwissenschaftlichen Zug nach Klasse 10 beendet. Wir Schülerinnen und Schüler haben dann durch Eingabe bei der Direktion dafür gekämpft und gesorgt, dass für uns eine freiwillige Arbeitsgemeinschaft im selben Umfang mit naturwissenschaftlichem Englisch eingerichtet wurde. Das Verständnis der englischsprachigen Bedienungsanleitung hat mir bei der Anmietung meines ersten Mietfahrzeuges sehr geholfen.

Statt einer mündlichen soll es nach dem Papier zwei mündliche Prüfungen im Abitur geben, dafür kein viertes schriftliches Prüfungsfach. Wird das Abitur dadurch leichter?

Das kommt auf das genaue Format der Leistungsfeststellung an. Tendenziell halte ich die neue Regelung für eine Erleichterung.

Fürchten Sie, dass das "Niveau" des Gymnasiums durch Stochs Ideen sinkt?

Ob die Überlegungen des AK 2 "Gymnasium 2020" bereits prognosefähig sind, wage ich zu bezweifeln. Man muss sich die Details genau ansehen.

Was wird Ihrer Meinung nach am Ende von den Vorschlägen des Papiers "Gymnasium 2020" übrig bleiben?

Das kommt sicher auf das Ergebnis der Landtagswahl 2016 an, es gilt aber abgewandelt das "Struck’sche Gesetz", dass kein Gesetz den Beratungsprozess so verlasse, wie es hineinkommt.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung