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17.06.2015

Flüchtlinge in Schriesheim: Warum Höfer wirklich Veto eingelegt hat

Das Verhalten des Bürgermeisters in der Beratung über eine Flüchtlingsunterkunft im Gewerbegebiet stößt auf Kritik - Höfer verweist auf nötige Solidarität mit dem Kreis

Foto Dorn

Von Carsten Blaue

Schriesheim. SPD-Stadtrat Sebastian Cuny hatte die Sitzungsunterbrechung des Ausschusses für Technik und Umwelt (ATU) am Montag beantragt, um sich mit den Kollegen der anderen Fraktionen beraten zu können. Nachdem das Gremium die Köpfe zusammengesteckt hatte, war es CDU-Sprecher Michael Mittelstädt, der Christian Wolf von den Grünen zunickte und den Vortritt ließ. Der Sprecher der stärksten Gemeinderatsfraktion sollte vorbringen, was auch die Freien Wähler in der Frage der Umnutzung einer alten Lagerhalle samt Werkstatt in der Carl-Benz-Straße 23 wohl mitgetragen hätten: Ja zu einer Flüchtlingsunterkunft, aber nur für 25 Personen. Ein einmütiger Kompromissvorschlag, den alle wollten. Nur Bürgermeister Hansjörg Höfer nicht. Was für das bekannte Ergebnis sorgte: Der ATU lehnte die Umnutzung ab, und Höfer, der auf einer Belegung mit 50 Flüchtlingen bestanden hatte, legte seinen Widerspruch gegen diesen Beschluss ein. Ein Veto ist selten im Schriesheimer Gemeinderat und seinen beschließenden Gremien: "Für mich war es der erste Widerspruch, und ich bin mir nicht sicher, ob wir bei Peter Riehl mal einen hatten", sagte Höfer über sich und seinen Vorgänger. Entsprechend wirkte die Sitzung nach, in der es ja auch noch um anderes ging.

Christian Wolf schien gestern noch frustriert: "Ich verstehe nicht, warum der Bürgermeister da keine Kompromissfähigkeit besessen hat. Und ich verstehe nicht, warum er die Konfrontation suchte, obwohl sich der ATU zu einem gemeinsamen Antrag durchgerungen hat."

So hatte Höfer die "Verfahrenshoheit" für sich reklamiert und betont, er lasse nur über die Unterbringung der vom Kreis "beantragten" 50 Personen abstimmen, nicht über eine Unterkunft für die Hälfte.

Er hatte die Vorlage ferner als nicht verhandelbar bezeichnet, weil Flüchtlingsunterkünfte in Gewerbegebieten seit November 2014 baurechtlich zulässig seien. Höfer hatte dem ATU daher auch die "Freiheit" in dieser Entscheidung abgesprochen und vor den Folgen gewarnt, sollte sich das Gremium bei der Umnutzung quer legen: Dann sei der Beschluss nicht sachgerecht im Sinne des Baurechts, und der Stadt drohe rechtlicher sowie finanzieller Schaden - etwa, wenn die Eigentümer des Objekts in der Carl-Benz-Straße 23 ihr Recht einklagen würden. Zudem seien er und sogar die Ausschussmitglieder in der Haftung.

Nach Kompromissbereitschaft klang das alles wirklich nicht. "Dabei war doch bemerkenswert, dass die Fraktionen bereit waren, keine Konfrontation aufzubauen. Das ist etwas wert", so Wolf. Und rein baurechtlich hätte das Gremium ja eingelenkt.

Es ging Höfer also im Grunde um die Belegungszahl, die in der Verwaltungsvorlage aber nicht zu finden war und mit dem Baurecht an sich eigentlich gar nichts zu tun hat. So räumte Höfer gestern ein, dass der Mittelweg des ATU vielleicht doch "gangbar" gewesen wäre mit nur 25 Personen, aber: "Wir stehen in der Pflicht, mit dem Rhein-Neckar-Kreis und seinen Kommunen solidarisch zu sein. Ich sehe jeden Abend, was auf der Welt passiert, und sehe die Schiffe auf den Meeren. Ich höre, welche Flüchtlingszahlen andere Bürgermeister zu bewältigen haben. Was wir nicht aufnehmen, müssen andere aufnehmen." Zudem fürchtete er, dass das Landratsamt nach einem weiteren Standort im Gewerbegebiet sucht, sollte die Belegungszahl jetzt nicht ausgeschöpft werden können.

Kreis-Sprecherin Silke Hartmann bekräftigte gestern, dass das Landratsamt weiterhin bestrebt sei, 50 Personen in der Carl-Benz-Straße 23 unterzubringen. Erst ab 1. Januar 2016, wenn jedem Flüchtling sieben Quadratmeter Wohnraum zustehen, könnten dort nur noch rund 40 Personen leben. Vorher werde der Kreis an der 4,5-Quadratmeter-Regelung festhalten. Zumal die Behörde dieses Jahr wohl noch weitere 1000 Plätze werde schaffen oder finden müssen. Also suche man weiter nach geeigneten Objekten oder Grundstücken in den Kommunen des Rhein-Neckar-Kreises. Könnte sein, dass das Landratsamt dabei Hilfe von den Gegnern einer Unterbringung in der Carl-Benz-Straße 23 bekommt.

Landmaschinenunternehmer Peter Rufer, der sich inzwischen mit anderen Firmenbesitzern im Gewerbegebiet von einem Anwalt vertreten und beraten lässt, sagte gestern: "Das gehen wir jetzt an. Wir werden beweisen, dass es Standorte in der Stadt gibt, die eine Unterbringung an mehreren Stellen möglich machen würde. Die Alternativen sind im Rathaus doch auch bekannt. Kleinere Unterkünfte sind besser als eine Massenunterkunft", so Rufer.

"Wir haben etwas bewegt"

25 Personen in der Carl-Benz-Straße 23 würde er akzeptieren, sagte der Nachbar: "Aber nur, wenn präzise dargelegt wird, wie die Betreuung aussieht. Da muss jeden Tag jemand da sein. Nur hin und wieder mal vorbeischauen, ist auch bei 25 Flüchtlingen zu wenig."

Rufer, der in der Sitzung am Montag anwesend war, bezichtigte Höfer der "Sturheit": "Das war erschreckend, wie er versucht hat, die 50 Personen durchzudrücken." Froh war Rufer darüber, "dass die Stadträte zu uns und zum Gewerbegebiet stehen. Wir haben etwas bewegt und reden mit vielen. Und immer hört man, dass das Objekt nicht geeignet ist für 50 Leute. Da entsteht ein Brennpunkt."

Der Bürgermeister zeigte Verständnis für die Nachbarn und deren "Vorbehalte". Aber er blieb dabei: Im Gewerbegebiet sei eine Flüchtlingsunterkunft "verträglicher" als in einem Wohngebiet: "Wenn man es nicht überstrapaziert."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung