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09.06.2016

Schriesheim: Pfarrer Lothar Mößner verlässt Ost-Gemeinde

Mößner zieht mit seiner Familie nach Kleinsteinbach - Neue Herausforderung zur "Halbzeit" des Berufslebens - "Diese Veränderung tut allen gut"

Für das Foto durfte sich Pfarrer Lothar Mößner seinen Lieblingsplatz in der Kirche aussuchen. Seine Wahl fiel auf den Ambo: "Da sehe ich die Gemeinde." Foto: Dorn

Von Carsten Blaue

Schriesheim. Im Februar des Jahres 2000 wurde er in sein Amt eingeführt. Offiziell verabschiedet wird Lothar Mößner Mitte Juli. Dann vielleicht noch zwei Gottesdienste, und er wird nicht mehr Pfarrer der evangelischen Ost-Gemeinde sein. Im August zieht er mit seiner Familie um - in den rund 70 Kilometer entfernten Ort Kleinsteinbach. Hier wartet eine 1100-Seelen-Gemeinde auf ihn. Die RNZ sprach mit Mößner über die neue Stelle, seine Zeit in Schriesheim und seinen Beruf.

Herr Mößner, warum wechseln Sie nach Kleinsteinbach? Gefällt es Ihnen in Schriesheim nicht mehr?

(lacht) Würde es darum gehen, dann gäbe es tatsächlich keinen Grund, warum meine Familie und ich wegziehen sollten. Meist hilft schon als Begründung, wenn ich darauf verweise, dass ich seit 16 Jahren hier Pfarrer bin. Oft heißt es dann: "Was, schon so lange?". Ich habe noch 17 Berufsjahre vor mir. Es ist also Halbzeit. Außerdem ist es eine gute Übung, dass die Kirchenleitung nach zwölf Jahren im Personalgespräch nachfragt, ob man sich nicht noch einmal anders profilieren möchte. Das ist bei mir nun schon vier Jahre her. Damals liefen gerade die Sanierungen der Orgel und der Kirchen in Altenbach und Schriesheim sowie die Umgestaltung des Alten Gemeindehauses zum Begegnungszentrum "mittendrin" an. Eine Vakanz auf der Pfarrstelle wäre da nicht gut gewesen. Jetzt ist der Zeitpunkt für einen Wechsel richtig. Unsere älteste Tochter macht dieses Jahr ihr Abitur, also passt es auch in Bezug auf die familiäre Lebenssituation.

Hätten Sie nicht trotzdem bleiben können?

Theoretisch ist es möglich, auf ein und derselben Pfarrstelle sein ganzes Berufsleben lang zu bleiben. Aber da bliebe auch etwas auf der Strecke. Der nach zwölf Jahren empfohlene Wechsel hat Vorteile. Diese Veränderung tut allen gut. Sicher gibt es ältere Gemeindemitglieder, die sich wünschen würden, noch von mir beerdigt zu werden. Oder junge Menschen, denen ich vertraut bin. Aber ein neuer Pfarrer oder eine neue Pfarrerin bringt neuen Schwung rein, kann vielleicht andere Personenkreise ansprechen.

Was erwartet Sie in Kleinsteinbach?

Kleinsteinbach ist der kleinste Ortsteil von Pfinztal bei Karlsruhe und hat 2000 Einwohner. Die Pfarrstelle dort war jetzt zweieinhalb Jahre vakant. Die evangelische Kirchengemeinde hat 1100 Seelen, ist also deutlich kleiner im Vergleich zu unseren 2300 Gemeindemitgliedern alleine in der Ost-Pfarrei. Ich werde dort eine 75-Prozent-Stelle für die Gemeindearbeit antreten. Weitere 25 Prozent, also zehn Wochenstunden, absolviere ich im Schuldienst an einer Realschule. Neuland ist für mich, dass es dort zwei evangelische Kindergärten gibt. Ich werde also auch gezwungen, jung zu bleiben. Dienstantritt ist am 1. September, aber offiziell verabschiedet werde ich in Schriesheim am 17. Juli, um 17 Uhr, mit einem Gottesdienst und anschließendem Empfang. Der Umzug folgt dann Mitte August.

Was zieht Sie in diese Gemeinde?

Mich fasziniert, wie viele Mitarbeiter sich dort einbringen, auch der CVJM ist dort stark. Mir ist wichtig, dass schon Menschen da sind, die wissen, was sie wollen. Außerdem spielte eine Rolle, dass ich in Reichweite zu Schriesheim bleibe, denn ich bin ja Vorsitzender der Christus-Bewegung Baden, des Trägervereins des Friedrich-Hauss-Studienzentrums. Das ist mir wichtig. Also werde ich auch immer mal wieder kommen.

Was nehmen Sie mit aus Ihren 16 Jahren in Schriesheim?

Mein Leben ist in dieser Zeit angewachsen, reicher geworden. Ich erlebe mich als ein Beschenkter. Ich war stark in Teams eingebunden. Wir haben vieles weiterentwickelt. Vor allem auch die Gottesdienste. Mit den "Oase"-Gottesdiensten haben wir zudem eine Alternative geschaffen, konnten spezifische Angebote machen und auch mit neuen Beteiligungsformen andere Menschen ansprechen, die nun zu uns kommen. An der Gestaltung der Gottesdienste zu arbeiten, bleibt für uns eine Herausforderung. Mit der Gründung des Fördervereins "Die Rebe" konnten seither viele Impulse für die Gemeinde umgesetzt werden, die ohne diese Unterstützung nicht denkbar wären. Abgesehen davon, habe ich mich als Südbadener immer sehr wohl gefühlt in Schriesheim. Das gilt auch für unsere Familie.

Pfarrer zu sein, ist sicher nicht immer einfach. An welche schweren Momente erinnern Sie sich besonders?

Sehr eindrücklich sind Todesfälle junger Menschen oder von Kindern. Das sind Momente, die einen an Grenzen bringen. Aber man teilt diese Momente mit anderen. Hier durfte ich mit den Angehörigen die tragende Kraft unseres Glaubens erleben. Prägend waren auch Konflikte, die einen weiterbringen. Oft heißt es ja: "Wir sind doch Christen! Wir haben keine Konflikte und müssen uns doch vertragen!" Doch Christen sind Menschen - und Sünder. Wenn Konflikte in Wahrheit und Liebe angegangen werden, können alle nur gewinnen.

Wollten Sie immer Pfarrer werden oder konnten Sie sich auch etwas anderes vorstellen?

Ich war auf dem Technischen Gymnasium, also war für mich ein Ingenieurberuf durchaus denkbar. Aber ich hatte in der Schule gigantische Nebenfachlehrer. Etwa einen promovierten Deutsch-Lehrer, der uns mit Goethes Faust getriezt hat - mir zur großen Freude. Ausschlaggebend war vor allem, dass ich in einer sehr lebendigen Gemeinde groß geworden bin. Hier bekam ich die Impulse, dass mir der Glaube so wichtig ist, um auch beruflich in diese Richtung zu gehen. Zudem sagten mir viele: "Das könntest Du machen." Es war ja auch die Zeit der Friedensbewegung in den Achtzigern. Dennoch leistete ich ganz bewusst meinen Wehrdienst. Nach meiner behüteten Kindheit war die Sechs-Mann-Stube in der Kaserne eine echte Herausforderung, den Glauben zu leben im Alltag und in einfachen Worten anderen weiterzugeben.

Wurden Ihre Erwartungen an den Beruf des Pfarrers bislang erfüllt?

Man hat ja so seine Vorstellungen, und sicher haben sich nicht alle "Bilder", die man davon hat, erfüllt. Die Gemeinde weiß im Detail eher nicht, was der Pfarrer eigentlich die ganze Woche so treibt. Es war nicht so, dass etwa durchgehend das Telefon oder die Hausklingel läuteten. Dennoch habe ich in Schriesheim eine fordernde Gemeinde erlebt, die mit vielen eigenen Ideen den Pfarrer in Beschlag nimmt.

Wie erleben Sie es, dass immer noch viele Menschen der Kirche den Rücken zukehren?

Der Traditionsabbruch ist nach wie vor gegeben und die Zahl der Kirchenaustritte hoch. Da wird der Wind rauer. Kirchenmitgliedschaft ist für viele eine Kosten-Nutzen-Rechnung wie beim Abo der Fernsehzeitschrift. Das ändert die kirchliche Arbeit. Aber der Anspruch bleibt, Volkskirche zu sein. Einerseits merken wir, dass die Unsicherheit im Umgang mit Kirche größer wird. Andererseits gibt es aber auch ein neues Selbstbewusstsein, wenn man vor allem an die Gestaltung von Hochzeiten, Beerdigungen oder Taufen denkt. Hochzeiten zum Beispiel können schon zum Event werden. Da bin ich selbst voll gefordert. Es soll ja der "schönste Tag" sein.

Aber durch das Begegnungszentrum "mittendrin" wurden doch auch neue Personenkreise angesprochen.

Richtig, da gibt es sicher ein Wachstum. Viele kehren hier ein, und für manche ist es wie ein "erweitertes Wohnzimmer". "Begegnung" gibt es hier im besten Sinne. Und es gibt die "Insider", die die Angebote unserer Gemeinde annehmen. Aber insgesamt bricht eben doch etwas weg.

Auch die großen Sanierungen der Kirchen in Schriesheim und Altenbach haben Sie mit begleitet. Welchen Effekt hatten diese für die Gemeinden?

Für Schriesheim kann ich sagen, dass wir zunehmend neue Gesichter in den Gottesdiensten sehen - auch aus Nachbarorten. Die Mischung wird jünger, auch Familien finden den Weg in die Kirche. Zudem ist die Resonanz auf die "offene Kirche" sehr gut.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit Ihren Kollegen, Pfarrerin Suse Best von der West-Pfarrei und Diakon Klaus Nagel aus Altenbach, erlebt?

Es ist toll, zu dritt zu arbeiten. Diese Zusammenarbeit und den Austausch werde ich sicher vermissen. Es ist ja durchaus ein Luxus, dass es drei Hauptamtliche in einem Ort gibt. In Schriesheim haben wir seit den Sechzigerjahren die Doppelpfarrei. Und das lief nie reibungsfrei. Es war damals ja gewollt, dass die Schriesheimer Pfarrer unterschiedliche Typen sind - theologisch wie charakterlich. Das würde für eine größere Vielfalt sorgen, hieß es. Aber es lief früher eben nicht wirklich gut. Zu Suse Best, die 2007 nach Schriesheim kam, hatte gleich einen guten Draht. Wir sind uns in der gemeinsamen Richtung einig, und dennoch haben wir beide eigene Schwerpunkte.

Und wie lief die Zusammenarbeit mit der "politischen Gemeinde"?

Es war ein gutes Miteinander der kurzen Wege. Man sah sich zwar nicht jede Woche mit dem Bürgermeister, um beim Kaffee im "mittendrin" zu besprechen, was es nun wieder Neues gibt. Dafür hat Bürgermeister Hansjörg Höfer auch im wahrsten Wortsinne genug Baustellen. Aber es hat immer funktioniert. Das gilt auch für das ökumenische Miteinander. Die Zusammenarbeit, zunächst mit Pfarrer Seeger, dann mit Pfarrer Baier, war wirklich super.

Wie wird es nun nach Ihrem Ausscheiden mit der Ost-Gemeinde weitergehen?

Sicher gibt es erst mal eine gewisse Zeit der Vakanz, in der Suse Best und Klaus Nagel die Aufgaben übernehmen. Die Pfarrstelle wird ausgeschrieben, wobei das Anforderungsprofil sicher nicht durchschnittlich ist. Da hat die Gemeinde schon dezidierte Vorstellungen, gerade im Hinblick auf die Konstellation mit den zwei Kernstadtgemeinden sowie Altenbach und Ursenbach. Sicher ist auch, dass die Gemeinde nicht nur abwarten wird, bis sich jemand bewirbt. Sie wird sich selbst umschauen. Das zeigt auch, wie mündig unsere Gemeinde ist. Die Zukunft ist nicht dem Zufall überlassen. Sie liegt in Gottes Hand - und deshalb bin ich zuversichtlich, dass Jesus die Kirche in unserer Stadt weiter begleiten und segnen wird.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung