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06.12.2016

Flurbereinigung in Schriesheim: Winzer brauchen "große Lösung" nicht

Überraschende Aussagen bei Grünen-Vortragsabend zur Flurbereinigung im Mergel - Biologe Wink regt Dialog mit Naturschützern an

Von Carsten Blaue

Schriesheim. Zähe Diskussionen waren zu befürchten. Diskussionen zwischen Winzern, die auch in Zukunft vom Weinbau im Mergel leben wollen, und Naturschützern, denen wichtiger ist, dass Holzbiene, Zaunammer und Ringelnatter in Streuobstwiesen und Trockenmauern ideale Lebensbedingungen behalten. Doch es kam ganz anders. Die Grüne Liste hatte in den "Hirsch" eingeladen, um der Frage nachzugehen, was eine Flurbereinigung im 65 Hektar großen Gebiet zwischen Schriesheim und Dossenheim bringen würde. Referent war der Biologie-Professor Michael Wink, und man ahnte seine Antwort schon vorher: Vor allem Verschlechterungen für den Naturschutz. Die erstaunliche Erkenntnis dieses Abends war daher eine andere. Eigentlich braucht die große Lösung, die das Amt für Flurneuordnung im Mergel vorschlägt, niemand. Nicht mal die Winzer. Sie benötigen vor allem ein gutes, sicheres Wegenetz.

Und anstatt Diskussionen gab es am Ende die Verständigung darauf, dass man sich zusammensetzen sollte, um noch einmal konkreter die Ziele und Wünsche für das Verfahren zu formulieren. Im Dialog, gemeinsam, nicht gegeneinander. Hier bezog Wink selbst die Spaziergängerin ein, die den Kuhberg seit dessen Neuordnung meidet, weil sich auf asphaltierten oder gepflasterten Wegen keine Seele erholen könne. Alle Interessen sollen gewahrt werden. Darauf legte der Referent wert. Überhaupt trug Wink, der auch Sprecher der noch recht jungen AG Naturschutz Dossenheim-Schriesheim ist, mit seiner Empathie auch für die Winzer eine Menge zum Gelingen des Abends bei. Da sprach kein postfaktischer Öko-Hardliner. So hatte selbst Georg Bielig das Gefühl, dass Wink den Weinbauern entgegen gekommen sei.

In seinem Vortrag verwies der Biologe zunächst darauf, dass vielen gar nicht bewusst sei, dass sie sich im Mergel in gleich drei Natur- und Vogelschutzgebieten befinden und dass damit Auflagen verbunden seien, die nicht verhandelbar sind. Wink stellte gefährdete Vögel, Insekten und Reptilien vor, denen man mit einer großen Flurbereinigung die Lebensräume nehmen würde.

Dabei sei es Vorgabe, dass der Naturschutz nach dem Verfahren nicht schlechter gestellt sein dürfe als vorher, erinnerte Grünen-Fraktionschef Christian Wolf eingangs an das sogenannte "Verschlechterungsverbot". Die Grünen verfolgen aber noch mehr, nämlich ein "Verbesserungsgebot": Eine Flurneuordnung müsse dem Naturschutz im Mergel mehr Raum geben als bislang. Wink sieht dafür in der ersten Planung des Amtes für Flurneuordnung aber wenig Chancen.

Diese weise keinen ökologischen Mehrwert aus, nehme der Fauna die Lebensräume, lasse die "Mosaikstruktur" aus Gärten, Reben und Biotopen verschwinden, "und irgendwann kommt die Raupe". Weinberge würden "ratzeputz" planiert - selbst neue, gerade erst für die Maschinenbewirtschaftung angelegte Rebzeilen. Und die Teilnehmer müssten es auch noch bezahlen, obwohl es danach für fünf bis sechs Jahre keine Ernte gebe. Außerdem fehle eine Wirtschaftlichkeitsprüfung, so Wink. Auch die Rentabilität sei nicht gegeben, "aber das können Sie vielleicht besser ausrechnen als ich", sagte er zu den Winzern im Saal. Bei einer großen Flurneuordnung würde es auf jeden Fall mehr Verlierer als Gewinner geben. So sah es auch der Aufsichtsratschef der Winzergenossenschaft (WG), Winfried Krämer: "Die große Lösung bringt mehr Verdruss und kostet viel Geld. Das bringt uns nichts." Man brauche in erster Linie ordentliche Wege. Und selbst für diese müsse man in den wenigsten Fällen Fläche dazuerwerben.

Eine erstaunliche Aussage. War es doch die WG, die nach einem entsprechenden Grundsatzbeschluss des Gemeinderates vom 24. Juni 2015 die Einleitung des Flurneuordnungsverfahrens durch ihren Antrag erst in die Wege geleitet hatte. "Weil immer mehr Grundstücke liegen bleiben", sah sich WG-Geschäftsführer Harald Weiss jetzt zu einer Begründung veranlasst. Es gehe um die Pflege der jahrhundertealten Kultur des Weinbaus und um einen Wirtschaftsfaktor. Aber, so Weiss: "Ein kompletter Kahlschlag würde auch nicht gehen. Wir wollen sicher keine Natur vernichten."

Winzern und Naturschutz müsse man Raum geben, so Wolf. Er wies darauf hin, dass die Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens wohl im Frühjahr oder Sommer nächsten Jahres im Gemeinderat thematisiert werde. Werde das Verfahren erst mal angeordnet, mahnte Wink, seien Veränderungen nur noch im Detail möglich. Bis dahin kann man die Interessen abgleichen. Diese Fragen seien "lösbar", so Wink. Konflikte zeichnen sich vor allem für die Gebiete und Rebzeilen nahe am Wald ab. Hier gebe es viele geschützte Arten, sagte Wink. "Und ich muss da auf zweieinhalb Rädern fahren", gab Bielig zu bedenken. Hier wird man Kompromisse finden müssen. Geht es nach der Stimmung dieses Abends, dann scheinen sie möglich zu sein.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung