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13.01.2004

Riehl: "Hält sich Dr. Kraus vielleicht für Gott?"

RNZ-Jahresinterview mit dem Schriesheimer Bürgermeister über die Kritik aus Altenbach und die Finanzkrise der Stadt

Schriesheims Bürgermeister Peter Riehl im RNZ-Gespräch: "Ich bin der festen Überzeugung, dass wir dem Trend entgegensteuern können."

Von Roland Kern

Schriesheim. Am Neujahrstag ist Schriesheims Bürgermeister Peter Riehl in ein besonderes Dienstjahr gegangen. Am 1. Februar feiert der 61-jährige Rathauschef sein 30-jähriges Amtsjubiläum. Doch über Kritik ist Riehl keineswegs erhaben. Über die Vorwürfe, die kurz vor Weihnachten aus Altenbach kamen, und über die aktuelle kommunalpolitische Lage, führte gestern Lokalredakteur Roland Kern sein Jahresgespräch mit dem Bürgermeister.

Herr Riehl, sie mussten im letzten Jahr aus Richtung Altenbach Kritik einstecken, konnten Sie trotzdem geruhsame Feiertage verbringen, oder hat Ihnen der Hybris-Vorwurf von Herrn Dr. Kraus das Fest verdorben?

Nein, ein Herr Dr. Kraus kann mir das Weihnachtsfest nicht verderben. Ich kann unterscheiden zwischen Kritik der Bürger und Kritik einzelner Ortschaftsräte. Damit kann ich gut leben, weil die Zustimmung der Ersteren wichtiger ist als die Kritik der Letzteren.

Hybris ist laut Duden "frevelhafter Übermut," werden Sie in der gleichen Tonart reagieren?

Wenn man schon die griechische Mythologie bemüht, dann sollte man besser nachdenken über deren Sinn und Wirkung. Wenn Dr. Kraus mich beschuldigt, ich würde mich über die Götter erheben wollen. Dann muss ich fragen: Hält er sich dann etwa für Gott?
Und wie gehen jetzt die nächsten Schritte? Vor allem, wer geht sie?

Der Ortschaftsrat wird noch einmal tagen müssen. Die Verwaltung jedenfalls ihre bisherige Position beibehalten und keine neue Vorlage einbringen. Ich werde für Altenbach weiter arbeiten, so wie ich das seit 30 Jahren mache: anhand der Aufgaben und der Möglichkeiten, die die vorhandenden Mittel vorgeben, und das im Interesse der Bürgerinnen und Bürger (Anm. d. Red.: Zum Altenbacher Etatstreit siehe nebenstehenden Bericht).

Jetzt geht ja die Haushaltsdebatte im Gemeinderat in die entscheidende Phase, wer muss sich den alles auf Kürzungen einstellen?

Den Haushalt 2004 werde ich in der Gemeinderats-Sitzung vom 4. Februar einbringen und dabei meine bisherige Linie vertreten: es wird ein Etat, der die Vereine und die kommunalen Einrichtungen überlebensfähig macht, das heißt mit geringen Einschränkungen. Größere Einschnitte gibt es allerdings bei der Unterhaltung von baulichen Anlagen und bei den Investitionen.

Wenn man nur noch wegnehmen kann und immer weniger gestalten, macht das Bürgermeister-Sein überhaupt noch Spaß?

Die Arbeit macht mir immer noch vollen Spaß, natürlich mit anderer Gewichtung wie noch vor ein paar Jahren. Die Bürger meiner Stadt, inbesondere die Kinder, aber auch die Mitarbeiter meiner Verwaltung, machen dieses Amt noch jeden Tag liebens- und lebenswert. Es kommt jetzt darauf an, das Liebenswerte an dieser Stadt auch in schweren Zeiten gemeinsam mit den Bürgen aufrecht zu erhalten. Das Verzichten können wir gemeinsam lernen, ebenso das eigene Tun einzubringen.

Denken Sie manchmal: Hätte meine Amtszeit doch nur zwei Jahre früher geendet?

Nein, das habe ich noch nie gedacht. Obwohl einem die vereinzelte und unsachliche Kritik von Gemeinderats-Mitgliedern das Aufhören leicht machen kann. Im Sinne des eben Gesagten sind die nächsten zwei Jahre sogar zu kurz.

Hat die Stadt ein Konzept für die Krise, oder können Sie nur reagieren, quasi mit dem Rücken an der Wand?

Der Bürgermeister und die Verwaltung haben sehr wohl ein Konzept, das es nun mit den entscheidenden Gremien durchzusetzen und den Bürgern nahezubringen gilt. Sicherlich müssen wir manchen Menschen einiges wegnehmen, anderes kürzen und gemeinsam auf manches verzichten, ich bin jedoch der festen Überzeugung, dass wir dem Trend entgegensteuern können. Und das wir den Menschen klar machen können: Weniger kann manchmal auch mehr sein.

Kann es denn noch schlimmer kommen?

Ich fürchte ja! Was die Finanzen anbetrifft, bin ich leider sogar davon überzeugt, denn die Vorgaben von Bund und Land lassen noch Schlimmeres befürchten. Da müssen wir Gemeinden bei vielem, was uns lieb und teuer ist, zurückfahren.

Was wünschen Sie sich, kommunalpolitisch gesehen, für das Jahr 2004?

Eine starke Beteiligung an den Gemeinderatswahlen im Juni, bei der sicherlich sehr gute Kandidatinnen und Kandidaten antreten.

Wo erhoffen Sie sich Höhepunkte im Stadtleben?

Ich erhoffe mir die Unterstützung der Vereine auch weiterhin und eine rege Bürgerbeteiligung in allen Bereichen.

Welche Themen würden Sie gerne im Kommunalwahlkampf hören?

Ich würde gerne Konzepte hören, das heißt konkrete Vorstellungen für eine Finanzierung, damit wir die Vorzüge dieser Stadt weiter erhalten können.

Glauben Sie, dass die Parteien und Gruppen im Hinblick auf den Kommunalwahlkampf auf dem rechten Weg sind?

Ja.

Die Zeiten sind schlimm für die Kommunen, haben Sie heute schon Mitleid mit Ihrem Nachfolger?

Nein, gar nicht. Es gibt keinen Grund, mit dem Bürgermeister von Schriesheim Mitleid zu haben. Die Stadt Schriesheim ist auch in schlechten Zeiten eine Stadt, für die es mit großer Freude und Zufriedenheit zu arbeiten gilt.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung