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27.12.2016

Der Schriesheimer Mediziner Georg Eggers hilft seit Jahren auf dem Hospitalschiff "Africa Mercy"

Der Schriesheimer Mediziner Georg Eggers hilft seit Jahren auf dem Hospitalschiff "Africa Mercy"

Er heuert seit Jahren auf der "Africa Mercy" an, um Patienten in Afrika zu helfen - 2016 war Benin das Ziel des Hospitalschiffes

Georg Eggers ist Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg. Der Mediziner praktiziert in Weinheim. Foto: Dorn

Von Stephanie Kuntermann

Schriesheim. Man entflieht der winterlichen Kälte in Richtung Süden: Sonne, Strand und 30 Grad. Nach neun Stunden Flug und zweimal Umsteigen ist man in Cotonou, Hafenstadt und Regierungssitz von Benin. Dorthin fuhr kürzlich Professor Dr. Dr. Georg Eggers und tauchte ein in eine fremde Welt: Wellblechhütten, schlechte Straßen und Armut erwarteten den Schriesheimer Mediziner in der Stadt. Sein Ziel war die "Africa Mercy" - das weltweit größte private Hospitalschiff - auf dem er seit 2010 jedes Jahr zwei Wochen verbringt.

Das 200 Meter lange, strahlend weiße Ungetüm erinnert von außen an ein prächtiges Kreuzfahrtschiff. Innen ist es ein hochmodernes, schwimmendes Krankenhaus mit fünf OP-Sälen, Aufwachraum, Intensivstation, 78 Betten, Küche, Privatzimmern, Werkstatt, Kindergarten und sogar einer Schule. 300 Menschen leben und arbeiten hier, manche monate-, andere jahrelang.

Eggers ist jedes Jahr für 14 Tage da, bekommt kein Geld für seine Arbeit, zahlt für Flug und Unterkunft und behandelt Menschen, die selten oder nie einen Arzt sehen: In Benin kommen vier Mediziner auf 100.000 Einwohner.
Der Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie operierte während seiner Zeit in dem westafrikanischen Land etwa 20 Menschen, viele hatten Kiefertumore. "Die gibt es auch in Deutschland, allerdings nicht in dieser Größe", sagt Eggers. Manchmal so groß wie ein Tennisball, können sie die Luft- oder Speiseröhre verdrängen, dann drohen die Betroffenen zu ersticken oder zu verhungern.

Bei einer 15-Jährigen musste er nicht nur die Geschwulst, sondern auch ein großes Stück des Kieferknochens entfernen. "Das haben wir durch Titanplatten ersetzt", sagt er. Bei der Folge-OP in einem Vierteljahr wird ein Stück Beckenknochen entnommen und eingesetzt: "Das wächst zusammen und ist besser als die Platten, denn die ,schaffen’ sich sonst durch die Haut."

Danach können die Patienten wieder ein normales Leben führen. Und ihre Würde zurückbekommen. Viele Frauen oder Mädchen werden von ihren Männern verlassen, zum Teil aus abergläubischer Furcht, zum Teil, weil diese sich lieber eine gesunde Frau suchen: "Manchmal brechen sie in Tränen aus, wenn ich sie untersuche."

Oft sieht der Arzt auch Krankheitsbilder, die es in Deutschland nicht gibt; bei einer 37-jährigen Frau waren die Gelenke des Unterkiefers, statt beweglich zu bleiben, verknöchert und mit dem Schädel verwachsen. Sie konnte den Mund nicht öffnen und ernährte sich nur durch ein Röhrchen. Eggers schliff den Knochen herunter und führte den Temporalis-Muskel vom Schädel durch den neu geschaffenen Spalt: "Damit er nicht wieder zugeht. Die Patienten müssen lebenslang Übungen machen, um das zu verhindern." Die Operation und die Nachsorge waren eine Tortur: Zwei Tage lang musste der Mund mit einem Gummikeil offen gehalten werden, um alles zu dehnen, doch die Frau machte geduldig mit. Und blickte danach ungläubig in einen Spiegel: "Sie hat stundenlang da gesessen und ihre Zunge betrachtet. Sie hatte sie seit 22 Jahren nicht mehr gesehen." Die "Africa Mercy" macht jedes Jahr an einem anderen Hafen fest, ist in Sierra Leone, Togo oder Madagaskar, und Eggers sagt: "Die Krankheiten und das Elend sind überall gleich." Ebenso der Aberglaube: Ein Mann mit Speicheldrüsentumor hatte sich in die Hände eines Heilers gegeben. Der verbrannte Kräuter über der erkrankten Stelle - zurück blieben Brandwunden.

Nicht allen können die Ärzte helfen. Es kommt vor, dass sie Kranke mit bösartigen Tumoren heimschicken müssen. Als noch bitterer empfindet es der Arzt, wenn keine lebensrettenden Luftröhrenschnitte gemacht werden können: "Aber dort, wo die Menschen leben, gibt es keine Nachsorge für ein Stoma."

Auf die Frage nach seinen Motiven für diesen Einsatz nennt er die gute Zusammenarbeit mit vielen Kollegen aus der ganzen Welt und die Freude über seine Arbeit, die das Leben eines Menschen verändern kann. Eggers empfindet diese Arbeit nicht als Opfer, sondern als zutiefst sinnvoll: "Ich bin gerne da. Und ich war jetzt schon so oft auf dem Schiff, dass es fast ist wie Heimkommen."

Hintergrund:
Hintergrund

> Seit 1978 bringt die Hilfsorganisation Mercy Ships dringend benötigte medizinische Hilfe und langfristige Entwicklungszusammenarbeit in die ärmsten Länder der Erde. Mercy Ships verfügt über das weltweit größte private Hospitalschiff, die Africa Mercy, mit einer ständigen Besatzung von über 400 ehrenamtlichen Mitarbeitern aus nahezu 40 Nationen.

> Mehr als 81.000 Operationen und 377.000 zahnmedizinische Behandlungen wurden bisher durchgeführt. Insgesamt wurden 561 Häfen in 70 Ländern besucht.

> Das Krankenhaus an Bord der Africa Mercy misst rund 1200 Quadratmeter. Es ist unterteilt in die vier Bereiche Material/Dienstleistungen, die fünf Operationsräume, der Intensivpflege sowie die allgemeine Station mit insgesamt 82 Betten.

> Die Kapazität ist ausgelegt auf bis zu 7000 Operationen jährlich. Darunter Kataraktentfernungen/Einsatz von Linsen, Tumorentfernungen, Lippen- und Gaumenspaltenkorrekturen, orthopädische und gynäkologische Eingriffe. Das Krankenhaus verfügt über einen Computertomografen sowie Röntgengeräte, Labor und ein Nikon "Coolscope", mit dem Ferndiagnosen erstellt werden können. sk

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung