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30.12.2016

Schriesheimer Firma bietet künstliche DNA als Diebstahlschutz

Markierte Beute kann zurückverfolgt werden - Effekt auf Einbruchszahlen ist bei der Polizei umstritten

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Tobias Vogel streicht das Wattestäbchen zwei, drei Mal über die Kopfhörerbuchse seines Laptops. Zwei winzige Punkte bleiben in dem durchsichtigen Lack zurück, der ohne Verfärbung innerhalb von Sekunden antrocknet - der Laptop ist diebstahlgeschützt.

So steht es jedenfalls auf dem Aufkleber, den Vogel schon zuvor angebracht hat. Der Lack enthält künstliche DNA (kDNA), die winzigen Punkte sind "Microdots", die mit einem Mikroskop ablesbare Informationen zum Besitzer des Geräts beinhalten. Der Laptop wiederum ist im Internet in einer Datenbank des DNA-Herstellers registriert.

Tobias Vogel ist einer der beiden Geschäftsführer des Schriesheimer Unternehmens "selectaDNA", das dieses Produkt in Deutschland vertreibt. Hergestellt wird die Substanz in Kent, England, verkauft wird sie in 46 Ländern. In Zeiten, in denen Einbrecher und Diebe Hochkonjunktur zu haben scheinen, müsste Vogels Firma eigentlich auch in Deutschland gute Geschäfte machen. Allein während der Weihnachtsfeiertage wurden in Mannheim, Heidelberg und im Rhein-Neckar-Kreis 20 Einbruchsversuche gemeldet.

"Das Problem ist, dass kaum jemand diese Möglichkeit kennt", sagt Vogel. Die Deutschen seien aber auch sehr kritisch. Dabei sei die kDNA ein ausgereiftes Produkt, vergleichsweise kostengünstig und von den Dieben nur durch Beschädigung der Beute entfernbar. Durch den Lack und Microdots könnten die Besitzer von Diebesgut ermittelt werden, sagt Vogel. Zu entdecken ist die Flüssigkeit von der Polizei aber nur mit Hilfe von UV-Licht, identifizierbar dann im rechtsmedizinischen Labor. "Es geht aber primär um Abschreckung", ergänzt Vogel.

Einen ersten großen Boom erfuhr die Technologie im Jahr 2009 in Bremen: Dort setzte die Landespolizei kDNA in einem Pilotprojekt gegen Wohnungseinbrüche ein - zunächst mit Erfolg: Die Zahlen in den betroffenen Gebieten sanken im ersten Jahr des Projekts deutlich. Damit einher ging mediale Aufmerksamkeit, die Bestellzahlen bei Vogels Firma stiegen.

Dass die Zahl der Einbrüche längerfristig zurückgegangen sei, sei aber nicht haltbar, sagt André Schulz, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Er meint: "Das in Bremen war ein Reinfall." Die Politik habe damals Polizeistellen sparen wollen, deswegen rein auf solche Präventionsmaßnahmen gesetzt, "schlimm" sei diese Kombination.

Ein Schlag ins Wasser sei das Projekt daher gewesen, findet Schulz. Die Strategie habe "praktisch nie" funktioniert. Verteufeln wolle er künstliche DNA auf keinen Fall, zusätzlich zu mechanischem Einbruchsschutz wie sicheren Schlössern, Alarmanlagen oder Tresoren könne diese durchaus abschreckend wirken. "Aber es ist definitiv kein neues Wundermittel", lautet Schulz’ Fazit.

Tobias Vogel lässt diese Kritik zum Teil gelten: "Als alleiniges Präventionsmittel würde ich das nie empfehlen." Ein System sei nie perfekt. Zudem sei die Wahrscheinlichkeit, dass gestohlene Gegenstände überhaupt wiedergefunden würden, relativ gering. Aber: "Es kommt vor. Und Einbrecher versuchen immer, Risiken zu vermeiden." Mit dem künstlichen Lack markierte Wertgegenstände stellten ein solches Risiko dar.

Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg ist bei der Bewertung von kDNA zurückhaltend: "Die Gegenstände sind allein durch ihre Kennzeichnung gegen die Wegnahme nicht besonders gesichert", heißt es von der Abteilung Technische Prävention. Eine Empfehlung gibt man nur für mechanischen Einbruchsschutz ab: "Ein effektiver Schutz vor Einbrüchen ist die Absicherung des Eigenheims mit mechanischen einbruchhemmenden Produkten."

Anders ist dies in Bremen und Brandenburg: Die dortigen Landeskriminalämter empfehlen künstliche DNA als Einbruchsschutz. "Das LKA in Baden-Württemberg ziert sich noch", sagt Vogel dazu, man sei mit den verschiedenen Kriminalämtern im Gespräch.

Doch nicht nur Privatleute versuchen, sich mit dieser Technologie vor Einbruch und Diebstahl zu schützen. Auch große Unternehmen wie die Bahn und die Telekom gehören zu den Kunden von selectaDNA. Beide kämpfen damit gegen Metalldiebstahl an ihrer Infrastruktur, vor allem von Kupferkabeln.

Weder die Bahn noch die Telekom waren allerdings bereit, der RNZ Auskunft über ihre Erfahrungen mit künstlicher DNA zu geben. Man wolle sich im Detail nicht weiter äußern, um niemandem Anhaltspunkte für mögliche Straftaten zu geben, so Holger Bajohra, Sprecher der Abteilung Sicherheit bei der Bahn. Künstliche DNA sei nur ein Teil der Strategie gegen Metalldiebstahl. Sie erleichtere aber die Überführung der Täter, heißt es in einer Pressemitteilung vom April 2016. Auch die MVV Umwelt, von Vogel als Referenzkundin angegeben, wollte sich nicht äußern.

Der selectaDNA-Geschäftsführer bewertet sein Produkt durchaus differenziert: "Es ist kein Allheilmittel, sondern eine Ergänzung in der Präventionsstrategie." Zudem sei ein "Home Kit" für 75 Euro, mit dem laut Herstellerangaben bis zu 50 Gegenstände markiert werden können, im Vergleich zu mechanischem Einbruchsschutz günstig.

Schriesheims Bürgermeister Hansjörg Höfer habe er vorgeschlagen, die DNA-Markierung von Wertgegenständen am Schulzentrum in der Weinstadt zu sponsern, erzählt Vogel. Höfer habe dies abgelehnt. Wenige Tage später, am ersten Wochenende der Herbstferien, brachen unbekannte Täter in das Gebäude ein: 1500 Euro in bar wurden dabei gestohlen, technisches Gerät wurde jedoch nicht angerührt.

Ob die Markierung trotzdem als Abschreckung gewirkt hätte?

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung