Schriesheim im Bild 2023

24.01.2004

Von "Gegwellte", "Gebreedlde" und Kraut im Stenner

Georg Döringers Erinnerungen: Die Kartoffel und das Sauerkraut waren auch in den 1920ern Hauptnahrungsmittel - Kreativität beim Kochen

Margarete Döringer war eine von fünf Frauen in Schriesheim, die das Kraut vom Strunk befreiten und einschnitten. Foto: D

Schriesheim. Georg Döringer erinnert in diesem Beitrag an die Frauen, die im Herbst das Kraut einschnitten, an den Anbau von Kartoffeln - und auch heute noch leckere Kartoffelrezepte.

Wenn man Kartoffeln im Keller hatte, die in der früheren Zeit ein Hauptnahrungsmittel waren, konnte man daraus viele Gerichte kochen. Einige will ich aufzählen.

Beispielsweise "Abgsollene Kardoffeln", auch "Gwellkardoffel" oder "Gegwellte" (Pellkartoffel); ebenso wie die "Kardoffelschnitz" (Salzkartoffeln) waren früher ein Essen für die armen Leute. Bei "Abgsollene un Hering" musste ein Hering für eine vielköpfige Familie reichen. Eine andere weitverbreitete Mahlzeit war "Abgsollene un weißer Kees" (Quark). Es gab auch noch "Geröischdene" (Bratkartoffeln). "Gebreedlde", das waren in Würfel geschnittene und bei geschlossener Pfanne in Fett und Wasser gedämpfte Kartoffeln. Als "Saure Kardoffeln", auch "Kardoffelbrieh", waren rohe Kartoffelscheiben bekannt, halbweich gekocht, in einer mit angeröstetem Mehl und Gewürzen zubereiteten braunen Soße gargekocht. "Pejderles-Kardoffel" (Petersilienkartoffeln) waren gekochte Kartoffelscheiben in heller Mehlschwitze unter Beigabe von Petersilie und etwas Rahm. Bei "Maran-Kardoffel" (Majorankartoffeln) wurde anstelle von Petersilie Majoran beigegeben. Rahmkartoffeln: gekochte Kartoffelscheiben in heller Soße, vor dem Anrichten wurde der Soße etwas Rahm untergerührt. "Kardoffelschdobber" auch "Kardoffelschdamber" wurden gekochte Kartoffeln genannt, die nach Milchzusatz mit Mehl verfestigt und mit einem in heiße Butter und gebräuntem Weckmehl getauchten Löffel zu Kardoffelschdobber ausgestochen wurden. Auch "Gediddschde/Gedaddschde Kardoffel", in Fett gebackene Kartoffelschdobberreste, waren beliebt. Für die Küche ungeeignete Kartoffeln wurden bei der Ernte aussortiert und als Schweinefutter ("Soikardoffel") verwendet. Zusätzlich ging man auf die abgeernteten Kartoffeläcker der Bauern und suchte nach in der Erde übersehenen Kartoffeln. Man nannte dies "Kartofflestuppeln". Wenn man da öfter ging, kamen etliche Zentner zusammen.

Um den Acker Ende April zu bestellen, brauchte man einen Bauern, der mit einem Pferd und Pflug den Acker "zaggerte" (umpflügte). Dabei wurden gleich die Kartoffeln gesteckt. Zum Lagern kamen die Kartoffeln, ebenso wie die Rüben für die Schweine und Ziegen, und die Kürbisse, trocken in den Keller. Man konnte nicht jedes Jahr im Acker Kartoffeln stecken, es wurde von Jahr zu Jahr abgewechselt.

Über das Jahr aß man auch viel Sauerkraut. Ende Oktober wurde vom damaligen Bauernkonsum jedes Jahr für Schriesheim ein Eisenbahnwagen Filderkraut bestellt. Jeder konnte dort soviel kaufen, wie er für seinen Bedarf brauchte. Es waren viele, die sich Sauerkraut für die Winterzeit in einen "erdenen Stenner" einmachten. Aber das Kraut musste zum Einmachen erst vom Krautstrunk befreit und mit einem Hobel geschnitten werden. Fünf Frauen standen im Ort dafür mit Krautbohrer und Hobel zur Verfügung: Frau Böckel, Heidelberger Straße. Frau Schmitt, Schmale Seite. Frau Margarete Döringer, Talstraße 24. Frau Weber, Landstraße, und Frau Babette Scheid, Schmale Seite. Es war keine leichte Arbeit, wenn man an einem Tag mehrere Zentner zu schneiden hatte und dazu noch mit dem Hobel von Haus zu Haus ging. Sehr oft musste ich mit meiner Mutter gehen, wenn sie abends noch bei mehreren Familien Kraut einschnitt. Was machten die Frauen in dieser Zeit alles für Arbeiten, um mit dem wenigen Geld, das dafür gezahlt wurde, die Haushaltskasse aufzubessern?

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung