Schriesheim im Bild 2023

27.01.2004

"Isch liebe Schwarzwald-Bier"

Trotz Verspätung: Travestie-Künstlerin begeisterte im Schriesheimer Kakadu

Die New Yorker Travestie-Künstlerin Sherry Vine kam zwar mit deutlicher Verspätung in den Keller der Schriesheimer Kakadu-Longe, dafür begeisterte sie aber mit einer spritzigen Show. Foto: Kreutzer

Von Annette Schröder

Schriesheim. Durch eine winzige Öffnung und über alte Steintreppen kletterten am Samstagabend rund 70 Besucher in den Keller des "Kakadu". Bei anheimelndem Kerzenlicht machte es sich das Publikum am Samstagabend bequem. Und das war auch nötig, denn die Travestiekünstlerin Sherry Vine ließ, ganz Diva, ihre Fans volle anderthalb Stunden auf sich warten.

Das führte sogar dazu, dass der plötzlich auftauchende Hund des Inhabers Udo Rauh spontanen Szenenapplaus erntete. Während die einen immer unruhiger wurden, versuchten die anderen durch anfeuerndes Klatschen die New Yorker Künstlerin aus der Garderobe zu locken. Doch vergebens. Ein aufatmendes Raunen kam auf, als Rauh gegen 22 Uhr verkündete: "Sie muss nur noch einen Fingernagel ankleben."

Aber das Warten hatte sich gelohnt. In einem eng anliegenden Glitzerkleid schwebte Vine die Treppe hinunter und verzauberte das Publikum sofort mit Charme und Temperament. Auch wenn Englischkenntnisse gefragt waren, da die Künstlerin nur gebrochen Deutsch sprach, klappte die Verständigung sehr gut. Außerdem blieb sowieso so manchem die Sprache weg, wenn Vine ihre volle Stimmgewalt zeigte. Besonders gut lagen ihr die Broadway-Stücke, die sie zum Besten gab.

Doch das "Goldlöckchen" glänzte in jeglicher Hinsicht, sowohl bei Balladen als auch bei rockigeren Stücken. Als sie den Klassiker und ihr persönliches Lieblingslied "Son of a preacher man" von Dusty Springfield sang, war die Stimmung auf dem Höhepunkt, und es gab kaum einen, der nicht mitsummte oder zumindest mit dem Fuß wippte. Zwischendurch trank Vine abwechselnd Cognac, den sie als "Apfelsaft" bezeichnete, und Bier, dem sie den Namen "Grünes Wasser" gab. Spätestens, als die Künstlerin sagte - "Isch liebe Schwarzwald-Bier, isch liebe Schriesheim" - hatte sie nahezu alle Sympathien auf ihrer Seite.

Kokett nahm sie das Publikum mit ihren Witzen für sich ein. Ihren Allerwertesten verglich sie mit einer Zwiebel, da alle immer weinen müssten, wenn sie ihn sehen. Das Gelächter war groß. Auch wenn sie die Zuschauer direkt ansprach, blieb kein Auge trocken. Allein ein mitleidiger Blick, den sie einem Psychologie-Studenten zuwarf, reichte aus, um Begeisterungsstürme auszulösen.

Doch die Diva zeigte noch eine ganz andere Seite. Sie war nämlich nicht nur in die Region gekommen, um den Schriesheimern zu beweisen, wie gut sie singen kann, sondern auch, um ihre Schwiegereltern aus Heidelberg kennen zu lernen. Nebst ihrem Freund war dessen ganze Familie im "Kakadu" anwesend. Vielleicht gerade deshalb bewies sie sehr viel Gefühl und Herz. Vine widmete ein Lied von Jon Bon Jovi der Schwester ihres Partners und einen Titel von Frank Sinatra seinen Eltern. Eine Liebeserklärung an ihren Freund und die Ballade "Dream a little dream" bildeten den Höhepunkt ihres emotionalen Exkurses.

Damit und mit drei Zugaben hatte sie sich den tobenden Applaus und die johlenden Zuschauer wohl verdient. Auch Rauh konnte strahlen: "Ich habe am Anfang nicht gedacht, dass ich mir das finanziell leisten kann. Aber meine Freundin, Daniela Rölke, ist mit dem Freund von Sherry gut bekannt, deshalb gab es einen Freundschaftspreis."

Dass die erst 22-jährige Künstlerin, mit bürgerlichem Namen Keith Levy, wirklich Spaß mit den Schriesheimern hatte, konnte man sehen: "Ich bin gerne hierher gekommen. Ein kleines Publikum ist viel enthusiastischer als ein großes. Außerdem mag ich Heidelberg. Alles ist so schön alt." Und eins ließ sie sich nicht nehmen: Sie verabschiedete jeden Besucher persönlich und versprach, vermutlich schon an Ostern wieder die Region zu besuchen.

Wer sich nun über die Künstlerin informieren will, findet sie im Internet unter www.sherryvine.com. Weitere Infos über die Veranstaltungen im "Kakadu" gibt es auf der Homepage der Lounge: www.cafekakadu.de

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung