Schriesheim im Bild 2023

05.02.2004

"Noch nie so unwohl gefühlt"

Bürgermeister Riehl nutzte die Etateinbringung zur politischen Abrechnung mit Teilen des Gemeinderates

Schriesheim. (ron) Mit Sorgenfalten auf der Stirn hat Schriesheims Bürgermeister Peter Riehl gestern Abend im Gemeinderat den wohl schwierigsten Etat seiner Laufbahn eingebracht. Vehement appellierte er dabei an den Sparwillen des Gremiums, das nun in die Etatberatungen einsteigt. Er nutzte die Gelegenheit aber auch zur heftigen Kritik an Teilen des Gemeinderates.

Die Vorstellung des Zahlenwerks durch den Rathauschef war von Pessimismus geprägt. In den 41 Jahren seiner Verwaltungstätigkeit und 30 Jahren seiner Bürgermeistertätigkeit in Schriesheim, so Riehl, habe er sich "noch nie so unwohl gefühlt". Denn das "Gefühl der gemeinsamen Sorge von Bund, Land und Kommunen ist abhanden gekommen". Vielmehr müssten sich die Städte und Gemeinden vorkommen wie "verraten und verkauft". Riehl: "Das ist ein klares Versagen der über uns liegenden Politik."

Riehl forderte die gerechtere Verteilung der öffentlichen Einnahmen, denn das Recht der Gemeinde auf eine eigene Finanzierungsmöglichkeit sei längst nicht mehr gegeben. Und sein frustriertes Fazit: "Der Bürgermeister und der Gemeinderat sind dabei machtlos." Riehl bezeichnete den Etat als "Haushalt mit politischen Aussagen", weil die Stadt die "Misere nicht auf die Vereine und die ihr wichtigen Einrichtungen ausdehnt". Wie im Vorfeld ausführlich berichtet (s. RNZ v. 30. Januar), bleiben Vereine, VHS, Stadtbibliothek und Musikschule von Einsparungen verschont. Dafür spart die Stadt drastisch bei der Unterhaltung der städtischen Gebäude , Straßen und Anlagen. "Das Geld, das wir haben, ist nur für Notfälle gedacht", erklärte Riehl ebenso wie zuvor sein Kämmerer Volker Arras.

"Weniger Geld, mehr Bürgersinn"
Der Bürgermeister appellierte dabei an den Sparwillen des Gemeinderats und warnte: "Es kann nicht sein, dass der Gemeinderat im beginnenden Wahlkampf mit Versprechungen Pluspunkte holen will, denn es kann keine Prioritäten geben." Für die Zukunft kündigte Riehl "ein Zurückschrauben der Ansprüche" an, das freilich nicht kurzfristig durchzusetzen sei. Riehls Hoffnung mündete in dem Schlusssatz: "Vielleicht schaffen wir es, mit weniger Geld, wieder mehr Bürgersinn und Gemeinsamkeit zu bilden."

Über das Thema "Neubaugebiet Nord" kam Riehl im Zuge der Etateinbringung dann zur politischen Abrechnung mit Teilen des Gemeinderates, vor allem mit den Grünen und der FDP, die sich auch in jüngster Zeit immer wieder kritisch über das Gebiet geäußert hatten. "Es gibt Gemeinderäte, die verstehen einfach nicht, worum es geht", schimpfte Riehl. Das Baugebiet stelle zwar auch ein Risiko dar, das er zu vertreten bereit sei, aber auch eine große Chance: "Brot und Arbeit in unsere Stadt zu bringen." Überhaupt müsse die kommunalpolitische Debatte mehr nach vorne weisen. "Hören Sie doch auf mit dem ständigen Nachkarten", forderte Riehl und sprach damit die Stadträte der Grüen an, die der Verwaltung ungeschicktes Finanzgebaren beim Mietkauf des VHS-Hauses vorgeworfen hatten.

Aus alten Sitzungsprotokollen konnte er aber nachweisen, dass die Grünen seinerzeit selbst für das Mietkaufmodell gestimmt hatte. Außerdem seien durch das Verfahren der Stadt nur Vorteile entstanden, betonte Riehl. Heftig wies er den Grünen-Vorwurf zurück, Schiesheims Finanzkrise sei hausgemacht. Sichtlich in Rage kritisierte der Bürgermeister dann "eine Talkshowpolitik wie in Berlin". Manchmal habe er den Eindruck, es sei wichtiger, vor der Sitzung in der Zeitung zu stehen als in der Gemeinderatssitzung zu argumentieren.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung