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22.08.2017

Anekdoten zu einem ungewöhnlichen Hobby

Katharina Müller ist in Schriesheim und Umgebung als Organistin aktiv - In einem Buch hat sie zehn Geschichten zur Orgel gesammelt

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Die Evangelische Kirche ist leer am Montagnachmittag, nur eine Frau sitzt auf ihrer Holzbank auf der Empore. Doch mit dem riesigen Instrument vor ihr erfüllt Katharina Müller das gesamte Bauwerk mit den Klängen des Festmarschs von Johannes Weyhmann. "Diese Orgel hat wirklich alles", sagt die Schriesheimerin mit einem Lächeln, als sie ihre Übungsstunde für eine Hochzeit am Wochenende unterbricht. Müller ist begeistert von ihrem Hobby, sogar so begeistert, dass sie ihre Erlebnisse dabei in einem Buch veröffentlicht hat: "Orgelgeschichten" heißt das kleine Werk mit zehn Anekdoten rund um die "Königin der Instrumente".

Dabei war Müller zu Beginn als 16-Jährige noch alles andere als angetan von ihrem Orgelunterricht: Nach wenigen Stunden schon wechselte sie die Lehrerin. Der Grund: Nach Ansicht ihrer Mentorin übte sie zu wenig. Bei Antje Glöckner fühlte sich die heute 35-Jährige dann aber wohl, erhielt drei Jahre lang Unterricht bei ihr im ostwestfälischen Barntrup. "Ich war immer der Überzeugung, dass es nicht unbedingt darauf ankommt, wie viel man übt, sondern welche Motivation man hat", sagt Glöckner.

Das Buch ihrer ehemaligen Schülerin hat sie bereits bei sich zu Hause liegen, bisher aber nur überflogen. Sie sei stolz auf Müller, sagt die Organistin. "Ich wollte die Harmonien lehren, statt meinen Schülern einfach einen vierstimmigen Choralsatz hinzustellen", erläutert Glöckner, "Kathi zeigt, dass es funktioniert hat."

Denn Müller konnte schon als Jugendliche Gottesdienste begleiten, war in den umliegenden Kirchengemeinden so gefragt, dass sie regelmäßig sonntagmorgens in bis zu acht verschiedenen Ortschaften im Einsatz war. "Das Programm war schon ganz schön knackig", sagt sie. Für ihre ehemalige Lehrerin ist das aber der vielleicht größte Vorteil an dem ungewöhnlichen Hobby: "Die Leute in den Kirchen sind begeistert, wenn jemand Junges Orgel spielt", sagt Glöckner, "und wenn man zum Beispiel neben dem Studium damit etwas Geld verdienen will, ist das ebenfalls super geeignet."

Doch für Müller ist das Orgelspielen weit mehr als nur ein Zubrot: Sie bleibt dem Instrument auch während ihres Studiums in Marburg und Erfurt treu, fährt dort mit dem Motorrad zu den Kirchen der umliegenden Dörfer. Erfurt wird auch der Schauplatz einer schmerzhaften Episode aus ihrem Buch: "Dort habe ich mir beim Spielen einen Holzsplitter unter den Fingernagel gejagt", erzählt Müller, "und musste dann zum Chirurgen, um ihn wieder herausschneiden zu lassen".

Die restlichen Anekdoten spielen in Ostwestfalen-Lippe und Marburg, aber auch in Heidelberg und Umgebung: Hier ist Müller momentan im Schriesheimer Altenheim "Haus Stammberg", in der Evangelischen Stadtkirche in Ladenburg sowie im Weinheimer Ortsteil Heiligkreuz an den verschiedenen Orgeln aktiv. Insgesamt habe sie bisher an bis zu 40 unterschiedlichen Instrumenten gespielt, erzählt sie. Ein weiterer Grund, weshalb sie ihr Hobby auch als Kommunikationsleiterin beim Verein "Anpfiff ins Leben" nicht aufgegeben hat.

"Es gibt einfach eine riesige Vielfalt", sagt auch Müllers ehemalige Lehrerin Antje Glöckner, "wenn man Glück hat, kriegt man auch mal die Gelegenheit, den Kölner Dom zum Klingen zu bringen oder in Passau auf der größten Orgel der Welt zu spielen". Müller selbst ist mit dem kürzlich restaurierten Instrument in der Evangelischen Kirche in Schriesheim schon hoch zufrieden: "Das Klangvolumen ist enorm."

Eigentlich, sagt Müller, hätte sie noch viel mehr Geschichten zu erzählen, als in ihrem Buch enthalten sind. Aber die bleiben einem möglichen zweiten Band vorbehalten. Jetzt ist sie erst einmal stolz darauf, ihr Werk gedruckt in den Händen zu halten: Fünf Jahre hat der Entstehungsprozess gedauert, im Selbstverlag beim Online-Dienstleister "Books on Demand" hat Müller das Werk veröffentlicht. "Wenn jemand das Buch dort kauft, wird es praktisch direkt für ihn gedruckt", sagt sie.

210 Exemplare hat sie selbst bestellt, zum Teil an Freunde und Familie verteilt. "Erster Leser war Wolfram, mein Verlobter", sagt sie und lacht. Auch ihre zukünftige Schwiegermutter sei begeistert gewesen. "Ich will mit dem Buch mein Hobby einfach etwas zugänglicher machen", sagt Müller. Selbst spielen wird sie auch weiterhin. Und wenige Minuten später erfüllt Weyhmanns Festmarsch wieder die leere Kirche.

Info: Zu kaufen gibt es die "Orgelgeschichten" von Katharina C. Müller auf Bestellung in Buchläden, im Begegnungszentrum "mittendrin" für 6,80 Euro oder als E-Book bei Amazon, dem Apple iBooks Store und Google Play für 4,99 Euro.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung