Schriesheim im Bild 2023

13.02.2004

Zur Erinnerung kommt die Begegnung

Schriesheimer Schüler enthüllten gestern auf dem Jüdischen Friedhof im Beisein von Margot Fuld einen Gedenkstein

Von Roland Kern

Schriesheim. Margot Fuld suchte nach Worten. "Ich bin sehr dankbar", so kam es leise über die Lippen der alten Dame. Verlegen schlug sie die Augen nieder und strich mit der Hand über den Arm ihrer guten alten Freundin Gretel Metz. "So viel Aufwand wegen mir?", wunderte sich die 74-jährige Jüdin, die als Kind mit ihrer Familie von den Nazis aus Schriesheim vertrieben worden ist. Und Tränen traten ihr in die Augen.

Margot Fuld, die seit dem Wochenende auf private Einladung der Schriesheimer Familie Metz mit ihren beiden Enkelkindern ihre alte Heimat besucht, war gestern auf dem Jüdischen Friedhof Ehrengast einer besonderen Veranstaltung: Schüler des Kurpfalz-Gymnasiums enthüllten feierlich einen Gedenkstein, der den aus Baden vertriebenen Juden gewidmet ist. Am 22. Oktober 1940 wurden 5600 Jüdinnen und Juden aus 137 Orten Badens in das südfranzösische Lager Gurs deportiert. Auch Margot Fulds Großeltern Mina und Julius Fuld gehörten dazu, ebenso Ludwig Oppenheimer, dem wegen einer Behinderung die Ausreise in die USA verwehrt wurde.

Diesen drei aus Schriesheim stammenden Juden gedachten zahlreiche Schülerinnen und Schüler, sowie Vertreter der Kirchen, der Stadt und geschichtsbewusste Menschen gestern am neu erschaffenen Denkmal. Unter den Gästen waren natürlich auch die Organisatoren des offiziellen jüdischen Besuchs im letzten Mai. Den Sandstein aus dem Dossenheimer Steinbruch haben Schüler eines Kunstgrundkurses ein knappes halbes Jahr bearbeitet und dabei das erste Mahnmal geschaffen, das einmal Teil einer zentralen badischen Gedenkstätte werden soll (s. Bericht auf "Rhein-Neckar-Main").

Margot Fuld nahm bewegt Anteil an der Zeremonie und der feierlichen Enthüllung, die von den Schülern mit einem angemessenen Kulturprogramm begleitet wurde. "Es ist ein glückliches Zusammentreffen", freute sich die das Projekt betreuende Reliogionslehrerin Hildegard Maier-Ehrke, "dass wir mit dem Erinnern heute wirklich das Begegnen verbinden können".

Die Lehrerin: "Möge uns die Erinnerung dazu ermutigen, sensibel im Umgang miteinander zu zu leben, anderen zu ihrem Recht zu verhelfen, für Gerechtigkeit und Frieden einzutreten." Und ihre Kollegen, die Kunstlehrerin Heide Lautenschläger , wünschte sich: "Möge der Gedenkstein uns eine Botschaft sein für Toleranz und friedvolles Zusammenleben der Menschen." Als Zeichen der Versöhnung überreichte Hildegard Maier-Ehrke Margot Fuld einen Blumenstrauß.

Daniel Rupp aus dem Grundkurs beschrieb das Entstehen des Denkmals, an dem 18 Schülerinnen und Schüler gearbeitet haben. Eine Musikgruppe des Gymnasiums unterstützte Jennifer Smith bei jüdischen Liedern, Sabrina Koßmann las ein Gedicht von Liebe und Versöhnung. Schon im Mai hatten sich die Schulen ebenso herzlich wie gefühlvoll ins Besuchsprogramm der ehemaligen Schriesheimer Juden eingebracht.

Am Vortag hatte sich Margot Fuld im Rathaus ins Goldene Buch der Stadt eingetragen. In den nächsten Tagen stehen zahlreiche Besuche von alten Freunden auf dem Tagesprogramm der alten Dame. Unter anderem wird es ein Jahrgangstreffen geben und eine Veranstaltung des Gesangvereins Liederkranz, in dem Julius Fuld (ihr Vater) vor seiner Vertreibung ehrenamtliche Führungsfunktionen eingenommen hatte.

INFO: Ab heute sind Schautafeln zum Mahnmal-Projekt im Schriesheimer Rathaus-Foyer aufgestellt, Infos auch unter der Internet-Adresse www.mahnmal-projekt.de

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung