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04.12.2017

Schriesheimer Jahrbuch: 834 Seiten geballte Stadtgeschichte

Schriesheimer Jahrbuch: 834 Seiten geballte Stadtgeschichte

Jahrbuch 2017 sowie Band zwei und drei des Reformierten Kirchenbuchs wurden gestern im Rathaus vorgestellt

Teile des großen Publikumsandrangs gingen wohl auch auf den Auftritt der Musikschulgruppe "Irish Tunes" zurück, die die Feier musikalisch umrahmte. Fotos: Dorn
Im Beisein von Bürgermeister Hansjörg Höfer (stehend, links) stellten die Autoren das Jahrbuch 2017 sowie Band zwei und drei des Reformierten Kirchenbuchs im Rathaus vor.

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Aus alten Dokumenten wurden unterhaltsame Geschichten: wie die Freiwillige Feuerwehr sich in den 30er Jahren mit dem Bürgermeister stritt, ein Forstmeister bei der Abholzung des Waldes im 17. Jahrhundert erstmals auf Nachhaltigkeit setzte oder ein erblindender Lehrer für Ursenbachs Kinder zur prägenden Figur wurde. All das findet sich im aktuellen Schriesheimer Jahrbuch, das gestern mit Band zwei und drei des Reformierten Kirchenbuchs von Mitwirkenden und Herausgebern im Großen Ratssaal des Rathauses vorgestellt wurde.

Das Interesse an der Veranstaltung war groß, die Verwaltungsmitarbeiter mussten zusätzliche Stühle aufstellen. Viele Gäste waren auch gekommen, um den Auftritt der Musikschul-Gruppe "Irish Tunes" unter der Leitung von Sylvia Hoyer-Schotsch mitzuerleben. Die acht Musiker an Harfen, Flöte und Gitarren umrahmten die Vorstellung der beiden Bücher mit keltischen Stücken.

Den inhaltlichen Anfang machte Historiker Gerhard Merkel mit der Vorstellung des Reformierten Kirchenbuches. Eine trockene und zum Teil schwer verständliche Auflistung von Hochzeiten, Konfirmationen und Todesfällen, die dennoch dramatische wie kuriose Geschichten birgt - zum Beispiel die des Besitzers einer Pulvermühle auf der Höhe des heutigen Ostportals des Branichtunnels: Er lagerte Schwarzpulver zu nah am Feuer, woraufhin das gesamte Gebäude durch eine große Explosion dem Erdboden gleichgemacht wurde.

Auch der Zentgraf Maurer spielte im 18. Jahrhundert eine unrühmliche Rolle: Er nahm uneheliche Kinder ihren Eltern weg und steckte sie ins Nonnenkloster, um sie zu "zwangskatholisieren", so Merkel: "Es ist eine Krimigeschichte, könnte man sagen." Die findet der ungeübte Leser auf den 626 Seiten aber nur mit viel Geduld - und versteht sie wohl nur mit dem Glossar.

Leichter zu lesen ist dagegen Merkels eigenes Kapitel zum Bau der reformierten, heutigen evangelischen Stadtkirche im Jahr 1748. Ebenfalls im 18. Jahrhundert setzen die Beiträge im 208 Seiten starken Jahrbuch 2017 ein: Stadtarchivar Dirk Hecht beschreibt, wie nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen und des Pfälzischen Erbfolgekrieges das Holz für den Wiederaufbau knapp wurde. Der städtische Forstmeister sah sich letztlich dazu gezwungen, nur so viele Bäume fällen zu lassen wie auch gepflanzt wurden.

Mit der Natur befasst sich auch Gerhard Merkel in seinem Beitrag zu "Weinbau-Pionier" Johann Philipp Bronner, der Anfang des 19. Jahrhunderts Madonnenberg und Schlossberg ausführlich beschrieb. Etwas später setzt Yannic Meisners Bachelor-Arbeit zu den Auswirkungen der "Nebenbahn Heidelberg-Weinheim" auf Schriesheim ein. Ende des 19. Jahrhunderts revolutionierte die Zugverbindung das Leben der Bevölkerung und die Form des Handels an der Bergstraße. "Eine unterhaltsame, inspirierende Arbeit", so Hecht.

Durch Georg Döringers Beitrag zu seiner Familiengeschichte und dem damit verknüpften Schicksal des Röschbacher Hofs bei Altenbach kommt im diesjährigen Jahrbuch auch wieder ein Kapitel aus einem der Ortsteile. "Wir suchen da händeringend nach Autoren", warb Hecht. Thomas Weber und Erika Haas beleuchten im vierten Teil ihrer Feuerwehr-Protokolle den Übergang zwischen Weimarer Republik und der NS-Herrschaft: Zu dieser Zeit gab es einen "Riesenkrach" zwischen Bürgermeister und Zweitem Kommandanten. Als 1933 ein Nazi Bürgermeister wurde, änderte sich das: Auf einmal wurde viel Geld für die Feuerwehrausrüstung freigegeben: "Das war bei den Nationalsozialisten natürlich Kalkül."

Abgerundet wird das Jahrbuch durch Kapitel zur Feldpolizei im Wandel der Zeit von Lukas Schmidt, den Abdruck zweier Kapitel des Büchleins "Mein Dorf zwischen den Wäldern - Blind geworden und Lehrer geblieben" des Ursenbacher Lehrers Walter Haebler und die Geschichte der Feierlichkeiten zum 1. Mai in Schriesheim von Frieder Menges.

Aus diesem Grund waren gestern auch SPD-Landtagsabgeordneter Gerhard Kleinböck und sein Kollege aus dem Bundestag, Lothar Binding, anwesend. Letzterem gab Bürgermeister Hansjörg Höfer noch mit auf den Weg: "Wir würden es begrüßen, wenn wir nächstes Jahr keine Wahl durchführen müssten." Worauf der leise antwortete: "Ich auch."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung