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08.01.2018

Schriesheim: "Das Gewerbegebiet ist nicht sehr attraktiv"

Schriesheim: "Das Gewerbegebiet ist nicht sehr attraktiv"

FDP-Einzelstadtrat Wolfgang Renkenberger erklärt im Jahresgespräch, warum er gegen eine Gewerbesteuer-Erhöhung gestimmt hat

Wolfgang Renkenberger (FDP) freut sich schon auf die weitere Arbeit im Gemeinderat: "Es gab jetzt schon seit Längerem keine Grabenkämpfe mehr", sagt er, "das macht so auch mehr Spaß." Foto: Dorn

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Als Wolfgang Renkenberger (FDP) am 22. November 2017 den Großen Saal des Rathauses betrat, wusste er beim umstrittensten Tagesordnungspunkt noch nicht, wie er sich entscheiden würde. Wann ihm Festlegungen "aus ideologischen Gründen" leichtfallen, wo er zuerst schnelle Internetverbindungen sehen will und wie er den Hortneubau bewertet, erklärt er im Jahresgespräch.

Herr Renkenberger, Steuererhöhungen, Kostenexplosion beim Hort, neue Schulden für die Stadt - wie sehr blutet Ihnen als FDP-Stadtrat beim Gedanken an 2017 das Herz?
Gerade bei diesen drei Fällen kann man schön differenzieren: Bei den Steuern habe ich es mir nicht leicht gemacht, dafür habe ich zusammen mit den Freien Wählern auch einen Rüffel gekriegt. Die Grundsteuer habe ich akzeptiert, weil die Kämmerei vorgerechnet hat, dass das tolerierbar ist. Bei der Gewerbesteuer habe ich mich schwerer getan. Die kleinen Selbstständigen spüren jeden Euro. Deswegen bin ich nicht mitgegangen, obwohl ich weiß, dass wir das Geld brauchen. Ich war mir bis zum Beginn der Sitzung nicht sicher, was ich machen soll.

Es klang damals ja auch noch so, als habe noch auf der Klausurtagung Konsens über die Steuererhöhung geherrscht.
Irgendeiner muss sich auch für die kleinen Ladenbesitzer einsetzen, die von der Hand in den Mund leben.

Hätten Sie genau so abgestimmt, wenn die Mehrheit fraglich gewesen wäre?
Ja, die Entscheidung war gefallen.

Damit verbunden wurde diskutiert, ob Schriesheim für Unternehmen attraktiv genug ist. Wie sehen Sie das?
Ich denke, es könnte attraktiver sein. Das Gewerbegebiet ist nicht sehr attraktiv, das hängt vor allem mit der Verkehrssituation zusammen. Aber auch in der Kernstadt sind immer wieder Schaufenster zugeklebt, obwohl das gerade etwas besser wird. Die Leute scheinen sich aber nicht gerade darum zu reißen, hier ein Gewerbe eröffnen zu dürfen.

Was könnte man verändern?
Das ist eine gute Frage. Am Gewerbegebiet nicht viel. Was die Innenstadt angeht, haben wir mal ein Leerstandsmanagement durch die Wirtschaftsförderung der Stadt angeregt. Dann würde die Stadt selbst als Makler eingreifen. Aber eine Erhöhung der Gewerbesteuer könnte man sich auch verkneifen.

Sind Sie denn mit der Wirtschaftsförderung der Stadt zufrieden?
Da gibt es Grenzen, wie viel man tatsächlich machen kann. Ich glaube, Herr Filsinger tut, was er kann. Es ist nur schon länger her, dass wir mit ihm Gespräche über Konzepte geführt haben. Und er bekommt von der Stadt auch andere Aufgaben zugeteilt, die er erledigen muss. Ich bin aber froh, dass wir ihn haben.

Die Freien Wähler haben eine Erweiterung des Gewerbegebiets ins Spiel gebracht. Sehen Sie dafür Chancen?
Ich weiß nicht, wohin es erweitert werden soll. Außerdem gibt es im bestehenden Gewerbegebiet Flächen, die nicht genutzt werden. Ein großes Problem ist dabei der Duscholux-Komplex, da findet sich niemand, der das mit Leben füllt. Darum müssten sich Bürgermeister und Wirtschaftsförderer vielleicht mehr kümmern.

Wie wichtig ist das schnelle Internet als Standortfaktor?
Sehr wichtig. Es gibt immer mehr Selbstständige, die von Zuhause aus arbeiten - oder Angestellte mit "Home Office". Es geht ja nicht darum, dass die Leute nach Feierabend mehr surfen können. Es wäre gut, wenn wir möglichst bald in den Ortsteilen schnelles Internet hätten.

Haben die Ortsteile für Sie eine höhere Priorität als das Gewerbegebiet?
Das Gewerbegebiet hat schon Priorität. Die Ortsteile sind zwar sowieso schon ein bisschen von der gesamten Infrastruktur abgehängt, sie wären für mich aber trotzdem Priorität Nummer zwei.

Die Stadt plant im Moment umgekehrt.
Ja, das ist auch einer gewissen Pragmatik geschuldet. Wenn man Straßen aufreißt, verlegt man die Leitungen meistens gleich mit.

Kommen wir zum zweiten Punkt der Eingangsfrage, dem Hort-Neubau.
Da waren wir alle geschockt, wobei uns die Stadtbaumeister - es waren ja mehrere - nicht aus Spaß erschreckt haben. Das ist einfach dumm gelaufen. Man hat die Probleme, wegen derer die Kosten explodiert sind, erst im Nachhinein festgestellt. Da konnte man nichts mehr tun.

Ist es dann nicht noch schwerer, Steuererhöhungen zu rechtfertigen?
Natürlich. Die Bürger haben dafür wenig Verständnis, wir als Stadträte ja auch nicht. Vom müden Lächeln bis zum Vorwurf, versagt zu haben, kam da alles. Aber mehr als erklären, warum das passiert ist, kann man leider nicht. Das ist schon ganz schwer vermittelbar, ähnlich wie die Sanierung des Schulzentrums.

Dafür hat der Bürgermeister zwölf Millionen Euro in den nächsten vier Jahren zugesagt. Kann das Gebäude damit tatsächlich fit für die Zukunft gemacht werden?
Ja, ich denke schon. Wir müssen mit dieser Summe die wichtigsten Probleme beheben. Jetzt müssen wir das Beste draus machen.

Vor einem Jahr wollten Sie den Schulbauprozess noch nicht für tot erklären. Würden Sie das jetzt für die "große Lösung" tun?
Ja, die große Lösung ist tot. Das war eigentlich schon vor einem Jahr sehr, sehr wahrscheinlich. Die Verwaltung hat da noch ein paar Entwicklungen abgewartet, aber im Grunde war dem Rat klar, dass nach der Stufe null nichts mehr kommt.

Große Investitionen stehen auch in der Talstraße an. Vor einem Jahr hatten Sie angemahnt, sich bei Wünschen zur Umgestaltung zurückzuhalten. Fühlen Sie sich bestätigt?
Dazu kann ich dieses Jahr dasselbe sagen wie letztes Jahr. Wir sind jetzt schon finanziell am Anschlag, auch mit den Steuererhöhungen ist die Planung mit den Pflichtaufgaben knapp gerechnet. Die Talstraße werden wir sanieren müssen, das ist eine Buckelpiste. Aber Möglichkeiten zur Verschönerung sehe ich da nicht.

Wurden da die städtebaulichen Möglichkeiten durch den Branichtunnel überschätzt?
Wir haben ja gehofft, dass das Land uns dabei hilft. Aber eine Gehwegverbreiterung habe ich unabhängig davon nie als möglich angesehen. Eine Verkehrsberuhigung ginge, das sollte man auch ins Auge fassen. Es gibt da auch andere Möglichkeiten als Blitzer, zum Beispiel Geschwindigkeitsanzeigen.

Mit den Investitionen in Talstraße, Kindergärten und Schulzentrum kommen wir zum dritten Teil der Eingangsfrage: Wie sehen Sie die Ankündigung, dass die Schulden der Stadt in den nächsten Jahren steigen werden?
Sie steigen nach den Berechnungen der Kämmerei moderat. Wir arbeiten damit auch nur Pflichtaufgaben ab. Bund und Land, die uns diese Pflichten auferlegen, lassen uns im Regen stehen. Mein Lieblingsbeispiel ist die Kinderbetreuung: Die Personalkosten explodieren, die gesetzlichen Vorgaben werden immer strenger, und dann wird es teurer. Man könnte an beiden Stellschrauben drehen, aber das können wir als Kommune nicht. Wir müssen das zahlen, wenn wir für junge Familien attraktiv sein wollen. Ich kann nicht gegen den Haushalt stimmen, weil ich die Verschuldung nicht will - ich habe ja selbst keine Idee, wie man sonst die Pflichtaufgaben finanzieren soll.

Immerhin hat Schriesheim jetzt schon die neunthöchste Pro-Kopf-Verschuldung im Kreis.
Danach habe ich jahrelang als Einziger immer wieder gefragt, weil das als Laie gut verständlich ist. Aber die Klausurtagung hat uns eben auch einen Überblick darüber gegeben, welche Aufgaben wir erfüllen müssen. Daran können wir nichts ändern.

Dazu gehört die Sanierung der Feuerwehrhäuser nicht zwingend. Muss das hinten angestellt werden?
Wir wollen da schon seit Jahren etwas machen, jetzt warten wir erst einmal den Bedarfsplan ab. Dann wissen wir, was notwendig ist. Was aber wohl nicht kommen wird, ist ein neues Feuerwehrhaus. Das ist relativ sicher. Aber ein Anbau wird kommen müssen. Die Feuerwehr wurde mit ihren Belangen bisher auch immer ernstgenommen.

Worauf freuen Sie sich denn im kommenden Jahr?
Das ist schwer zu beantworten, weil wir gar nicht so genau wissen, was alles auf uns zukommt. (lacht) Ich bleibe da im Allgemeinen: Ich freue mich auf die gute Zusammenarbeit im Gemeinderat, im letzten Jahr sind wir als Gremium zusammengewachsen, über alle Fraktionen hinweg. Es gab jetzt schon seit Längerem keine Grabenkämpfe mehr. Das macht so auch mehr Spaß.

Ist der Gemeinderat manchmal auch zu harmonisch?
Nach außen hin vielleicht. Ich denke, dass Presse und Öffentlichkeit schon erwarten, dass unterschiedliche Meinungen deutlicher werden. Die existieren ja auch. Ich schätze diese Zusammenarbeit. Wir sind eine Art Riesenkoalition. Viele nehmen das als Einheitsbrei wahr, daher muss man schon schauen, dass wir unterscheidbar sind. Aber das hat man zuletzt auch bei der Altstadtsatzung gemerkt.

Was wird 2018 die größte Herausforderung?
Das Schulzentrum. Wir haben zwar Geld zur Verfügung gestellt, aber wir müssen es auch optimal einsetzen. Wenn in Schulräumen die Heizung nicht richtig funktioniert und die Fenster nicht aufgehen, sind das unhaltbare Zustände. Das müsste man alles auf einmal machen, trotzdem wird sich das eine Weile hinziehen.

Eine letzte Frage: In Altenbach-Süd könnten bis zu zwölf neue Häuser gebaut werden. Die SPD hat durchgesetzt, dass sich die Verwaltung ein Vorkaufsrecht sichert. Sie haben scherzhaft angemerkt, man müsse das nicht wahrnehmen. Warum sind Sie dagegen?
Aus ideologischen Gründen. (lacht) Ich kenne das Problem mit bezahlbarem Wohnraum. Gegen den Vorschlag der SPD habe ich mich auch gar nicht ausgesprochen. Für das Gesamtproblem wäre das ein Tropfen auf den heißen Stein. Ich habe da auch nicht die Patentlösung. Aber meistens nutzen reflexhafte Eingriffe in den Markt nichts.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung