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11.01.2018

Schriesheim: Die Karateka, die ohne Gegner kämpft

Helen Höft (14) gehört zu Deutschlands Besten im Shotokan-Stil - Mit Handkanten-Schlägen hat ihr Sport aber nichts zu tun

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Der Umgang mit der Presse ist für Helen Höft kein Problem. Entspannt sitzt die 14-Jährige auf ihrem Bett, beantwortet geduldig und klar alle Fragen. Ein lokaler Fernsehsender hat sie schon einmal bei ihrem Training besucht, sie als "Nachwuchsstar" betitelt, unzählige Male stand ihr Name in der Zeitung. Dabei haben viele ein völlig falsches Bild von ihrem Lieblingssport: Helen Höft ist Karateka.

"Die meisten denken da an Handkantenschläge und ein bisschen rumschreien", sagt Höft mit ruhiger Stimme im Schneidersitz neben ihrem riesigen Plüschteddy. Dabei kämpft sie in der Übungsform Kata gar nicht direkt. Ihr Stil "Shotokan" hat dabei mehr Gemeinsamkeiten mit einer Tanzchoreografie als mit bekannten Filmszenen wie in "Karate Kid". Gesehen habe sie den 80er-Jahre-Klassiker auch schon, sagt Helen: "Aber das, was die da machen, ist eigentlich Kung Fu."

Sprünge, Tritte und Armtechniken sind zwar Teil ihres Trainings und der Wettkämpfe, doch sie werden ohne Gegner vorgeführt. Eine fünfköpfige Jury bewertet, wer sich im direkten Vergleich durchsetzt. Häufig ist das Helen in ihrer Altersklasse: 2016 gewann sie den "German Kata Cup" und den international renommierten "Banzai Cup" in Berlin, den sie 2017 verteidigte. Im Bundeskader des Nachwuchses stand sie auch, fiel wieder heraus und ist seit diesem Jahr wieder dabei.

Ihr Trainer, Udo Boppré vom Polizeisportverein in Mannheim, ist stolz, dass sie dieses Ziel wieder erreicht hat: "Der Bundestrainer sieht Potenzial in ihr." Wenn ihre Erfolgsgeschichte weitergeht, könnte 2020 sogar ein Traum in Erfüllung gehen: Mit 16 Jahren wäre Helen alt genug für die Olympischen Spiele, bei denen in Tokyo erstmals auch Karateka um Medaillen kämpfen werden. "Klar habe ich mal darüber nachgedacht", sagt die Schriesheimerin, "das wird aber richtig schwer." Ihr Trainer sieht das ähnlich, sagt aber auch: "Wenn sie so lernbereit bleibt, ist alles möglich - auch Olympia."

Über ihren älteren Cousin war Helen im Alter von acht Jahren zu einem Karate-Training in Ladenburg gekommen: "Ich wollte dort eigentlich nur zuschauen, dann sollte ich auf einmal mitmachen." Ihren Körper zu beherrschen, hatte sie schon zuvor beim Ballett gelernt, jetzt war sie auf der Suche nach einem neuen Sport. Der hat inzwischen auch ihre Familie begeistert: Helens jüngere Schwester und ihre Mutter haben in den vergangenen Jahren ebenfalls mit Karate angefangen. Helen selbst besucht seit knapp drei Jahren das Ludwig-Frank-Gymnasium in Mannheim, weil dort Sport als Hauptfach angeboten wird: Dienstags und donnerstags sind Frühtrainings möglich, vom Unterricht für Wettkämpfe freigestellt zu werden, ist kein Problem. Drei bis vier Mal die Woche übt sie beim Polizeisportverein, dazu kommt einmal im Monat ein Stützpunkttraining in Schwenningen. Ihre Wettkämpfe führen Helen auch mal nach Basel.

Bei ihrem Trainer Boppré, unter anderem neunfacher Deutscher Meister und Vize-Europameister, fühlt sie sich gut aufgehoben. Daher wechselte sie vom Budoclub Rhein-Neckar in Ladenburg nach Mannheim, trotz der längeren Fahrten zum Training. Boppré bescheinigt ihr ein "hohes technisches Niveau". Doch ihre größte Stärke, sagt er, sei ihre Ausstrahlung: "Helen hat ein Charisma, das gerade bei diesem Stil enorm wichtig ist." Zu Beginn sei das Training mit ihr nicht immer leicht gewesen, "aber mittlerweile sind wir ein gutes Team". Baustellen gebe es noch bei manchen Tritten.

Wohin ihr sportlicher Weg Helen noch führen wird, vermag Boppré nicht zu sagen: "In diesem Alter ist immer die Frage, wie sich eine Athletin körperlich entwickelt." Eines ist für Helen jedoch klar: "Mit Karate kann man nichts verdienen." Einen Traumberuf hat sie zwar noch nicht, die nötige Ruhe und das erforderliche Selbstvertrauen aber allemal.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung