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16.01.2018

Schriesheimer Floorballer: Da trötet gar eine Vuvuzela

Schriesheimer Floorballer: Da trötet gar eine Vuvuzela

Die Nischensportart erfreut sich beim TV weiter großer Beliebtheit - Und erfoglreich sind sie obendrein

"Einfach nur schnell und saugeil": 190 Zuschauer verfolgten die Partie gegen die Gäste aus Hamburg in der Mehrzweckhalle. Foto: Dorn

Schriesheim. (mpt) Auf einmal packt Stefan Ardeleanu den Hammer aus: Eiskalt schüttelt der Mann mit Dutt-Frisur und der Rückennummer fünf seine Gegenspieler ab und knallt den Ball in den linken Winkel. Die 3:2-Führung für die Heimmannschaft. Der TV Schriesheim hat den Zwei-Tore-Rückstand gegen die weit gereisten Gäste aus Schenefeld bei Hamburg mal eben gedreht. Die Fans toben. Ratschen drehen sich wild im Kreis, Trommelschläge und Jubelschreie ertönen bei den 190 Zuschauern. Auch ein Vuvuzela-Tröten ist zu hören. "Man ist schnell infiziert", sagt Ingrid Braune, die kein "Schriese"-Heimspiel verpasst.

Bundesligastimmung am frühen Samstagabend in der Mehrzweckhalle. Und das, obwohl parallel die Sportschau im Fernsehen läuft. Doch statt im Wohnzimmer vor dem Fernseher zu sitzen, drücken einige Schriesheimer lieber ihren ganz eigenen Bundesligaspielern die Daumen. Nicht Fußball wird auf dem handballgroßen Feld gespielt, sondern Floorball. "Es ist wie Eishockey. Nur ohne Schlittschuhe und ohne Eis", fasst Braune grob zusammen. Wie beim großen Bruder auf dem Eis ist das abgerundete Spielfeld mit Banden umgeben, bei denen die Spieler auch hinter dem Tor mit den schaufelartigen Schlägern einer durchlöcherten Plastikkugel nachjagen.

Statt des Krachens der Kufen ist das Quietschen bunter Hallenschuhe zu hören. Vorsichtig beginnt das Tabellenschlusslicht aus Schriesheim, die einzige Bundesligamannschaft im Südwesten. Städtchen wie Weissenfels, Wernigerode oder Lilienthal führen die Spitze der Nischensportart an, mit dem Gegner aus dem hohen Norden haben die Schriesheimer jedoch einen Nachbarn aus dem Tabellenkeller vor der Brust: Der Zehnte spielt gegen den Achten. Und nach dem zögerlichen Abtasten, rasseln immer mehr Schläger aneinander. Es geht ruppig zu: Teile der Bande krachen nach fast jedem Kontakt in sich zusammen. "Das muss so sein. Wegen der Verletzungsgefahr", erklärt der Mann mit der Vuvuzela.

Doch Vorsicht ist geboten, nicht nur wegen der Zeitstrafen: Das Spielfeld misst nur 40 mal 20 Meter, jeder Fehler wird blitzschnell bestraft. "Es gibt nur Angriff und Abwehr, nichts dazwischen. Es kann sein, dass du vorne den Pfosten triffst, und vier Sekunden später klingelt‘s hinten", sagt Jürgen Wetteroth, "einfach nur schnell und saugeil."

Vor 16 Jahren entdeckte er den damals noch Unihockey genannten Sport in Heidelberg. Inzwischen ist der 41-Jährige junger Präsident eines noch jüngeren baden-württembergischen Floorball-Verbandes. "Der Sport hat unheimlich viel Potenzial. In Schweden ist es nach Fußball schon der zweitbeliebteste Ballsport", sagt er.

Vor allem im Osten und Norden Deutschlands erfreue sich die in Skandinavien in den 1970er Jahren erfundene Trockenvariante des Eishockeys immer größerer Beliebtheit. Doch auch in Schriesheim steigt die Mitgliederzahl stetig an.

Wie auch die Stimmung an diesem Samstag. Es ist ein 16-Jähriger, der zum Hoffnungsträger avanciert: Linus Braune, der Enkel von Ingrid im Fanblock. Erst verkürzt er per Abstauber, im zweiten Drittel stellt er gefühlvoll den Ausgleich her - und sorgt mit einer 360-Grad-Drehung um die eigene Achse für ein Raunen beim Publikum sowie stolze Augen bei der Großmutter. "Im Eishockey wäre das die Bewegung des Jahrtausends. Hier ist das fast schon normal", sagt Jürgen Wetteroth.

Am Ende wird es ein umkämpfter 6:5-Sieg, mit weiteren Heimtreffern durch Nicolas Burmeister, Felix Künnecke und Robert Eidenmüller. Und bei der ausgelassenen Stimmung und Spannung ist schnell klar: Was in England das Darts ist, ist in Schriesheim der Floorball. Ein unverbrauchter Sport mit Charme, der im Schatten von Fußball und Co. (noch) ein Nischendasein genießt.

"Es ist das Beste aus Hallen- und Eishockey zusammen. Unheimlich schnell, athletisch, beweglich. Mit viel Leidenschaft und Herzblut. In meinen Augen Sport pur", sagt Fitnesstrainer Holger Meier, der den für ihn zunächst völlig unbekannten Sport auch schätzen und lieben gelernt hat.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung