Schriesheim im Bild 2023

21.01.2018

Wildschweine in der Region: Cäsium und Blei im Wildschwein-Braten

Neben Innereien und Meeresfrüchten gehört Wildschwein-Fleisch zu den am höchsten mit Blei belasteten Lebensmitteln
Von Wolf H. Goldschmitt

Heidelberg/Schriesheim. "Die Wildsau ist schlau. Sie ist mit der Krähe zusammen das wohl intelligenteste Tier, das im Freien lebt, und kann einen Spazierstock von einem Gewehr unterscheiden", sagt Georg Bielig. Der Winzer und Jäger aus Schriesheim muss es wissen. Er hat schon zahlreiche Schwarzkittel erlegt, fachkundig und hygienisch korrekt zerlegt und zusammen mit seiner Familie gegessen. Aber in Maßen, denn das Wild könnte sich gewissermaßen posthum rächen, gerade wenn es mit bleihaltiger Munition zur Strecke gebracht wird.

"Ein erhöhtes Risiko besteht bei Verbrauchergruppen, die viel Wild verzehren, insbesondere in Jägerhaushalten", sagt Professor Andreas Hensel vom Bundesinstitut für Risikobewertung. Stark gefährdet seien Ungeborene und Kinder bis sieben Jahre, bei denen schon eine geringe Bleiaufnahme zu Gesundheitsschäden führen kann. Denn Wildschwein, Reh und Hirsch gehören neben Innereien und Meeresfrüchten zu den am höchsten mit Blei belasteten Lebensmitteln. Der Grund: das Schwermetall in den Geschossen ist giftig und reichert sich im Organismus an

Obwohl die Belastung durch Radioaktivität zurückgegangen ist: Eine Entwarnung gibt die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LfU) noch lange nicht. Dafür seien die regionalen Messwerte bei Wildtierproben zu unterschiedlich: Aufgrund der Ernährungsgewohnheiten von Wildschweinen ist ihr Fleisch auch Jahrzehnte nach Tschernobyl noch mit radioaktivem Cs-137 kontaminiert.

Tanja Erkert von den LfU begründet: "Hirschtrüffel, eine beliebte Nahrungsquelle für Wildschweine, reichern Cäsium, und damit auch radioaktives Cäsium aus dem Waldboden an. Überschreitungen des Richtwertes von 600 Bq/kg wurden noch bei 101 von 567 untersuchten Wildschweinproben festgestellt." In der Metropolregion stammen die höchsten Werte in Walldorf (905) Reilingen (850), Hockenheim (770) und Sandhausen (716). Auch die Art der Jagd bestimmt die Fleischqualität. Treibjagd oder Drückjagd produziert minderwertigeres Fleisch. Auf diesem Gebiet gibt Georg Bielig Entwarnung, zumindest für seinen Beritt: "Bei uns gibt es zwar auch Drückjagden, aber wir hetzen die Schweine nicht zu Tode wie andernorts", sagt der passionierte Waidmann. Gibt aber zu, dass in Einzeljagd erlegtes Wild wertvolleres Fleisch liefert.

Auch zur drohenden afrikanischen Schweinepest und den vorgeschlagenen Lösungen hat der Schriesheimer seine eigene Meinung. Das Virus sei zwar ansteckend, einen Impfstoff gebe es nicht, und es befalle Hausschweine ebenso. Doch die radikale Forderung des Bauernverbandes, den Bestand um 70 Prozent zu reduzieren, hält Bielig nicht für sinnvoll. "Es wäre sicher erfolgreicher, wenn man den Lastwagenverkehr aus den Seuchengebieten verringern würde", schlägt er vor.

Er stimmt zu, dass kranke Wildschweine eine Gefahr sein können, doch sterben sie selbst daran. Und weil die Tiere ziemlich ortstreu sind, sei eine Ausbreitung der Krankheit sehr unwahrscheinlich. Ein brutaler Massenabschuss wäre deshalb kontraproduktiv, weil er nur lokale Wirkung habe. Dass manche Züchter von Schweinen dennoch auf das Große Halali hoffen, hat einen Grund: Für "notgekeulte" Tiere zahlt die Versicherung. Obwohl heutzutage fünfmal mehr Wildschweine erlegt werden als früher, ist der Bestand gewachsen. Die Tiere gleichen Verluste einfach durch höhere Geburtenraten aus. Erfahrene Jäger und Förster wissen deshalb: Die klugen Wildschweine lassen sich nur schwer erlegen. Wie anfangs gesagt: Die Wildsau ist eben schlau.

Copyright (c) rnz-online

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung