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31.01.2018

Gedenkfeier für Opfer der Nationalsozialisten: Es herrschte Stille in Schriesheim

Gedenkfeier für Opfer der Nationalsozialisten: Es herrschte Stille in Schriesheim

Joachim Maier erinnerte an Alfred Herbst, Julius Fuld und Ludwig Oppenheimer - Stolpersteine werden verlegt

Drei Schicksale stellte Joachim Maier (2.v.l.) am Samstagvormittag vor. Foto: Dorn

Schriesheim. (mpt) Schlag elf Uhr ertönt das Glockenläuten. Sonst herrscht Stille an der Kriegsopfer-Gedenkstätte in der Bismarckstraße, obwohl sich dort rund 50 Besucher eingefunden haben. Sie alle lauschen am Samstagvormittag den Worten von Theologie-Professor Joachim Maier, der an die Ereignisse vor 73 Jahren erinnert: Am 27. Januar 1945 befreiten Soldaten der Ersten Ukrainischen Front fast 8000 kranke und erschöpfte Häftlinge aus dem Konzentrationslager Auschwitz. Seit 1996 gilt dieses Datum als Gedenktag an die Opfer der Nationalsozialisten.

Aus diesem Anlass stellt Maier individuelle Schicksale der Opfer aus Schriesheim ins Zentrum der Betrachtung. Diesmal sind es drei Männer, deren Biografien symbolisch für die Nazi-Gräuel stehen: Alfred Herbst, Julius Fuld und Ludwig Oppenheimer. Alfred Herbst wurde 1906 in Schriesheim geboren. Wie seine Eltern gehörte er der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde an. In Stuttgart arbeitete er als Elektromonteur und lernte seine Frau Elisa kennen. 1936 kam Töchterchen Sonja zur Welt, doch mit Kriegsbeginn endete das Familienidyll. Vater Alfred wurde zum Militär eingezogen - und verweigerte aus tiefster religiöser Überzeugung seinen Dienst. "Ich bin verhört und von Zeit zu Zeit gefragt worden, ob ich meine Gesinnung geändert habe", liest Frieder Menges einen Brief vor, den Alfred Herbst an Tochter und Frau schrieb. Im Mai 1943 wird er wegen Zersetzung der Wehrkraft vors Reichskriegsgericht gestellt. Er bleibt seinem Glauben treu. "Seine Entscheidung gegen den Kriegsdienst ist ein Zeugnis für seinen Glauben, das auch die Bereitschaft zum Martyrium einschließt", sagt Maier. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, lässt Herbst das Gericht wissen. Er wird zum Tode verurteilt und durch das Fallbeil hingerichtet. Zur Erinnerung an ihn wurde später die Kriegsstraße in Alfred-Herbst-Straße umbenannt.

Julius Fuld (1871-1943) und seiner Familie zum Gedenken sollen im kommenden Jahr Stolpersteine verlegt werden. Der Viehhändler war nicht nur beim Bürgerausschuss, dem TV 1883 und Liederkranz aktiv, 1918 bekam er von der Großherzoglichen Ordenskanzlei sogar die Silberne Verdienstmedaille verliehen. "Aber nach 1933 war diese Gnade der Auszeichnung nichts mehr wert", sagt Maier. Wegen seines jüdischen Glaubens wurde sein Geschäft boykottiert. Die Kinder flohen nach Argentinien und in die USA, doch Julius Fuld und seine Frau Mina blieben zurück. Sie zogen nach Mannheim und waren die letzten Juden, die Schriesheim verließen.

1940 wurden sie in das Internierungslager Gurs am Fuß der Pyrenäen deportiert. Der inzwischen in New York lebenden Tochter gelang es zwar, ihren Eltern die Ausreise in die USA zu ermöglichen. Doch Julius Fuld starb aufgrund der extremen Lagerbedingungen, bevor er ausreisen konnte.

Im stillen Gedenken legt Joachim Maier eine weiße Rose vor der Tafel mit den 32 Opfern nieder. Unter ihnen findet sich auch der Name Ludwig Oppenheimer wieder. Seine Familie floh im September 1938 in die USA, doch wegen einer Behinderung erhielt Sohn Ludwig keine Ausreisepapiere. Vom Israelitischen Altersheim am Bodensee wurde er nach Gurs deportiert und starb bereits nach einem Monat an Typhus. Zum Gedenken sollen auch ihm und seiner Familie im Juli Stolpersteine verlegt werden.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung