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14.02.2018

Schriesheimer China-Experte: Die Luft in Schriesheim ist viel besser

Manfred Görk hat einen China-Ratgeber geschrieben - Im Interview spricht er über Toilettengänge, Baustellen und Schriesheims Vorzüge

Von Frederick Mersi

Schriesheim. In den vergangenen zehn Jahren war Manfred Görk (63) etwa 20 Mal in China. Seine Erlebnisse hielt der Schriesheimer in Videos fest, die auf der Internetplattform YouTube millionenfach angesehen wurden. 2017 entschied er sich, ein Buch zu schreiben. Erschienen ist "Land der Mitte" beim Novum-Verlag.

Herr Görk, Sie schreiben, Ihr Buch sei "mehr als nur ein China-Ratgeber für Neugierige". Was ist es denn noch?
Ich habe keinen klassischen Reiseführer geschrieben. Im ersten Teil gibt es zwar praktische Informationen für Besucher, im zweiten Teil beschreibe ich aber in acht Geschichten das Alltagsleben.

Um was geht es dabei?
Zum Beispiel darum, wie Chinesen Wohnungen kaufen. Bei uns läuft das mit Besichtigungen und Maklern, in China dauert der Wohnungskauf drei Stunden. Ich habe mir das angeguckt und mit den Leuten geredet. Es geht aber auch um das Freizeitverhalten von Senioren oder Fotoshootings bei Hochzeiten.

Sie beschreiben auch die Hocke beim Toilettengang. Haben Sie die erlernt?
Mittlerweile gibt es genügend "westliche" Toiletten, wo man als Tourist unterwegs ist. Es würde mir immer noch schwerfallen, weil es so eine kuriose Bewegung ist. (lacht) Das Hocken etwas zu trainieren, ist aber eine gute Idee, weil es zum chinesischen Leben dazugehört.

Haben Sie andere Verhaltensweisen nach Ihren China-Reisen übernommen?
Chinesen organisieren ihr ganzes Leben übers Internet. Ich selbst mache das mittlerweile auch. Während meiner letzten Chinareise im Januar habe ich nur noch online bezahlt.

Sie waren als Projektplaner auf Geschäftsreisen in vielen Ländern. Warum ausgerechnet ein Buch über China?
Ich habe festgestellt, dass es diese Inhalte bisher noch nicht in deutschen Büchern gibt, und ich glaube, dass ich inzwischen genug Erfahrungen habe, um einen guten Einblick zu geben. Aber das Publikum, das ich damit ansprechen kann, ist wahrscheinlich recht klein: China ist für viele noch eine fremde Welt.

Sie sind etwa 20 Mal dort gewesen. Ist es Ihnen hier zu langweilig?
(zögert) Das stimmt ein Stück weit. Es ist zwar so, dass man in China immer einen gewissen Geräuschpegel hat: Es ist immer voll und immer laut. Chinesen reden ständig. Da ist man dann froh, wenn man wieder nach Schriesheim kommt, wo es wirklich ruhig ist. Nach einer gewissen Zeit will ich zwar auch wieder weg, aber ich wohne gern hier. Die Luft ist hier viel, viel besser.

Aus politischer Sicht schwankt die Haltung der Deutschen häufig zwischen Bewunderung über den rasanten Aufstieg und Kritik wegen Menschenrechtsverletzungen. Was überwiegt bei Ihnen?
Das ist ein schwieriges Kapitel. Als Tourist kommt man mit dem politischen System kaum in Verbindung. Beim Visum muss man nur Namen und Passnummer angeben, dann kann man in dem Land machen, was man will. Facebook, Twitter, WhatsApp und Google sind dort aber gesperrt. Das kann ich nicht nachvollziehen. Aber in der deutschen Presse habe ich das Gefühl, dass selten ausgewogen über China berichtet wird. Wir sehen das Land durch die westliche Brille. Damit sollten wir aufhören, denn insgesamt geht es den meisten Chinesen von Jahr zu Jahr besser.

Sie beschreiben in Ihrem Buch auch den Bau riesiger Städte in kürzester Zeit. Würden Sie sich hierzulande mehr chinesische Effizienz wünschen?
Aus wirtschaftlicher Sicht wird in China sorgsam kalkuliert, die ersten Kostenschätzungen sind meist deutlich höher als in Deutschland. Das liegt daran, dass die Regierung ihre Vorhaben damit einfach umsetzen kann. Wir könnten auch ruhig chinesische Ingenieure einstellen, die uns zeigen, wie Flughäfen funktionieren: Die bauen pro Jahr bestimmt fünf Stück von der Größe der Berliner Baustelle.

Bei Ihren Reisen haben Sie verschiedene Teile des Landes gesehen. Wie groß sind die Unterschiede?
China ist eigentlich kein Land, sondern ein Kontinent. Von Eisfestivals an der russischen Grenze über eine der größten Wüsten der Welt bis zum Himalaja. Es gibt sämtliche Klimazonen - und viele ethnische Minderheiten mit eigenen Traditionen und Sprachen.

Wem würden Sie empfehlen, nach China zu reisen?
Allen, die Interesse haben, ein Stück vom Leben dort kennenzulernen. Ich würde es niemandem empfehlen, der Vorurteile hat.

Welche Vorurteile haben Sie dort gegenüber Deutschen erlebt?
Wir werden als sehr zuverlässige Ingenieure gesehen und gelten als humorlos, das ist aber nicht unbedingt negativ. Insgesamt hat man dort eine sehr hohe Meinung von Deutschen, nur unser Essen finden viele nicht so gut.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung