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15.03.2018

Flüchtlinge und Tafeln: So sieht es bei den Tafeln in Edingen-Neckarhausen und Schriesheim aus

Soziale Einrichtung in Essen erschwerte Flüchtlingen den Zutritt - Im Vergleich dazu stoße die Einrichtung in Edingen-Neckarhausen nicht an ihre Kapazitätsgrenze

Von Marco Partner

Edingen-Neckarhausen/Schriesheim. "Am Monatsanfang gibt es Geld. Da kommen eher wenige." Ingrid Dohnke und ihr Team sind am Sortieren und Fegen. In einer Stunde öffnet der Laden. Zitronen und Erdbeere werden begutachtet, das Mindesthaltbarkeitsdatum von Joghurt-, Käse- und Wurstprodukten überprüft, die Süßigkeitenecke mit ein paar Schokonikoläuschen aufgefrischt. Seit acht Jahren gibt es die Tafel in der Hauptstraße in Edingen-Neckarhausen. Alles sieht aus wie in einem gewöhnlichen Supermarkt. Nur die Preise sind anders: Ein Kopfsalat kostet 10 Cent, Salami gibt es für 30 Cent, gut gefüllte Obst- und Gemüseschalen für 50 Cent. "Es ist unser kleiner Tante-Emma-Laden", sagt Helga Schlipf, die seit Beginn ehrenamtlich mitwirkt.

Wie gut, dass es die Tafel gibt. Und wie schade, dass es sie in Deutschland geben muss. Sätze wie diese hören die 15 Mitarbeiter häufig. Wenn es darum geht, den Hunger von Menschen zu stillen, die in einem reichen Land wenig Geld haben, bleibt es seitens der Politik oft bei anerkennenden Worten und einem Kopfnicken. Die Arbeit in den Essensausgabestellen, vom Abklappern der Supermärkte, der Überprüfung der Ware bis zur Bereitstellung in den Regalen, wird meist vom Ehrenamt geschultert. "Ohne uns freiwillige Helfer würden die Tafeln nicht existieren", sagt Margarte Nader.

Seit eine soziale Einrichtung in Essen Flüchtlingen den Zutritt erschwerte, sind die Tafel-Läden überall bekannt. "Das ist aber erst mal positiv", sagt Christel Schmid. Auch, wenn der Essener Gangart ein fader Beigeschmack beiwohnt. "Aber so findet vielleicht ein echtes Nachdenken statt. Welche Arbeit wir wirklich leisten." Im Vergleich zu der Großstadt in Nordrhein-Westfalen stoße die Einrichtung in Edingen-Neckarhausen nicht an ihre Kapazitätsgrenze. Auch als in der Gerberstraße eine Flüchtlingsunterkunft aufmachte, sei man nicht überrannt worden.

20 bis 25 Menschen zählt die Tafel gewöhnlich an jedem ihrer drei Öffnungstage, knapp 60 Kunden kommen regelmäßig. Es sind alleinstehende junge Frauen und Männer, vor allem aber junge Familien; der Migrationsanteil mache ungefähr 70 Prozent aus und sei in den vergangenen Jahren leicht, aber nicht rasant gestiegen. "Was wir wenig haben, sind Rentner. An die kommen wir einfach schwer ran", sagt Nader, "Aber das war von Anfang an so. Wir wissen, der Bedarf ist da, aber es gibt Hemmschwellen." Auch würden sich viele schlecht bezahlte Berufstätige scheuen, den notwendigen Einkommensnachweis beim Amt zu beantragen.

Haben bestimmte Nationalitäten andere verdrängt, wie es in Essen geschehen ist? "Nein, dafür sind wir zu ländlich", sagt Tafel-Mitarbeiterin Barbara Bayer. "Aber es kommen weniger Türken, seit die Syrer da sind", sagt Nader. Auch das Verhalten einiger Flüchtlinge sei zu Beginn aufgefallen. "Ein paar hatten Probleme damit, dass wir Frauen hier im Laden stehen und alles überwachen", sagt Nader. "Manche wollten auch um den Preis feilschen. Aber das hat sich inzwischen gelegt."

Ein Selbstbedienungsladen ist die Einrichtung in der Hauptstraße nicht. Es gibt eine strikte Ordnung und klare Benimmregeln. Drei Kunden dürfen den sozialen Supermarkt gemeinsam betreten, und dabei nicht wahllos nach den Produkten greifen. "Wenn wenig Zitronen da sind, gibt es eben nur eine", so Nader. Überhaupt sei das Sortiment stets variabel, könne man keinen Einkaufszettel abarbeiten, sondern nur das anbieten, was man von den Discountern oder Bäckern erhält.

Auch im Hof der Strahlenburger Grundschule in Schriesheim wird zweimal in der Woche ein kleiner Markt aufgebaut. Vor allem Gemüse, Obst und Backwaren werden für einen Obolus nach Vorweis des Tafelausweises verkauft. Seit November 2014 gibt es die mobile Station, also nur ein paar Monate nach Beginn der Flüchtlingskrise. "Die Intention war aber von Anfang an, dass deutsche Kunden und Flüchtlinge hierherkommen dürfen", sagt Leiter Joachim Merker.

Zunächst hätten nur circa zehn Menschen das Angebot genutzt, inzwischen zähle man bis zu 30 regelmäßige Kunden. "80 Prozent Flüchtlinge und Migranten, 20 Prozent Deutsche", so schätzt Merker. Ausgegrenzt fühlen müsse sich niemand. "Meine Motivation ist, Menschen zu helfen. Ob jemand aus dem Ausland kommt oder nicht, spielt für mich keine Rolle." Zu Beginn habe es ein paar Verständigungsschwierigkeiten gegeben. "Aber das hat sich aufgrund der Sprachkurse stark verbessert", so Merker. Nun helfen die Flüchtlinge teilweise sogar mit. Neben Evi Butzmann ist Anwar Nadhim aus dem Irak mit dem Aufbauen und Sortieren der Ware beschäftigt.

Um jeden Kunden gerecht zu behandeln, geben die Verkäufer vor, wie viele Kartoffeln oder Kiwis in den Korb gelegt werden dürfen. Wenn jemand von einer Sache dann doch mehr möchte, muss er warten, ob am Ende etwas übrig bleibt, und in der zweiten Runde sein Glück versuchen.

"Würde die Kundenzahl stark steigen, könnte jeder eben nur noch an einem festen Tag in der Woche kommen. Und nicht mehr an allen drei Tagen", sagt auch Barbara Bayer von der Tafel in Edingen-Neckarhausen. "Aber davon sind wir noch weit entfernt."

Info: Die Tafel in Edingen-Neckarhausen (Hauptstraße 103) hat montags, mittwochs und freitags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Die mobile Tafel macht immer dienstags und donnerstags um 13 Uhr im Hof der Strahlenburger Grundschule, Schulgasse 1, in Schriesheim Station.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung