Schriesheim im Bild 2023

30.03.2018

Sanierung des Schriesheimer Kurpfalz-Gymnasiums: Die schwerste Abstimmung ihrer Karriere

Sanierung des Schriesheimer Kurpfalz-Gymnasiums: Die schwerste Abstimmung ihrer Karriere

Schlaflose Nächte, Bauchschmerzen, Gewissensentscheidung: Maßnahme könnte Haushalt über Jahrzehnte prägen

Bis Ende 2022 soll das Kurpfalz-Gymnasium saniert werden. Dadurch könnten die Schulden der Stadt auf bis zu 40 Millionen Euro steigen. Foto: Dorn

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Patrick Schmidt-Kühnle feierte am Mittwochabend noch ein wenig - zumindest innerlich. Über acht Jahre hatte er sich als Elternvertreter für eine Sanierung des Kurpfalz-Schulzentrums eingesetzt, erst als Beiratsvorsitzender der Grundschule, dann in der gleichen Funktion fürs Gymnasium. Um 19.48 Uhr war es so weit: Der Gemeinderat stimmte mit der hauchdünnen Mehrheit von 14 zu zwölf für eine Sanierung des Gymnasiums. "Ich freue mich unendlich", sagte Schmidt-Kühnle gestern.

Leicht hatten es sich die Stadträte zuvor nicht gemacht. "Es ist eine Art Gewissensentscheidung", sagte Michael Mittelstädt, Fraktionschef der CDU. Sein Kollege von den Freien Wählern, Heinz Kimmel, konnte eine Nacht lang nicht schlafen. Und FDP-Stadtrat Wolfgang Renkenberger sprach von "ziemlich großen Bauchschmerzen".

Immerhin geht es um eine geschätzte Summe von 32,3 Millionen Euro, die die Stadt bis 2023 in das Gymnasium und die baulich integrierte Stadtbibliothek investieren will. Davon könnten bis zu 13 Millionen Euro über Zuschüsse wieder reinkommen, etwa die Hälfte davon aus neuen Förderprogrammen von Bund und Land. Dabei wird eine Feinplanung mit verlässlicher Kostenschätzung erst Ende des Jahres vorliegen. In jedem Fall wird die finanzielle Situation der Stadt über Jahrzehnte unter der Sanierung leiden: Die Schulden könnten laut Kämmerei auf bis zu 40 Millionen Euro steigen, Renkenberger sprach von einer Vervierfachung der Pro-Kopf-Verschuldung.

Kämmerer Volker Arras sprach bei der Vorstellung des Finanzierungskonzepts offen über das Risiko eines Konjunktureinbruchs und steigender Zinsen. "Ich bin aber der Meinung, wir sollten dieses Risiko eingehen." Bürgermeister Hansjörg Höfer hatte zuvor von einmaligen Voraussetzungen gesprochen und für ein Ja zur Sanierung geworben. Auch Hauptamtsleiter Edwin Schmitt, der die Zuschussmöglichkeiten für insgesamt bis zu 13 Millionen Euro erläuterte, sprach von optimalen Rahmenbedingungen. Er erinnerte auch an eine verpasste Möglichkeit zur Sanierung 2006, als die Schulkonferenz eine Umstellung auf Ganztagsbetrieb ablehnte. "Es ist wieder ein enges Zeitfenster", so Schmitt. "Aber wenn Sie die nächste Frist abwarten wollen, ist der Fördertopf leer." Jetzt müsse die Stadt zugreifen.

Robert Hasenkopf von der Grünen Liste überzeugte das nicht. Es habe nicht genügend Zeit für Beratungen gegeben, nur die Fraktionssprecher seien über das Vorhaben informiert worden. Außerdem seien die wirtschaftlichen Risiken zu groß: "Wenn man von diesem Finanzierungskonzept ausgeht, muss die Konjunktur über die nächsten 15 Jahre laufen." Das habe es in der Geschichte noch nie gegeben. Außerdem könnten zu den bisher eingeplanten Investitionen noch unvorhergesehene Projekte kommen: "Deshalb hält die Mehrheit unserer Fraktion das Risiko für nicht kalkulierbar." Nur Barbara Schenk-Zitsch stimmte für die Sanierung.

Mittelstädt sah in den neu aufgelegten Förderprogrammen von Bund und Land mit bis zu sechs Millionen Euro für die Sanierung "die Chance, auf die wir immer gewartet haben". Diese Chance sei wichtiger als ein mögliches Scheitern auf finanzieller Seite: "Es ist hoch gepokert, zu glauben, da kommt noch etwas Besseres." Andere Projekte könnten dadurch aber verschoben werden oder auf der Strecke bleiben. Die CDU sprach sich letztlich einstimmig für die Sanierung aus.

Bei den Freien Wählern tat das nur Matthias Meffert. Fraktionschef Kimmel sagte: "Diese horrende Summe ist für uns mehrheitlich zu viel." Außerdem sei eine finanzielle Gleichberechtigung aller Schulen wichtig, nicht nur eine Sanierung des Gymnasiums. Marco Ginal (SPD) stellte seinen Redebeitrag unter das Motto: "Wenn nicht jetzt, wann dann?" Wolle Schriesheim langfristig Schulstadt bleiben, müsse das Gebäude saniert werden: "Wenn wir diese Chance nicht ergreifen, werden wir auch in Zukunft nur Löcher stopfen."

Auch FDP-Stadtrat Renkenberger stimmte trotz finanzieller Bedenken letztlich für eine Sanierung: "Diese Entscheidung geht nicht zulasten anderer Projekte, damit gebe ich die anderen Schulen nicht auf." Das mahnte auch Elternvertreter Schmidt-Kühnle an: "Die Sanierung kann nur ein erster Schritt sein, um dieses Schulzentrum anzugehen."

Sabine Grimm, Leiterin der Kurpfalz-Grundschule, war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Ihre Kollegin Petra Carse von der Realschule wollte den Ratsbeschluss nicht kommentieren. Jürgen Sollors, Direktor des Kurpfalz-Gymnasiums, sprach von einem möglichen Meilenstein. Es wäre jedoch fatal, wenn deshalb die anderen Schulen nicht instandgehalten werden könnten. Bürgermeister Höfer zeigte sich gestern erleichtert: "Dadurch wird der Schulstandort Schriesheim gesichert."

Hintergrund
Schriesheim. (fjm) Mit knapper Mehrheit hat sich der Gemeinderat am Mittwochabend für eine Sanierung des Kurpfalz-Gymnasiums ausgesprochen. Die geschätzten Kosten von 32,3 Millionen Euro werden die Finanzlage der Stadt über Jahrzehnte prägen. Bis die Arbeiten beginnen können, ist es noch ein langer Weg - auf dem Hindernisse lauern. Bis Dienstag will die Stadt ihre Zuschussanträge fertigstellen, bis zum 31. März müssen sie beim Regierungspräsidium (RP) in Karlsruhe vorliegen. Wie es dann weitergehen könnte, stellt die RNZ in drei Szenarien vor.

Das "Best-Case-Szenario": Das Landratsamt widerspricht als Rechtsaufsichtsbehörde dem Finanzierungskonzept der Stadt nicht. Vorgelegt werden die Pläne dort am 11. April. Bis zu den Sommerferien bewilligt außerdem das RP Zuschüsse in Höhe von etwa sechs Millionen Euro aus dem Förderprogramm des Bundes. Bis Ende des Jahres liegt die Feinplanung samt genauer Kostenschätzung vor, die sich nicht wesentlich von den bisher avisierten 32,3 Millionen Euro unterscheidet. Frühestens im Sommer 2019 beginnt die Sanierung, bis Ende 2022 ist sie beendet, ein Jahr später abgerechnet. Die Stadt müsste etwa 20 Millionen Euro selbst schultern.

Das "Noch-mehr-Eile-geboten-Szenario": Das Landratsamt widerspricht dem Finanzierungskonzept nicht, der Fördertopf des Bundesprogramms wird aber für andere Projekte verwendet. Dann rutscht Schriesheim automatisch in ein Förderprogramm des Landes, der Bescheid über dessen Zuschüsse liegt aber erst im Frühjahr 2019 vor. Falls die nicht so hoch ausfallen, wie bisher von der Stadt geschätzt, muss noch einmal der Gemeinderat über die Sanierung entscheiden. An der Vorgabe, dass alle Arbeiten bis Ende 2022 beendet und ein Jahr später abgerechnet sein müssen, ändert sich nichts. Aber der Zeitrahmen wird enger. Möglicherweise ändert sich auch etwas am Finanzierungskonzept, falls die Zuschüsse deutlich unter den geschätzten 13 Millionen Euro inklusive Ausgleichsstock-Mitteln bleiben.

Die "Worst-Case-Szenarien": Das Landratsamt widerspricht dem Finanzierungskonzept der Stadt nicht, die wiederum findet keine Alternativen. Oder es gibt weder vom Bund noch vom Land genügend Zuschüsse, um das Kurpfalz-Gymnasium zu sanieren. Der Gemeinderat entscheidet sich daher im Sommer 2018 oder im Frühjahr 2019 gegen eine Fortführung des Projekts. Sollte all das nicht eintreten, gibt es für die Stadt aus finanzieller Sicht noch einen weiteren Fallstrick: Die Sanierung ist bis Ende 2022 nicht fertig und/oder ein Jahr später noch nicht abgerechnet. Dann fallen die Zuschüsse aus den Förderprogrammen weg: Die Stadt muss zusätzlich zu den geschätzten 20 Millionen Euro etwa sechs Millionen Euro selbst schultern.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung