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30.03.2018

Schriesheim: Wenn die Post unerreichbar scheint

Seit August 2016 bemüht sich die Stadt um einen Briefkasten am Schillerplatz - Erst jetzt landet das Anliegen bei der zuständigen Stelle

Von Katharina Schröder und Frederick Mersi

Schriesheim. Seit eineinhalb Jahren will die Stadt einen Briefkasten am Schillerplatz, seit eineinhalb Jahren beißt sie mit diesem Wunsch bei der Deutschen Post auf Granit. Jetzt hat sich Franziska Brantner, Bundestagsabgeordnete der Grünen, eingeschaltet - und zum ersten Mal landet der Wunsch bei der tatsächlich zuständigen Stelle der Post. Eine Studie zu strukturschwachen Regionen, auf die Brantner in diesem Zusammenhang verwies, lässt allerdings viel Raum für Missverständnisse.

Alles begann laut Karin Reichel, Inklusionsbeauftragte der Stadt, im August 2016 mit einer Bürgeranfrage ans Ordnungsamt. Ein Briefkasten am Schillerplatz sollte her, auch um gehbehinderten Menschen im betreuten Wohnen der AWO den halben Kilometer Fußweg bis zur Poststelle in der Talstraße zu ersparen. "Damals kam eine lapidare Antwort, man werde das prüfen", sagt Reichel. "Wir bekamen einen Ansprechpartner und ein Aktenzeichen."

Doch es tat sich nichts. Ein Jahr später kam das Anliegen erneut auf den Tisch: AWO-Inklusionsbeauftragte Idil Reineke meldete sich bei Karin Reichel. Der damalige Ordnungsamtsleiter Willy Philipp gab ihr die Akten zum Vorgang, inklusive Ansprechpartner und Telefonnummer. "Die hat mich aber immer nur in die Kundenzentrale geführt", sagt Reichel. "Ich bin da schlicht nicht weitergekommen." Auf einen Brief an den Kundenservice erhielt die Verwaltungsmitarbeiterin die Antwort, die nächste Postfiliale sei nur etwa 500 Meter entfernt, die gesetzlichen Vorgaben damit übererfüllt. Außerdem gibt es in der Weinstadt und ihren Ortsteilen insgesamt zwölf Briefkästen.

"Damit ist die Post auf der sicheren Seite", sagt Reichel. "Wir sehen dennoch eine Notwendigkeit." Der Schillerplatz sei in unmittelbarer Nähe zum RNV-Bahnhof ein neuralgischer Punkt, zudem seien viele Anwohner nicht besonders mobil. "Wenn sie einen guten Tag haben, schaffen sie es vielleicht gerade bis zum Mülleimer runter", so Reichel. Deswegen habe man mit der Post sprechen wollen.

Also schaltete die Stadt schließlich die drei Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises ein. Franziska Brantner reagierte, schrieb einen Brief an die Post und machte dies über den Kurznachrichtendienst Twitter öffentlich, um den Druck zu erhöhen. "Mir ging es darum, dass ein Dialog geführt wird", sagt Brantner. Gleichzeitig verwies sie in ihrer Twitter-Meldung jedoch auf eine Studie des "Progressiven Zentrums", einer Berliner Denkfabrik, zu Rechtspopulismus in strukturschwachen Gegenden. Warum?

"Ich möchte die Stadt nicht in diese Ecke stellen", sagt die Abgeordnete. "Schriesheim ist ja nicht Marzahn." Im Gegenteil: Die Stadt wird von der Bertelsmann Stiftung als "prosperierende Kommune" eingestuft. Allerdings gehe aus der Studie hervor, dass viele Leute das Gefühl hätten, der Staat kümmere sich nicht ausreichend um essenzielle Dinge. "Dabei wurden besonders häufig Briefkästen genannt", so Brantner. "Wenn irgendwelche abstrakten Vorgaben erfüllt werden, aber die Leute vor Ort nicht zufrieden sind, reicht das nicht aus."

Bei der Post hat man jetzt reagiert: Ein Sprecher der Unternehmensgruppe sagte, man werde die Errichtung eines Briefkastens prüfen. Die Stadt erhielt zudem am 13. März ein Schreiben, dass ihr Anliegen ans zuständige Expertenteam weitergeleitet worden sei - ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem allgemeinen Kundenservice. Dieser war laut Post auch das Problem: "Eigentlich kennen sich die Sachbearbeiter, dann geht das schneller als über das Kundentelefon."

Ohne Standortangabe und nur mit der Bitte um Rückruf sei die Anfrage zudem schwierig zu bearbeiten gewesen. Die Frist, in der um den Rückruf gebeten wurde, konnte die Post nicht einhalten, "und dann ist das wohl verlaufen", so der Sprecher. Die Möglichkeit eines Standorttausches konnte durch den fehlenden Rückruf nicht vorgeschlagen werden. An den Brief der Stadt erinnere man sich zwar, er läge der Post aber nicht mehr vor.

Dennoch kündigte der Sprecher an, dass sich bis Mitte nächster Woche etwas tun werde. "Wir könnten uns auch einen Tausch gegen einen wenig benutzten Briefkasten vorstellen", sagt Reichel. "Aber wenn ich keinen Ansprechpartner habe, kann ich auch nicht reden."

Bundestagsabgeordnete Brantner hofft, dass die Stadt Erfolg hat. "Wenn der Briefkasten tatsächlich aufgestellt wird, werfe ich auf jeden Fall eine Dankespostkarte ein."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung