Schriesheim im Bild 2023

31.03.2018

Krötenwanderung in Schriesheim: Belächelte Lebensretter - Ihre Arbeit ist nicht ungefährlich

Bei Wind und Wetter helfen Freiwillige Hunderten Kröten auf der Wanderung über Landstraßen

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Ein ungemütlicher Abend, sechs Grad kalt, windig, es regnet. Auf den Straßen der Stadt ist um 21.45 Uhr kaum jemand unterwegs, einer der wenigen ist Thomas Zwipf. "Ein perfekter Abend." Zwipf fährt mit seinem Geländewagen die Talstraße hinauf. Beim Altenheim Haus Stammberg zeigt er erstmals auf die Fahrbahn: Ein paar Bröckchen tauchen in den Schweinwerferkegeln auf, es sind Überreste toter Kröten. "Jetzt wird es interessant", sagt Zwipf.

Der 47-Jährige trägt eine Regenjacke, Warnweste und Taschenlampe liegen im Auto. Am Rand der Landstraße 596a in Richtung Altenbach muss er für die Autofahrer gut sichtbar sein.Zwipf ist auf einer Mission: Kröten retten. Seit sechs Jahren mache er das, erzählt er und bremst ab. 30 Kilometer pro Stunde sind hier nachts maximal erlaubt, um die Kröten zu schützen. Bei höheren Geschwindigkeiten können die Organe der Tiere platzen, wenn ein Auto über sie hinweg rast. Viele Fahrer halten sich trotzdem nicht daran: "Die anderen werden jetzt erst mal hupen, aber das ist Sinn der Sache", sagt Zwipf und lächelt.

Am Parkplatz "Schafpferch" gegenüber dem Rückhaltebecken biegt er ab. Hier ist der Treffpunkt der Krötenretter vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Bis 22 Uhr müssten wir noch warten, sagt Zwipf. "Die anderen haben schon gefragt, ob noch etwas für sie übrig bleibt." Die anderen, das sind an diesem Abend Gerlinde Seidel und Walter Weber aus Wilhelmsfeld. Beide haben Plastikeimer, Stirnlampen und Handschuhe dabei.

Nach einer kurzen Lagebesprechung geht es los: Die kleine Gruppe Krötenretter stapft den aufgeweichten Grünstreifen der Landstraße entlang und leuchtet den Zaun aus Hasendraht ab. Besonders häufig finden sie dort Erdkröten, die sich auf dem Weg in Richtung Rückhaltebecken in Lebensgefahr begeben würden, sobald sie die Fahrbahn queren. Aber auch Gras- und Springfröschen und einem Bergmolch haben die Krötenretter dieses Jahr schon über die Straße geholfen.

"Man wird schon belächelt, wenn man das erzählt", sagt Zwipf. "Aber das stört mich wenig." Der zweifache Familienvater wohnt in Schriesheim, arbeitet als Steuerberater in Hirschberg, spielt in seiner Freizeit gern Handball. "Krötenretten ist mein Faible, und das will ich auch meinen Kindern weitergeben." Besonders seine elfjährige Tochter sei mit Feuereifer bei der Sache, sagt er.

Nachts ist das Krötenretten aber kein Kinderspiel. Immer wieder rasen Autos an den drei Rettern in Warnwesten vorbei, ohne abzubremsen. Deshalb bekommen Familien immer eine Einweisung, wenn sie das erste Mal dabei sind, sagt Zwipf. Seidel und Weber dagegen sind Profis, die seit einem Jahr meist am Krötenschutzzaun nahe Wilhelmsfeld auf Patrouille gehen. Mehrere Hundert Meter kontrollieren die Tierschützer an diesem Abend an der L 596a.

Leicht zu entdecken sind die Kröten zwischen den regennassen Blättern und Steinen auch im Schein der Stirnlampen nicht. Gut zu sehen sind dagegen die Tiere, die den Zaun aus eigener Kraft hinaufklettern wollen. Kurz bestimmen die Krötenretter die Art des gefundenen Tiers, dann werden alle von Hand in die weißen Plastikeimer gelegt. 27 Kröten sind es an diesem Abend bei Altenbach, eine davon bereits durch ein Auto verletzt. Dazu kommt noch ein Springfrosch. Alle werden auf der anderen Seite der Straße ausgesetzt, wo sie - wegen des schnellen Ortswechsels zum Teil ziemlich orientierungslos - erst einmal eine kurze Pause brauchen. Dann geht es in Richtung Laichstätte Rückhaltebecken.

Vergangenes Jahr haben die Helfer laut Zwipf an drei Stellen rund 1000 Tieren über die Straßen geholfen, das mache sich auch bei der Population bemerkbar. "An einem Abend - wir nennen es die Nacht der Nächte - waren es allein 500", sagt Zwipf. Dieses Jahr sind die Krötenretter noch bis mindestens Mitte April im Einsatz, abends um 22 Uhr, morgens ab 6 Uhr.

Im Regen macht sich Zwipf kurz nach 23 Uhr auf den Heimweg. Auf Höhe des Waldschwimmbads erscheinen wieder Bröckchen in den Lichtkegeln der Scheinwerfer seines Geländewagens. Alle Tiere, das ist Zwipf bewusst, können auch die Krötenretter nicht vor dem Tod auf der Landstraße bewahren.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung