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25.04.2018

Schriesheim: Jeder Siebte ist auf Barrierefreiheit angewiesen

Zahl der Gehbehinderten ist seit 2006 um ein Viertel gestiegen - Behindertentoilette im Rathaus geplant

Von Marco Partner

Schriesheim. 2097 Schriesheimer - also 13,7 Prozent der Bürger - sind in ihrem Alltag stark eingeschränkt. Das geht aus der neuen Behinderten-Statistik hervor, die seit 2006 regelmäßig Aufschluss über Behinderungen im Bereich der Bewegung, des Sehens und des Hörens gibt. Demnach ist jeder siebte Schriesheimer auf Barrierefreiheit angewiesen.

Die Zahl der Menschen mit Gehstörungen ist im Vergleich zum Jahr 2006 um 350 und damit um ein Viertel gestiegen. Die 1761 registrierten Mobilitätsbehinderten leiden unter Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule oder Beine, Verlust von Gliedmaßen oder einer Querschnittslähmung. Aber auch Störungen des Hirnstoffwechsels mit Ausfallerscheinungen des Bewegungsapparates fallen in diesen Bereich.

Auch Hörbehinderungen treten häufiger auf

Bereits seit 15 Jahren macht sich die Grüne Liste für Barrierefreiheit stark. "Damals war dieser Begriff noch nicht in aller Munde", erinnert Barbara Schenk-Zitsch bei einer Pressekonferenz im Zimmer des Bürgermeisters. Die von der Partei ins Leben gerufene Arbeitsgruppe "Barrierefreiheit" war es auch, die sich für eine statistische Erfassung von Menschen mit Behinderungen einsetzte. Um überhaupt ein Gespür, ein Bewusstsein für das sensible Thema zu schaffen, und den hohen Stellenwert von Inklusion auch mit Zahlen untermauern zu können.

Seit Oktober 2014 steht der AG mit Karin Reichel eine starke Verbündete zur Seite. Als Inklusionsbeauftragte ist sie eine wichtige Ansprechpartnerin für Menschen mit Behinderung. "Aber auch eine wichtige Anlaufstelle innerhalb der Verwaltung. Denn Barrierefreiheit ist zu einer zentralen Aufgabe geworden", betont Bürgermeister Hansjörg Höfer. Der starke Anstieg der registrierten Mobilitätsbehinderungen ist laut Reichel nur bedingt auf einen Rückgang von Stigmatisierungen zurückzuführen. "Die Gesellschaft wird älter - und für das Thema wurde sensibilisiert: Es gibt mittlerweile mehr Vergünstigungen für Behinderte", sagt die Inklusionsbeauftragte. Dennoch sei die Dunkelziffer nach wie vor erheblich höher.

Einen deutlichen Anstieg gab es auch bei Hörbehinderungen: 2006 waren 169 Einschränkungen des Gehörorgans (wie Schwerhörigkeit, aber nur selten Taubheit) verzeichnet. 2018 sind es 193, darunter vier taube Bürger. Bei den Sehbehinderungen ist im Vergleich zwischen 2006 (148 Personen) und 2018 (143 Personen) dagegen ein leichter Rückgang zu verzeichnen.

"Die Lobby für Sehbehinderte ist nicht groß", weiß die Inklusionsbeauftragte. Und sie kennt auch die Probleme: "Wenn diese Menschen auf ein unerwartetes Hindernis stoßen, können sie sich richtig wehtun." Daher seien die Bürger angehalten, zum Beispiel nicht auf Gehwegen zu parken. "Man kann von Kommunen viel fordern, aber jeder ist auch mit seinem eigenen Verhalten gefragt", sagt auch Schenk-Zitsch.

Eine 100 Prozent barrierefreie Stadt sei wohl eine Utopie. Dennoch befinde sich Schriesheim auf einem guten Weg. 2017 erhielt die Stadt eine Auszeichnung als "Barrierefreie Gemeinde". Zudem habe sich ein starkes Netzwerk gebildet, unter anderem auch dank AWO-Inklusionslotsin Idil Reineke. Ein leuchtendes Beispiel sei auch der Einbau einer Höranlage im Rathaus. "Heidelberg hat nun eine ähnliche Anlage", verweist Reichel darauf, dass kleine Kommunen nicht immer nur von den Großen lernen, sondern auch umgekehrt. Ausruhen möchte man sich darauf aber nicht. Zuletzt wurde die automatische Rathaustür barrierefrei gestaltet, nun soll eine Behindertentoilette im Erdgeschoss folgen. Die Unterführung an der B 3 (Höhe Schillerplatz) könne jedoch nicht verbessert werden.

Anders ist das bei der Ampelanlage an B 3 und Talstraße, sie soll barrierefrei werden. "Das ist auch seit Jahrzehnten überfällig", freut sich Schenk-Zitsch, dass der Einsatz über 15 Jahre sich nach und nach rentiert.

Info: Von Schriesheims aktuell 15.305 Einwohnern sind 4315 Bürger mit Behinderungen registriert, darunter fallen auch Psychosen oder Erkrankungen der Atemwege. Inklusionsbeauftragte Karin Reichel ist telefonisch unter 0 62 03/ 60 21 16 erreichbar.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung