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27.04.2018

Neue Sorten bei Schriesheimer Winzer: "Müller-Thurgau klang ja auch nie wirklich sexy"

Neue Sorten bei Schriesheimer Winzer: "Müller-Thurgau klang ja auch nie wirklich sexy"

Georg Bielig setzt verstärkt auf naturnahen Weinbau - Große Zukunft für robuste Sorten

Georg Bielig in einem seiner neuen "Piwi"-Weinberge. Naturnahes Wirtschaften ist Handarbeit und braucht viel Zeit. Daher sucht der Winzer auch einen Mitstreiter, der sich für biodynamischen Weinbau interessiert (Kontakt über: weingut-bielig.de). Foto: Dorn

Von Carsten Blaue

Schriesheim. Georg Bielig macht seit 25 Jahren Weinbau. Und das erfolgreich. Aber jetzt sitzt er am langen Tisch in seinem Weingut, schaut einem kerzengerade in die Augen und sagt: "Ich sehe, dass es auf diesem Weg nicht weitergeht." Bielig will seine Art der Bewirtschaftung umstellen, will ausgetretene Wege verlassen. Seine Zukunft sollen robuste, pilzwiderstandsfähige Rebsorten sein, sogenannte "Piwis". Dazu mehr Naturnähe in der Weinbergspflege, viel mehr Naturnähe! Also keine Herbizide oder synthetischen Pflanzenschutzmittel mehr, sondern eigene Komposte oder biodynamische Präparate: "Ich weiß, dass ich das kann", sagt er.

Er nennt es "Enkelfähigkeit"

Nachhaltigkeit fällt einem als Begriff dazu ein. Bielig nennt es anders: "Enkelfähigkeit". "Mit fast 42 Jahren denke ich darüber nach, was ich meinen Kindern hinterlasse." Seine Zukunft als Winzer heißt nicht mehr Müller-Thurgau oder Silvaner, sondern Muscaris oder Souvignier Gris. Insgesamt sind es acht neue Sorten, mit denen er seine Weinberge bestockt. Und sie sind kein Marketing-Gag: "Ich mache das für mich, weil ich so, wie bisher, einfach nicht weitermachen kann."

Der unkonventionelle Weinbau, er geht nicht von heute auf morgen. Zumal hier im wahrsten Wortsinne alles von Hand geht und der Pflanzenschutz stundengenau geplant werden muss: "Dazu bin ich noch nicht hundertprozentig fähig", sagt der Winzer. Außerdem geht es hier auch um seine persönliche Freiheit: "Ich lasse mich bestimmt nicht von einem System zum anderen knebeln." Sukzessive will Bielig die neue Art der Bewirtschaftung Fuß fassen lassen. Außerdem will er ja auch nicht den kompletten Bruch mit dem Alten: "Ich will auch mit 103 Jahren noch Silvaner trinken", erinnert er lächelnd an den kürzlich verstorbenen Ehrenbürger, Peter Hartmann.

Aber wenn Bielig neue Reben pflanzen muss, dann wird er nur noch auf die neuen Sorten zurückgreifen, die Experten in Geisenheim, Weinsberg oder Freiburg entwickelt haben. Manche sind in der Versuchsphase und so neu, dass sie noch gar keine Namen haben. So hat Bielig seit vergangenem Jahr neben dem roten Piroso auch eine neue Rotweinzüchtung, die "We 94-26-37" heißt. Dieses Jahr kamen größer die weißen Sorten Johanniter, Cabernet Blanc und "We 88-101-13" hinzu. Den Muscaris und den Souvignier Gris hat er schon 2014 gepflanzt. Bielig hat seinen neuen Weg also nicht erst gestern eingeschlagen. Auf etwa 20 Prozent seiner Gesamtfläche hat er "Piwis" im Anbau, also auf rund einem Hektar. Wie viel es am Ende wird, weiß Bielig noch nicht.

Ein Silvaner-Wingert und eine Anlage mit Müller-Thurgau, die er in seiner Jugend angelegt hat, mussten den Neuen aber schon weichen. Diesen prophezeit Bielig eine große Zukunft - unabhängig von Namen oder Nummern: "Alles Neue braucht seine Zeit. Und Müller-Thurgau klang ja auch nie wirklich sexy." Letztlich komme es darauf an, dass Geschmack und Qualität stimmen: "Das Produkt muss überzeugen. Sonst nützt alles Wirtschaften nichts."

Und das muss zudem rentabel bleiben. Kleines Beispiel dafür: Bielig verwendet nur noch Stahlposten, weil die Holzpfosten nicht mehr so haltbar sind: "Aber in Stahl kann nichts brüten." Also sorgt er für Bruthölzer in den Weinbergen, damit etwa Wildbienen hier nisten können. Hat er zudem die Hochstämme noch vor zehn Jahren abgesägt, versetzt er heute bei der Neuanlage eben die Rebzeilen etwas zurück. Bielig will also für neue Vielfalt sorgen - in seinem Ökosystem Weinberg im Ganzen. Wanderer werden auch mal einen Baumstamm zum Verweilen finden.

Gerne würde Bielig Interessierten auch einen "gläsernen Weinberg" zeigen. Also am Wingert ein Schild aufstellen, auf dem man nachlesen kann, was der Winzer macht und wann. Dafür hatte Bielig einen Wingert in der Vohbach im Auge. Der ist aber im Landschaftsschutzgebiet. Also wird das eher schwierig mit dem Schild. Will man die Bieligs "Piwis" richtig kennenlernen, hilft aber eigentlich sowieso nur eines: probieren.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung