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07.06.2018

Ganz Deutschland aß diese "Dauerbrezeln"

Ganz Deutschland aß diese "Dauerbrezeln"

Die Bäckerei Heiß feiert 100-Jähriges – Tradition mit Innovation

Stefan und Renate Heiß halten nichts von "Billigheimern". Ihre Bäckerei ist heute ein Bioland-Betrieb mit knapp 30 Mitarbeitern, zwei Filialen und umfangreichem Sortiment. Foto: Dorn

Von Nicoline Pilz

Schriesheim. 100 Jahre Bäckerei Heiß in Schriesheim: Ein Anlass, der gefeiert werden muss und wird. Am Samstag, 9. Juni, laden Stefan und Renate Heiß in der Zeit zwischen 11 und 13 Uhr ein in ihre "offene Backstube" in der Heidelberger Straße 16: "Wir veranstalten ein Schaubacken mit Brezeln - in guter Tradition, denn darin liegen ja auch unsere Wurzeln", sagt Bäcker- und Konditormeister Stefan Heiß.

Im Hof wird Max Jäck Weine und Apfelsaft ausschenken, außerdem ist die Organisch-Biologische Erzeugergemeinschaft (OBEG) mit einem Stand vertreten, an dem sie über die sieben maßgeblichen Bioland-Prinzipien als Leitbilder und Ideale einer ökologischen Landwirtschaft der Zukunft informiert. Ein Thema, das dem Ehepaar Heiß am Herzen liegt: Die Bäckerei ist ein Bioland-Betrieb mit umfangreichem Sortiment, ausgezeichnet für "Nachhaltiges Wirtschaften 2017", Mitglied der Schriesheimer Ökostromer und eines von noch nicht allzu vielen Geschäften, das auf ökologische Verpackungen setzt.

Ein Betrieb mit sozialem Gewissen: So ist der Erlös der Veranstaltung bestimmt für den Verein Kinder-Initiative Strahlenburg, der schwerkranke, pflegebedürftige Kinder und ihre Eltern unterstützt. In diesem Fall ist der Gewinn der sechsjährigen Lilly aus Schriesheim gewidmet, deren Krankenkasse offenbar die Kostenübernahme für ein passendes Beatmungsgerät versagt.

Der Verein ist ebenfalls mit einem Infostand vertreten und berichtet über seine Arbeit und Ziele. Und Hanne Heinsteins Marionettentheater "TrollToll" wird eine ihrer Geschichten spielen. Nicht zuletzt dokumentiert eine kleine Bilderausstellung die Entwicklung der Bäckerei Heiß.

In ihrer 100-jährigen Geschichte hat diese es schon immer verstanden, handwerkliche Tradition mit zukunftsorientierter Innovation zu verbinden. Zum Beispiel dann, als Wilhelm Heiß sen., der 1924 die Bäckerei übernahm, das Geschäft drei Jahre später in eine Bäckerei und eine Brezelfabrik trennte. Mit den in Schriesheim hergestellten festen Brezeln, sogenannten "Dauerbrezeln", stieß der Bäcker in eine Marktlücke, und es dauerte nicht lange, bis die Brezeln zum Stückpreis von 30 Pfennigen aus der "Bergsträssler Brezelfabrik" in ganz Deutschland geknabbert wurden. Anfangs wurden sie noch mit einem "Adler"-Lieferwagen nebst Anhänger in das Rheingau, den Kraichgau und in den Odenwald geliefert. Später verließen sie im Zehnerpack die Post in Schriesheim.

Den Grundstein für mehrere Generationen Schriesheimer Backhandwerk legte Anna Heiß, als sie 1918 die Backstube im Hinterhaus der Heidelberger Straße 16 erwarb. Im Zweiten Weltkrieg führte Klara Heiß, die Ehefrau von Wilhelm den Betrieb mit einer ausschließlich weiblichen Belegschaft alleine weiter. Wilhelm sen. musste zu Beginn der 40er Jahre an die Ostfront und kehrte nicht wieder zurück. In den 60er Jahren dann die nächste weitblickende Entscheidung: Klara Heiß stellte den Betrieb im hinteren Teil des Gebäudes von Dauerbrezeln auf Salzsticks um, von denen mehrere tausend Päckchen pro Tag die Heidelberger Straße verließen. Der vordere Teil des Hauses war kurzzeitig an Bäckermeister Ehlen verpachtet; der Sohn von Klara Heiß, Wilhelm Heiß jun., führte den Betrieb später fort. Er absolvierte im Mai 1968 seine Meisterprüfung mit Auszeichnung, um fortan den Betrieb gemeinsam mit seiner Frau Ingrid zu leiten.

1995 übergab er an Sohn Stefan, der sich bereits in frühen Kinderjahren fürs Traditionshandwerk entschieden hatte. Von 1981 bis 84 lernte er zunächst den Beruf des Konditors im Heidelberger Café Schafheutle. Seine Meisterprüfung legte er 1991 ab, lernte aber zuvor noch das Bäckerhandwerk vom Vater. 1993 folgte auch hier die Meisterprüfung und anschließend ein Studium zum Betriebswirt des Handwerks. In der Zeit ihres Bestehens hat sich die Bäckerei vom Einmannbetrieb zum Unternehmen mit knapp 30 Mitarbeitern im Geschäft in der Heidelberger und in der Filiale in der Talstraße entwickelt.

Jährlich investiert Heiß als zertifizierter Bioland-Bäcker zwischen 30.000 und 50.000 Euro, um technisch auf dem neuesten Stand zu sein. Der Zuspruch der Kundschaft, auch von weiter her, bestätige seinen Kurs, der auf Qualität setze, sagt Stefan Heiß: "Wir haben noch unseren eigenen Sauerteig und unseren eigenen Plunder." Von "Billigheimern" und Tiefkühlprodukten - daran hat sich bis heute nichts geändert - hält er nichts.

Klara Heiß (nicht auf dem Foto) rüstete den Betrieb in den 60er Jahren von Brezeln auf Salzsticks um. Einige tausend Päckchen der Knabberstäbchen verließen täglich die Heidelberger Straße. Repro: Dorn

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung