Schriesheim im Bild 2023

27.06.2018

Integrationslotsin geht: Schriesheim geht den Weg alleine weiter

Integrationslotsin Idil Reineke verabschiedete sich mit einem "Fairen Frühstück" - Projekt läuft nach vier Jahren aus

Von Anna Manceron

Schriesheim. "Wege entstehen dadurch, dass man sie geht." Mit diesen Worten hat sich Inklusionslotsin Idil Reineke schon jetzt von den Schriesheimern verabschiedet. Vier Jahre lang ist die Stadt an der Bergstraße ihr Arbeitsplatz gewesen. Ende September läuft die Stelle der 37-Jährigen aus.

Die Verabschiedung am Samstag fand im Rahmen eines "Fairen Frühstücks" im Begegnungszentrum "mittendrin" statt. Es war das dritte Faire Frühstück in Schriesheim, das sich seit 2015 offiziell "Fair-Trade-Stadt" nennen darf. Rund 130 Leute waren gekommen, um sich von Idil Reineke zu verabschieden. "Ich finde es gut, dass die Verabschiedung nicht im Rathaus stattfindet, sondern hier. Da, wo sich auch das Leben abspielt", sagte Besucherin Jutta Ehehalt.

"Für Dich war das nicht einfach nur ein Job, sondern eine Berufung", sagte Bürgermeister-Stellvertreterin Barbara Schenk-Zitsch bei der Verabschiedung. Die 37-Jährige habe den Schriesheimern die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung aufgezeigt. Und: "Du hast uns dabei geholfen, Hemmungen abzubauen", so Schenk-Zitsch.

Idil Reineke arbeitet für die AWO Rhein-Neckar. 2014 war sie als Inklusionslotsin nach Schriesheim gekommen. Das von der "Aktion Mensch" geförderte Projekt war von Anfang an auf vier Jahre begrenzt. Es war das erste dieser Art in der Region. Nun plant die AWO laut Geschäftsführerin Bettina Latsch ein ähnliches Projekt in Leimen. Als sie vor vier Jahren mit ihrer Arbeit begann, hatte sich Idil Reineke vorgenommen, die Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung in Schriesheim zu verbessern. Dabei nahm sie die Bereiche Wohnen, Arbeit und Freizeit unter die Lupe. Sie unterstützte Sportvereine wie den TVS dabei, ein behindertengerechtes Angebot auszuarbeiten. Und in der Berufswelt vermittelte sie Praktika bei lokalen Arbeitgebern. Inzwischen hat die Catering-Firma Keller sogar einen 26-jährigen Mann mit körperlicher Behinderung aus Afghanistan fest angestellt.

"Ich hätte nicht gedacht, dass wir in vier Jahren so viel erreichen", freut sich Idil Reineke - und klingt dabei auch ein wenig stolz. Das Thema Inklusion sei heute viel präsenter in den Köpfen der Schriesheimer, so die 37-Jährige. Manche Einzelhändler hatten zum Beispiel die Idee, Klingeln an ihren Ladentüren anzubringen. Damit auch Menschen dort einkaufen können, die nicht alleine die Treppe hoch kommen.

Die Arbeit der Inklusionslotsin soll nach ihrem Weggang nicht ins Leere laufen. In Zukunft wird Karin Reichel für dieses Thema zuständig sein. Als Inklusionsbeauftragte der Stadt will sie die Bedürfnisse von Behinderten vor allem bei der Stadtplanung stärker in den Fokus rücken. "Da gibt es noch viele Baustellen", so Reichel. "Vom Kopfsteinpflaster bis zum Parken auf dem Gehweg."

Bei der Verabschiedung gingen Idil Reineke vor allem die persönlichen Abschiede nahe. Mit vielen Beeinträchtigten hatte sie fast täglich zusammengearbeitet. "Inklusion ist ein Prozess, der nie abgeschlossen ist", sagte die 37-Jährige. Aber: Sie habe die Grundsteine für diesen Weg gelegt. "Und Schriesheim ist jetzt bereit, alleine weiter zu gehen."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung