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05.09.2018

Weinlese in Schriesheim: Drei Generationen in positivem Stress

Weinlese in Schriesheim: Drei Generationen in positivem Stress

Hartmut Haas begann als einer von 200 Genossenschaftswinzern mit der Lese - Doch zunächst zwang der Regen zum Abwarten
Vom Enkel bis zum Opa: Peter (77), Nick (15) und Hartmut Haas (43) legten am Dienstag erst zur Mittagszeit im Weinberg los, zusammen mit fast 20 Helfern aus Schriesheim. "Ich habe jeden auf dem Straßenfest angequatscht, den ich kannte", sagt Hartmut Haas. Fotos: Dorn

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Eigentlich wollte Hartmut Haas um 8.30 Uhr schon die ersten Trauben schneiden. Doch statt der Ernteschere hat der 43-Jährige sein Smartphone in der Hand. Es regnet. "Und bei Regen wird nicht gelesen, diese Devise haben wir ganz klar ausgegeben", sagt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Winzergenossenschaft (WG). Also wartet er, prüft die Wettervorhersage, telefoniert mit anderen Winzern.

Nebelschwaden ziehen den Ölberg hinauf, es ist inzwischen 9.30 Uhr am ersten Lesetag der Genossenschaftswinzer. Etwa 20 Helfer hat Haas angeworben; alle aus Schriesheim, der älteste 77, der jüngste 15 Jahre alt. Doch die Trauben sind nass, das Wasser würde den Zuckergehalt, den Oechslegrad, senken. Also wartet Haas weiter, mit ihm Vater Peter und Sohn Nick. Um 10.05 Uhr hört der Regen auf. "Wenn es trocken bleibt, können wir um 12 Uhr anfangen", sagt Haas.

Die Wolken geben die Sonne frei, die Temperaturen steigen, der Nebel über dem Ölberg lichtet sich. Um 11.20 Uhr steht fest: "Wir fangen um 12.30 Uhr an." Haas ist Wetterwechsel gewohnt. Seit er laufen kann, hilft er im Weinberg mit. Im Alter von acht Jahren wurde er Mitglied der WG, dieses Jahr zum Stellvertreter des neuen Vorstandsvorsitzenden Karlheinz Spieß gewählt. Im vergangenen Herbst musste er auch mal um 3 Uhr nachts mit der Lese beginnen, um 16 Uhr wurde er fertig. "Positiver Stress", sagt Haas, der hauptberuflich Busflotten der DB Regio in Norddeutschland managt. Im Nebenerwerb ist er Winzer in vierter Generation. "Oder in fünfter, genau weiß ich das nicht", sagt er und lacht. Für die Lese hat er sich drei Wochen Urlaub genommen. "Genau das Richtige, um den Kopf freizubekommen."

Dieses Jahr beginnt die Lese für ihn erst um 12.37 Uhr: Vater Peter verteilt Erntescheren und Handschuhe aus dem Kofferraum, die Helfer machen sich an die Arbeit. Fast alle sind gekommen, obwohl die meisten am Vortag noch den Abschluss des Straßenfests gefeiert haben. Mit dabei sind Weinkönigin Sophie Koch, Haas’ Nichte, und Sofia Hartmann, eine der beiden Weinprinzessinnen. Schnell arbeitet sich die Gruppe durch den Wingert, innerhalb von 21 Minuten ist der erste Breisacher Silberbottich bis über den Rand gefüllt.

"Sind das Klopper", sagt Peter Haas mit Blick auf die Trauben der Sorte St. Laurent. Viel Sonne haben sie dieses Jahr abbekommen, für Schädlinge wie die Kirschessigfliege war es im Sommer viel zu heiß. Ein Blick reicht, dann landen die Rappen im Eimer. "Das ist auch gut, sonst würden wir heute nicht mehr durchkommen", sagt Hartmut Haas, während Sohn Nick den Fendt-Traktor rangiert. Bis zum Nachmittag soll auch ein Teil der Sorte Dornfelder gelesen sein, den Tanklaster dafür hat die WG schon bestellt. "Dem hätten wir am Morgen absagen müssen, wenn es mit dem Beginn zu lange gedauert hätte", sagt Haas.

Doch bevor die Trauben die zweieinhalb Stunden Fahrt zur Verarbeitung im südbadische Breisach antreten, müssen sie erst mal zur Kelterhalle am Dossenheimer Weg. Es ist 13.11 Uhr, das Helferteam hat den zweiten Silberbottich bis über den Rand gefüllt und geht die etwa 100 Meter zum nächsten Wingert. Haas steuert derweil seinen Traktor bergab Richtung Kelterhalle. Deren Mannschaft um Thomas Rell macht gerade Mittagspause, Haas stellt seine Bottiche draußen ab. Mit Kreide schreibt er seine WG-Mitgliedsnummer, die Traubensorte und die Lage des abgeernteten Weinbergs auf die Bottiche: "825 St. Laur Kuh". Die Kelterhelfer wissen Bescheid.

Um 13.30 Uhr ist Hartmut Haas wieder im Wingert und schneidet weiter Trauben. "Das mit dem Dornfelder wird sportlich", sagt er. "Aber als Genossenschaft kriegen wir das hin."

Wasser auf den Trauben senkt beim Keltern den Zuckergehalt, Winzer vermeiden deshalb Lese bei Regen. Foto: Dorn

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung